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Nyland, Petrus: Desz Schauplatzes Irdischer Geschöpffe. Bd. 2. Osnabrück, 1687.

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dreißig Tage schwanger/ nach welcher Zeit es 1. 2. und vielmals 4. oder 5. Junge zur Weld bringt. Die Nachgeburt darinnen das Junge beschlossen liegt/ ist so dick und fest/ daß es nicht/ als durch lecken der Bärin kan abgeschieden werden: worauß der Irthum entstanden / daß man gemeinet/ daß die Bärin ungestaltete Jungen gleich wie Fleisch-Klumpen / gebähre/ und durch das Lecken zu ihrer Gestalt brächte.

Das Alter dieser Thiere ist von den naturkündigern nicht abgezielet/ gleublich ist/ daß sie ein hohes Alter erreichen.

Die Bären verbergen sich im Winter in ihren Hölen oder Schlufftlöchern. In den ersten 14. Tagen schlaffen sie sehr fest/ und wan sie erwachen säugen sie ihre fordersten Pooten/ wodurch sie/ wie dafür gehalten wird/ sehr Fett werden sollen; Aber es scheinet der Wahrheit gemässer/ daß sie deß Nachtes außgehen / und ihre Nahrung suchen.

Die Bärinn ist mit sehr grosser Liebe zu ihren Jungen eingenommen/ dann sie trücken dieselbe offt an ihre Brust/ und bedecket sie mit ihren Leibe gleich wie die Vögel ihre Junge, Wann sie werffen will/ oder zu ihren Jungen in die Höle eingehen/ kriechet sie auff ihren Rücken dahinein/ damit ihre Fußstapffen nicht mögen nachgespüret werden.

Wiewohl der Bär starck von Leibe ist/ so ist er dennoch schwach von Haupte; Darumb er/ wann er von einem Baum oder steigern Berg herunter wil/ sein Haupt mit den vordersten Pooten bedecket/ und also ohne Furcht herunter fället.

Daß die Bären können gezähmet und abgerichtet werden/ bezeuget die Erfahrung / doch darff man denselben wenig trauen.

Sindrigall Fürst in Littauen hat einen Bären gehabt/ welcher gewohnet war/ alle Morgen auß dem Walde zu kommen/ und an die Hoff-Pforte anzuklopffen/ und wann er seine gewöhnliche Speise bekommen hatte/ wie ein ander Betteler habe er sich wieder in den Wald verfüget.

Die Bären haben eine sonderliche Lust zu der instrumentall Music; Olaus Magnus erzehlet/ daß die Vieh-Hirten in den Nord-ländern/ wann sie von den Bären umbringet werden/ so lang auff der Fleute spielen/ biß daß dieselbe durch den Hunger getrieben wieder weg gehen.

Ich muß hie eine wunderliche Geschicht auß dem Javio beyfügen/ von einem Bauren in Muscovien/ welcher

dreißig Tage schwanger/ nach welcher Zeit es 1. 2. und vielmals 4. oder 5. Junge zur Weld bringt. Die Nachgeburt darinnen das Junge beschlossen liegt/ ist so dick und fest/ daß es nicht/ als durch lecken der Bärin kan abgeschieden werden: worauß der Irthum entstanden / daß man gemeinet/ daß die Bärin ungestaltete Jungen gleich wie Fleisch-Klumpen / gebähre/ und durch das Lecken zu ihrer Gestalt brächte.

Das Alter dieser Thiere ist von den naturkündigern nicht abgezielet/ gleublich ist/ daß sie ein hohes Alter erreichen.

Die Bären verbergen sich im Winter in ihren Hölen oder Schlufftlöchern. In den ersten 14. Tagen schlaffen sie sehr fest/ und wan sie erwachen säugen sie ihre fordersten Pooten/ wodurch sie/ wie dafür gehalten wird/ sehr Fett werden sollen; Aber es scheinet der Wahrheit gemässer/ daß sie deß Nachtes außgehen / und ihre Nahrung suchen.

Die Bärinn ist mit sehr grosser Liebe zu ihren Jungen eingenommen/ dann sie trücken dieselbe offt an ihre Brust/ und bedecket sie mit ihren Leibe gleich wie die Vögel ihre Junge, Wann sie werffen will/ oder zu ihren Jungen in die Höle eingehen/ kriechet sie auff ihren Rücken dahinein/ damit ihre Fußstapffen nicht mögen nachgespüret werden.

Wiewohl der Bär starck von Leibe ist/ so ist er dennoch schwach von Haupte; Darumb er/ wann er von einem Baum oder steigern Berg herunter wil/ sein Haupt mit den vordersten Pooten bedecket/ und also ohne Furcht herunter fället.

Daß die Bären können gezähmet und abgerichtet werden/ bezeuget die Erfahrung / doch darff man denselben wenig trauen.

Sindrigall Fürst in Littauen hat einen Bären gehabt/ welcher gewohnet war/ alle Morgen auß dem Walde zu kommen/ und an die Hoff-Pforte anzuklopffen/ und wann er seine gewöhnliche Speise bekommen hatte/ wie ein ander Betteler habe er sich wieder in den Wald verfüget.

Die Bären haben eine sonderliche Lust zu der instrumentall Music; Olaus Magnus erzehlet/ daß die Vieh-Hirten in den Nord-ländern/ wann sie von den Bären umbringet werden/ so lang auff der Fleute spielen/ biß daß dieselbe durch den Hunger getrieben wieder weg gehen.

Ich muß hie eine wunderliche Geschicht auß dem Javio beyfügen/ von einem Bauren in Muscovien/ welcher

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        <p>Wiewohl der Bär starck von Leibe ist/ so ist er dennoch schwach von Haupte;                      Darumb er/ wann er von einem Baum oder steigern Berg herunter wil/ sein Haupt                      mit den vordersten Pooten bedecket/ und also ohne Furcht herunter fället.</p>
        <p>Daß die Bären können gezähmet und abgerichtet werden/ bezeuget die Erfahrung /                      doch darff man denselben wenig trauen.</p>
        <p>Sindrigall Fürst in Littauen hat einen Bären gehabt/ welcher gewohnet war/ alle                      Morgen auß dem Walde zu kommen/ und an die Hoff-Pforte anzuklopffen/ und wann                      er seine gewöhnliche Speise bekommen hatte/ wie ein ander Betteler habe er sich                      wieder in den Wald verfüget.</p>
        <p>Die Bären haben eine sonderliche Lust zu der instrumentall Music; Olaus Magnus                      erzehlet/ daß die Vieh-Hirten in den Nord-ländern/ wann sie von den Bären                      umbringet werden/ so lang auff der Fleute spielen/ biß daß dieselbe durch den                      Hunger getrieben wieder weg gehen.</p>
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[54/0058] dreißig Tage schwanger/ nach welcher Zeit es 1. 2. und vielmals 4. oder 5. Junge zur Weld bringt. Die Nachgeburt darinnen das Junge beschlossen liegt/ ist so dick und fest/ daß es nicht/ als durch lecken der Bärin kan abgeschieden werden: worauß der Irthum entstanden / daß man gemeinet/ daß die Bärin ungestaltete Jungen gleich wie Fleisch-Klumpen / gebähre/ und durch das Lecken zu ihrer Gestalt brächte. Das Alter dieser Thiere ist von den naturkündigern nicht abgezielet/ gleublich ist/ daß sie ein hohes Alter erreichen. Die Bären verbergen sich im Winter in ihren Hölen oder Schlufftlöchern. In den ersten 14. Tagen schlaffen sie sehr fest/ und wan sie erwachen säugen sie ihre fordersten Pooten/ wodurch sie/ wie dafür gehalten wird/ sehr Fett werden sollen; Aber es scheinet der Wahrheit gemässer/ daß sie deß Nachtes außgehen / und ihre Nahrung suchen. Die Bärinn ist mit sehr grosser Liebe zu ihren Jungen eingenommen/ dann sie trücken dieselbe offt an ihre Brust/ und bedecket sie mit ihren Leibe gleich wie die Vögel ihre Junge, Wann sie werffen will/ oder zu ihren Jungen in die Höle eingehen/ kriechet sie auff ihren Rücken dahinein/ damit ihre Fußstapffen nicht mögen nachgespüret werden. Wiewohl der Bär starck von Leibe ist/ so ist er dennoch schwach von Haupte; Darumb er/ wann er von einem Baum oder steigern Berg herunter wil/ sein Haupt mit den vordersten Pooten bedecket/ und also ohne Furcht herunter fället. Daß die Bären können gezähmet und abgerichtet werden/ bezeuget die Erfahrung / doch darff man denselben wenig trauen. Sindrigall Fürst in Littauen hat einen Bären gehabt/ welcher gewohnet war/ alle Morgen auß dem Walde zu kommen/ und an die Hoff-Pforte anzuklopffen/ und wann er seine gewöhnliche Speise bekommen hatte/ wie ein ander Betteler habe er sich wieder in den Wald verfüget. Die Bären haben eine sonderliche Lust zu der instrumentall Music; Olaus Magnus erzehlet/ daß die Vieh-Hirten in den Nord-ländern/ wann sie von den Bären umbringet werden/ so lang auff der Fleute spielen/ biß daß dieselbe durch den Hunger getrieben wieder weg gehen. Ich muß hie eine wunderliche Geschicht auß dem Javio beyfügen/ von einem Bauren in Muscovien/ welcher

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Zitationshilfe: Nyland, Petrus: Desz Schauplatzes Irdischer Geschöpffe. Bd. 2. Osnabrück, 1687, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nylandt_schauplatz02_1678/58>, abgerufen am 19.05.2024.