neuer Zufälle und Verwickelungen geblende¬ te Klugheit? Ich weiß nicht, aber mich dünkt, ich sähe zwey Wege um zur Wissen¬ schaft der menschlichen Geschichte zu gelan¬ gen. Der eine, mühsam und unabsehlich, mit unzähligen Krümmungen, der Weg der Erfahrung; der Andere, fast Ein Sprung nur, der Weg der innern Betrachtung. Der Wanderer des ersten muß eins aus dem an¬ dern in einer langwierigen Rechnung finden, wenn der andere die Natur jeder Begeben¬ heit und jeder Sache gleich unmittelbar an¬ schaut, und sie in ihrem lebendigen, man¬ nichfaltigen Zusammenhange betrachten, und leicht mit allen übrigen, wie Figuren auf ei¬ ner Tafel, vergleichen kann. Ihr müßt ver¬ zeihen, wenn ich wie aus kindischen Träu¬ men vor euch rede; nur das Zutrauen zu eu¬ rer Güte und das Andenken meines Lehrers, der den zweyten Weg mir als seine eignen
neuer Zufälle und Verwickelungen geblende¬ te Klugheit? Ich weiß nicht, aber mich dünkt, ich ſähe zwey Wege um zur Wiſſen¬ ſchaft der menſchlichen Geſchichte zu gelan¬ gen. Der eine, mühſam und unabſehlich, mit unzähligen Krümmungen, der Weg der Erfahrung; der Andere, faſt Ein Sprung nur, der Weg der innern Betrachtung. Der Wanderer des erſten muß eins aus dem an¬ dern in einer langwierigen Rechnung finden, wenn der andere die Natur jeder Begeben¬ heit und jeder Sache gleich unmittelbar an¬ ſchaut, und ſie in ihrem lebendigen, man¬ nichfaltigen Zuſammenhange betrachten, und leicht mit allen übrigen, wie Figuren auf ei¬ ner Tafel, vergleichen kann. Ihr müßt ver¬ zeihen, wenn ich wie aus kindiſchen Träu¬ men vor euch rede; nur das Zutrauen zu eu¬ rer Güte und das Andenken meines Lehrers, der den zweyten Weg mir als ſeine eignen
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neuer Zufälle und Verwickelungen geblende¬
te Klugheit? Ich weiß nicht, aber mich
dünkt, ich ſähe zwey Wege um zur Wiſſen¬
ſchaft der menſchlichen Geſchichte zu gelan¬
gen. Der eine, mühſam und unabſehlich,
mit unzähligen Krümmungen, der Weg der
Erfahrung; der Andere, faſt Ein Sprung
nur, der Weg der innern Betrachtung. Der
Wanderer des erſten muß eins aus dem an¬
dern in einer langwierigen Rechnung finden,
wenn der andere die Natur jeder Begeben¬
heit und jeder Sache gleich unmittelbar an¬
ſchaut, und ſie in ihrem lebendigen, man¬
nichfaltigen Zuſammenhange betrachten, und
leicht mit allen übrigen, wie Figuren auf ei¬
ner Tafel, vergleichen kann. Ihr müßt ver¬
zeihen, wenn ich wie aus kindiſchen Träu¬
men vor euch rede; nur das Zutrauen zu eu¬
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der den zweyten Weg mir als ſeine eignen
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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/53>, abgerufen am 22.11.2024.
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