der Duft, und so innig die Vereinigung der zärtlichen Seelen auch ist, so ist sie doch von keiner heftigen Bewegung und keiner fres¬ senden Wuth begleitet, wie bei den Thieren. So ist die Kindheit in der Tiefe zunächst an der Erde, da hingegen die Wolken vielleicht die Erscheinungen der zweiten, höheren Kindheit, des wiedergefundenen Paradieses sind, und darum so wohlthätig auf die Erstere herunter thauen.
Es ist gewiß etwas sehr geheimnißvolles in den Wolken, sagte Sylvester, und eine gewisse Bewölkung hat oft einen ganz wun¬ derbaren Einfluß auf uns. Sie ziehen, und wollen uns mit ihrem kühlen Schatten auf und davon nehmen, und wenn ihre Bil¬ dung lieblich und bunt, wie ein ausgehauch¬ ter Wunsch unsers Innern ist, so ist auch ihre Klarheit, das herrliche Licht, was dann auf Erden herrscht, wie die Vorbedeutung
der Duft, und ſo innig die Vereinigung der zärtlichen Seelen auch iſt, ſo iſt ſie doch von keiner heftigen Bewegung und keiner freſ¬ ſenden Wuth begleitet, wie bei den Thieren. So iſt die Kindheit in der Tiefe zunächſt an der Erde, da hingegen die Wolken vielleicht die Erſcheinungen der zweiten, höheren Kindheit, des wiedergefundenen Paradieſes ſind, und darum ſo wohlthätig auf die Erſtere herunter thauen.
Es iſt gewiß etwas ſehr geheimnißvolles in den Wolken, ſagte Sylveſter, und eine gewiſſe Bewölkung hat oft einen ganz wun¬ derbaren Einfluß auf uns. Sie ziehen, und wollen uns mit ihrem kühlen Schatten auf und davon nehmen, und wenn ihre Bil¬ dung lieblich und bunt, wie ein ausgehauch¬ ter Wunſch unſers Innern iſt, ſo iſt auch ihre Klarheit, das herrliche Licht, was dann auf Erden herrſcht, wie die Vorbedeutung
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0382"n="36"/>
der Duft, und ſo innig die Vereinigung der<lb/>
zärtlichen Seelen auch iſt, ſo iſt ſie doch<lb/>
von keiner heftigen Bewegung und keiner freſ¬<lb/>ſenden Wuth begleitet, wie bei den Thieren.<lb/>
So iſt die Kindheit in der Tiefe zunächſt an<lb/>
der Erde, da hingegen die Wolken vielleicht<lb/>
die Erſcheinungen der zweiten, höheren<lb/>
Kindheit, des wiedergefundenen Paradieſes<lb/>ſind, und darum ſo wohlthätig auf die<lb/>
Erſtere herunter thauen.</p><lb/><p>Es iſt gewiß etwas ſehr geheimnißvolles<lb/>
in den Wolken, ſagte Sylveſter, und eine<lb/>
gewiſſe Bewölkung hat oft einen ganz wun¬<lb/>
derbaren Einfluß auf uns. Sie ziehen, und<lb/>
wollen uns mit ihrem kühlen Schatten auf<lb/>
und davon nehmen, und wenn ihre Bil¬<lb/>
dung lieblich und bunt, wie ein ausgehauch¬<lb/>
ter Wunſch unſers Innern iſt, ſo iſt auch<lb/>
ihre Klarheit, das herrliche Licht, was dann<lb/>
auf Erden herrſcht, wie die Vorbedeutung<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[36/0382]
der Duft, und ſo innig die Vereinigung der
zärtlichen Seelen auch iſt, ſo iſt ſie doch
von keiner heftigen Bewegung und keiner freſ¬
ſenden Wuth begleitet, wie bei den Thieren.
So iſt die Kindheit in der Tiefe zunächſt an
der Erde, da hingegen die Wolken vielleicht
die Erſcheinungen der zweiten, höheren
Kindheit, des wiedergefundenen Paradieſes
ſind, und darum ſo wohlthätig auf die
Erſtere herunter thauen.
Es iſt gewiß etwas ſehr geheimnißvolles
in den Wolken, ſagte Sylveſter, und eine
gewiſſe Bewölkung hat oft einen ganz wun¬
derbaren Einfluß auf uns. Sie ziehen, und
wollen uns mit ihrem kühlen Schatten auf
und davon nehmen, und wenn ihre Bil¬
dung lieblich und bunt, wie ein ausgehauch¬
ter Wunſch unſers Innern iſt, ſo iſt auch
ihre Klarheit, das herrliche Licht, was dann
auf Erden herrſcht, wie die Vorbedeutung
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/382>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.