ging als gewöhnlich, so fand sie es ganz na¬ türlich, daß ihr das Herz lebhaft schlug, und ihr die Brust beklomm. Die Sonne fing eben an, die Wipfel der alten Bäume zu vergolden, die sich mit sanftem Flüstern be¬ wegten, als wollten sie sich gegenseitig aus nächtlichen Gesichtern erwecken, um die Son¬ ne gemeinschaftlich zu begrüßen, als die Prinzessin durch ein fernes Geräusch veran¬ laßt, den Weg hinunter und den Jüngling auf sich zueilen sah, der in demselben Augen¬ blick ebenfalls sie bemerkte.
Wie angefesselt blieb er eine Weile stehn, und blickte unverwandt sie an, gleichsam um sich zu überzeugen, daß ihre Erscheinung wirklich und keine Täuschung sey. Sie be¬ grüßten sich mit einem zurückgehaltenen Aus¬ druck von Freude, als hätten sie sich schon lange gekannt und geliebt. Noch ehe die Prinzessin die Ursache ihres frühen Spazier¬
ging als gewöhnlich, ſo fand ſie es ganz na¬ türlich, daß ihr das Herz lebhaft ſchlug, und ihr die Bruſt beklomm. Die Sonne fing eben an, die Wipfel der alten Bäume zu vergolden, die ſich mit ſanftem Flüſtern be¬ wegten, als wollten ſie ſich gegenſeitig aus nächtlichen Geſichtern erwecken, um die Son¬ ne gemeinſchaftlich zu begrüßen, als die Prinzeſſin durch ein fernes Geräuſch veran¬ laßt, den Weg hinunter und den Jüngling auf ſich zueilen ſah, der in demſelben Augen¬ blick ebenfalls ſie bemerkte.
Wie angefeſſelt blieb er eine Weile ſtehn, und blickte unverwandt ſie an, gleichſam um ſich zu überzeugen, daß ihre Erſcheinung wirklich und keine Täuſchung ſey. Sie be¬ grüßten ſich mit einem zurückgehaltenen Aus¬ druck von Freude, als hätten ſie ſich ſchon lange gekannt und geliebt. Noch ehe die Prinzeſſin die Urſache ihres frühen Spazier¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0086"n="78"/>
ging als gewöhnlich, ſo fand ſie es ganz na¬<lb/>
türlich, daß ihr das Herz lebhaft ſchlug, und<lb/>
ihr die Bruſt beklomm. Die Sonne fing<lb/>
eben an, die Wipfel der alten Bäume zu<lb/>
vergolden, die ſich mit ſanftem Flüſtern be¬<lb/>
wegten, als wollten ſie ſich gegenſeitig aus<lb/>
nächtlichen Geſichtern erwecken, um die Son¬<lb/>
ne gemeinſchaftlich zu begrüßen, als die<lb/>
Prinzeſſin durch ein fernes Geräuſch veran¬<lb/>
laßt, den Weg hinunter und den Jüngling<lb/>
auf ſich zueilen ſah, der in demſelben Augen¬<lb/>
blick ebenfalls ſie bemerkte.</p><lb/><p>Wie angefeſſelt blieb er eine Weile ſtehn,<lb/>
und blickte unverwandt ſie an, gleichſam um<lb/>ſich zu überzeugen, daß ihre Erſcheinung<lb/>
wirklich und keine Täuſchung ſey. Sie be¬<lb/>
grüßten ſich mit einem zurückgehaltenen Aus¬<lb/>
druck von Freude, als hätten ſie ſich ſchon<lb/>
lange gekannt und geliebt. Noch ehe die<lb/>
Prinzeſſin die Urſache ihres frühen Spazier¬<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[78/0086]
ging als gewöhnlich, ſo fand ſie es ganz na¬
türlich, daß ihr das Herz lebhaft ſchlug, und
ihr die Bruſt beklomm. Die Sonne fing
eben an, die Wipfel der alten Bäume zu
vergolden, die ſich mit ſanftem Flüſtern be¬
wegten, als wollten ſie ſich gegenſeitig aus
nächtlichen Geſichtern erwecken, um die Son¬
ne gemeinſchaftlich zu begrüßen, als die
Prinzeſſin durch ein fernes Geräuſch veran¬
laßt, den Weg hinunter und den Jüngling
auf ſich zueilen ſah, der in demſelben Augen¬
blick ebenfalls ſie bemerkte.
Wie angefeſſelt blieb er eine Weile ſtehn,
und blickte unverwandt ſie an, gleichſam um
ſich zu überzeugen, daß ihre Erſcheinung
wirklich und keine Täuſchung ſey. Sie be¬
grüßten ſich mit einem zurückgehaltenen Aus¬
druck von Freude, als hätten ſie ſich ſchon
lange gekannt und geliebt. Noch ehe die
Prinzeſſin die Urſache ihres frühen Spazier¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/86>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.