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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

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der Duft, und so innig die Vereinigung der
zärtlichen Seelen auch ist, so ist sie doch
von keiner heftigen Bewegung und keiner fres¬
senden Wuth begleitet, wie bei den Thieren.
So ist die Kindheit in der Tiefe zunächst an
der Erde, da hingegen die Wolken vielleicht
die Erscheinungen der zweiten, höheren
Kindheit, des wiedergefundenen Paradieses
sind, und darum so wohlthätig auf die
Erstere herunter thauen.

Es ist gewiß etwas sehr geheimnißvolles
in den Wolken, sagte Sylvester, und eine
gewisse Bewölkung hat oft einen ganz wun¬
derbaren Einfluß auf uns. Sie ziehen, und
wollen uns mit ihrem kühlen Schatten auf
und davon nehmen, und wenn ihre Bil¬
dung lieblich und bunt, wie ein ausgehauch¬
ter Wunsch unsers Innern ist, so ist auch
ihre Klarheit, das herrliche Licht, was dann
auf Erden herrscht, wie die Vorbedeutung

der Duft, und ſo innig die Vereinigung der
zärtlichen Seelen auch iſt, ſo iſt ſie doch
von keiner heftigen Bewegung und keiner freſ¬
ſenden Wuth begleitet, wie bei den Thieren.
So iſt die Kindheit in der Tiefe zunächſt an
der Erde, da hingegen die Wolken vielleicht
die Erſcheinungen der zweiten, höheren
Kindheit, des wiedergefundenen Paradieſes
ſind, und darum ſo wohlthätig auf die
Erſtere herunter thauen.

Es iſt gewiß etwas ſehr geheimnißvolles
in den Wolken, ſagte Sylveſter, und eine
gewiſſe Bewölkung hat oft einen ganz wun¬
derbaren Einfluß auf uns. Sie ziehen, und
wollen uns mit ihrem kühlen Schatten auf
und davon nehmen, und wenn ihre Bil¬
dung lieblich und bunt, wie ein ausgehauch¬
ter Wunſch unſers Innern iſt, ſo iſt auch
ihre Klarheit, das herrliche Licht, was dann
auf Erden herrſcht, wie die Vorbedeutung

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[36/0382] der Duft, und ſo innig die Vereinigung der zärtlichen Seelen auch iſt, ſo iſt ſie doch von keiner heftigen Bewegung und keiner freſ¬ ſenden Wuth begleitet, wie bei den Thieren. So iſt die Kindheit in der Tiefe zunächſt an der Erde, da hingegen die Wolken vielleicht die Erſcheinungen der zweiten, höheren Kindheit, des wiedergefundenen Paradieſes ſind, und darum ſo wohlthätig auf die Erſtere herunter thauen. Es iſt gewiß etwas ſehr geheimnißvolles in den Wolken, ſagte Sylveſter, und eine gewiſſe Bewölkung hat oft einen ganz wun¬ derbaren Einfluß auf uns. Sie ziehen, und wollen uns mit ihrem kühlen Schatten auf und davon nehmen, und wenn ihre Bil¬ dung lieblich und bunt, wie ein ausgehauch¬ ter Wunſch unſers Innern iſt, ſo iſt auch ihre Klarheit, das herrliche Licht, was dann auf Erden herrſcht, wie die Vorbedeutung

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Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/382>, abgerufen am 21.11.2024.