Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

lassene Landschaft von der aufgehenden
Sonne auf einmal erleuchtet wurde, so fie¬
len dem überraschten Jüngling alte Melo¬
dien seines Innern in den trüben Wechsel
seiner Gedanken ein. Er sah sich an der
Schwelle der Ferne, in die er oft vergebens
von den nahen Bergen geschaut, und die er
sich mit sonderbaren Farben ausgemahlt
hatte. Er war im Begriff, sich in ihre blaue
Flut zu tauchen. Die Wunderblume stand
vor ihm, und er sah nach Thüringen, wel¬
ches er jetzt hinter sich ließ mit der seltsamen
Ahndung hinüber, als werde er nach langen
Wanderungen von der Weltgegend her,
nach welcher sie jetzt reisten, in sein Vater¬
land zurückkommen, und als reise er daher
diesem eigentlich zu. Die Gesellschaft, die
anfänglich aus ähnlichen Ursachen still gewe¬
sen war, fing nach gerade an aufzuwachen,
und sich mit allerhand Gesprächen und Er¬

laſſene Landſchaft von der aufgehenden
Sonne auf einmal erleuchtet wurde, ſo fie¬
len dem überraſchten Jüngling alte Melo¬
dien ſeines Innern in den trüben Wechſel
ſeiner Gedanken ein. Er ſah ſich an der
Schwelle der Ferne, in die er oft vergebens
von den nahen Bergen geſchaut, und die er
ſich mit ſonderbaren Farben ausgemahlt
hatte. Er war im Begriff, ſich in ihre blaue
Flut zu tauchen. Die Wunderblume ſtand
vor ihm, und er ſah nach Thüringen, wel¬
ches er jetzt hinter ſich ließ mit der ſeltſamen
Ahndung hinüber, als werde er nach langen
Wanderungen von der Weltgegend her,
nach welcher ſie jetzt reiſten, in ſein Vater¬
land zurückkommen, und als reiſe er daher
dieſem eigentlich zu. Die Geſellſchaft, die
anfänglich aus ähnlichen Urſachen ſtill gewe¬
ſen war, fing nach gerade an aufzuwachen,
und ſich mit allerhand Geſprächen und Er¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0045" n="37"/>
la&#x017F;&#x017F;ene Land&#x017F;chaft von der aufgehenden<lb/>
Sonne auf einmal erleuchtet wurde, &#x017F;o fie¬<lb/>
len dem überra&#x017F;chten Jüngling alte Melo¬<lb/>
dien &#x017F;eines Innern in den trüben Wech&#x017F;el<lb/>
&#x017F;einer Gedanken ein. Er &#x017F;ah &#x017F;ich an der<lb/>
Schwelle der Ferne, in die er oft vergebens<lb/>
von den nahen Bergen ge&#x017F;chaut, und die er<lb/>
&#x017F;ich mit &#x017F;onderbaren Farben ausgemahlt<lb/>
hatte. Er war im Begriff, &#x017F;ich in ihre blaue<lb/>
Flut zu tauchen. Die Wunderblume &#x017F;tand<lb/>
vor ihm, und er &#x017F;ah nach Thüringen, wel¬<lb/>
ches er jetzt hinter &#x017F;ich ließ mit der &#x017F;elt&#x017F;amen<lb/>
Ahndung hinüber, als werde er nach langen<lb/>
Wanderungen von der Weltgegend her,<lb/>
nach welcher &#x017F;ie jetzt rei&#x017F;ten, in &#x017F;ein Vater¬<lb/>
land zurückkommen, und als rei&#x017F;e er daher<lb/>
die&#x017F;em eigentlich zu. Die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, die<lb/>
anfänglich aus ähnlichen Ur&#x017F;achen &#x017F;till gewe¬<lb/>
&#x017F;en war, fing nach gerade an aufzuwachen,<lb/>
und &#x017F;ich mit allerhand Ge&#x017F;prächen und Er¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0045] laſſene Landſchaft von der aufgehenden Sonne auf einmal erleuchtet wurde, ſo fie¬ len dem überraſchten Jüngling alte Melo¬ dien ſeines Innern in den trüben Wechſel ſeiner Gedanken ein. Er ſah ſich an der Schwelle der Ferne, in die er oft vergebens von den nahen Bergen geſchaut, und die er ſich mit ſonderbaren Farben ausgemahlt hatte. Er war im Begriff, ſich in ihre blaue Flut zu tauchen. Die Wunderblume ſtand vor ihm, und er ſah nach Thüringen, wel¬ ches er jetzt hinter ſich ließ mit der ſeltſamen Ahndung hinüber, als werde er nach langen Wanderungen von der Weltgegend her, nach welcher ſie jetzt reiſten, in ſein Vater¬ land zurückkommen, und als reiſe er daher dieſem eigentlich zu. Die Geſellſchaft, die anfänglich aus ähnlichen Urſachen ſtill gewe¬ ſen war, fing nach gerade an aufzuwachen, und ſich mit allerhand Geſprächen und Er¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/45
Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/45>, abgerufen am 09.11.2024.