Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

Gefühl in ihm immer mehr bestätigt. Er
war aus einer uralten Morgenländischen
Königsfamilie entsprossen. Seine Gemahlin
war der letzte Zweig der Nachkommenschaft
des berühmten Helden Rustan gewesen.
Seine Dichter hatten ihm unaufhörlich von
seiner Verwandschaft mit den ehemaligen
übermenschlichen Beherrschern der Welt vor¬
gesungen, und in dem Zauberspiegel ihrer
Kunst war ihm der Abstand seiner Herkunft
von dem Ursprunge der andern Menschen,
die Herrlichkeit seines Stammes noch heller
erschienen, so daß es ihn dünkte, nur durch
die edlere Klasse der Dichter mit dem übri¬
gen Menschengeschlechte zusammenzuhängen.
Vergebens sah er sich mit voller Sehnsucht
nach einem zweyten Rustan um, indem er
fühlte, daß das Herz seiner aufblühenden
Tochter, der Zustand seines Reichs, und sein
zunehmendes Alter ihre Vermählung in aller
Absicht sehr wünschenswerth machten.

Gefühl in ihm immer mehr beſtätigt. Er
war aus einer uralten Morgenländiſchen
Königsfamilie entſproſſen. Seine Gemahlin
war der letzte Zweig der Nachkommenſchaft
des berühmten Helden Ruſtan geweſen.
Seine Dichter hatten ihm unaufhörlich von
ſeiner Verwandſchaft mit den ehemaligen
übermenſchlichen Beherrſchern der Welt vor¬
geſungen, und in dem Zauberſpiegel ihrer
Kunſt war ihm der Abſtand ſeiner Herkunft
von dem Urſprunge der andern Menſchen,
die Herrlichkeit ſeines Stammes noch heller
erſchienen, ſo daß es ihn dünkte, nur durch
die edlere Klaſſe der Dichter mit dem übri¬
gen Menſchengeſchlechte zuſammenzuhängen.
Vergebens ſah er ſich mit voller Sehnſucht
nach einem zweyten Ruſtan um, indem er
fühlte, daß das Herz ſeiner aufblühenden
Tochter, der Zuſtand ſeines Reichs, und ſein
zunehmendes Alter ihre Vermählung in aller
Abſicht ſehr wünſchenswerth machten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0074" n="66"/>
Gefühl in ihm immer mehr be&#x017F;tätigt. Er<lb/>
war aus einer uralten Morgenländi&#x017F;chen<lb/>
Königsfamilie ent&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;en. Seine Gemahlin<lb/>
war der letzte Zweig der Nachkommen&#x017F;chaft<lb/>
des berühmten Helden Ru&#x017F;tan gewe&#x017F;en.<lb/>
Seine Dichter hatten ihm unaufhörlich von<lb/>
&#x017F;einer Verwand&#x017F;chaft mit den ehemaligen<lb/>
übermen&#x017F;chlichen Beherr&#x017F;chern der Welt vor¬<lb/>
ge&#x017F;ungen, und in dem Zauber&#x017F;piegel ihrer<lb/>
Kun&#x017F;t war ihm der Ab&#x017F;tand &#x017F;einer Herkunft<lb/>
von dem Ur&#x017F;prunge der andern Men&#x017F;chen,<lb/>
die Herrlichkeit &#x017F;eines Stammes noch heller<lb/>
er&#x017F;chienen, &#x017F;o daß es ihn dünkte, nur durch<lb/>
die edlere Kla&#x017F;&#x017F;e der Dichter mit dem übri¬<lb/>
gen Men&#x017F;chenge&#x017F;chlechte zu&#x017F;ammenzuhängen.<lb/>
Vergebens &#x017F;ah er &#x017F;ich mit voller Sehn&#x017F;ucht<lb/>
nach einem zweyten Ru&#x017F;tan um, indem er<lb/>
fühlte, daß das Herz &#x017F;einer aufblühenden<lb/>
Tochter, der Zu&#x017F;tand &#x017F;eines Reichs, und &#x017F;ein<lb/>
zunehmendes Alter ihre Vermählung in aller<lb/>
Ab&#x017F;icht &#x017F;ehr wün&#x017F;chenswerth machten.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0074] Gefühl in ihm immer mehr beſtätigt. Er war aus einer uralten Morgenländiſchen Königsfamilie entſproſſen. Seine Gemahlin war der letzte Zweig der Nachkommenſchaft des berühmten Helden Ruſtan geweſen. Seine Dichter hatten ihm unaufhörlich von ſeiner Verwandſchaft mit den ehemaligen übermenſchlichen Beherrſchern der Welt vor¬ geſungen, und in dem Zauberſpiegel ihrer Kunſt war ihm der Abſtand ſeiner Herkunft von dem Urſprunge der andern Menſchen, die Herrlichkeit ſeines Stammes noch heller erſchienen, ſo daß es ihn dünkte, nur durch die edlere Klaſſe der Dichter mit dem übri¬ gen Menſchengeſchlechte zuſammenzuhängen. Vergebens ſah er ſich mit voller Sehnſucht nach einem zweyten Ruſtan um, indem er fühlte, daß das Herz ſeiner aufblühenden Tochter, der Zuſtand ſeines Reichs, und ſein zunehmendes Alter ihre Vermählung in aller Abſicht ſehr wünſchenswerth machten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/74
Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/74>, abgerufen am 27.11.2024.