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[N. N.]: Der berühmte Ertz-Dieb und Strassen-Räuber Cartouche. Leipzig, 1722.

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durch einige harte Executionen an ihres Gleichen zu schrecken. Den letz-
ten Augusti Abends ward auf dem Platz de Greve Philippus Moreau,
Ritter von Mazieres, Herr von Puits Dore, Cressan und andern Herr-
lichkeiten, wegen falscher Müntzerey, geköpffet. Zu Anfang seines Ar-
rests hatte derselbe seine Verbrechen nicht gestehen wollen, wie er aber
auf die Tortur gebracht worden, hat er alles völlig gestanden und dabey
bekannt, daß er diese Kunst von einem gelernet, so Audebert hiesse und sein
Hertzens Freund gewesen. Die Richter wurden über dieses Bekänntniß
nicht wenig bestürtzt, weil der Maleficante eben von diesem Audebert an-
gegeben worden. Man suchte sich hierauf des Audeberts zu bemächti-
gen; allein er hatte sich schon aus dem Staube gemachet. Wie die Exe-
cution an dem Maleficanten vollzogen war, wurde der Scharffrichter ge-
fangen genommen und nach dem Chatelet geführet, ohne zu erfahren, war-
um solches geschehen. Der Scharffrichter war nunmehro selbst ein Ar-
restante, aber deßwegen unterblieb doch Hengen, Rädern und Köpffen
nicht, welches durch einen andern Scharffrichter an unterschiedenen Ma-
leficanten vollstrecket wurde.

Es fruchtete aber dieses alles bey der in Paris befindlichen Diebs-
Rotte so wenig, daß man niemahls von mehrern Diebstählen gehöret, als
damals. Dem General-Empfänger des Bourbonnischen Hauses wur-
den bey hellem Tage durch 4. masqvirte Diebe 15000. Livres aus seinem
Zimmer gestohlen. Zu Anfang des Monats Octobris ward der ordi-
nair
e Capellan und Musicus des Königs, Abt Chaprelle, wie er Abends
um 7. Uhr aus dem Paresoir, allwo er einem Schweitzer die Absolution
gesprochen, nach Hause gehen wolte, durch 4. sehr wohl bekleidete Per-
sonen angehalten, die ihm die Pistole auf die Brust setzten und die Geld-
Beurse abforderten. Weil er aber nicht mehr als 30. Livres bey sich hat-
te, so gab er ihnen selbige, und offerirte noch darzu seinen Mantel; Allein
diese saubere Vögel bedanckten sich auf das höflichste vor seine Offerte und
liessen ihren gezwungenen Wohlthäter seines Weges gehen. Doch
was diese mit Gewalt erhalten, wuste ein anderer von diesen Gaudieben
durch List zu bekommen. Dieser sahe einige Cavaliere vor dem Palast
des Thuilleries stehen, und weil er wahrgenommen, daß dem einen davon
die Uhr-Kette gar sichtbar hervor hienge, so gieng er bey ihnen vorbey
und spuckte einem Cavalier vorwerts auf das Kleid, wendete sich aber
so gleich um, deprecirte wehmüthig, hob den vördern Theil des Kleides

auf
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durch einige harte Executionen an ihres Gleichen zu ſchrecken. Den letz-
ten Auguſti Abends ward auf dem Platz de Greve Philippus Moreau,
Ritter von Mazieres, Herr von Puits Dore, Creſſan und andern Herr-
lichkeiten, wegen falſcher Muͤntzerey, gekoͤpffet. Zu Anfang ſeines Ar-
reſts hatte derſelbe ſeine Verbrechen nicht geſtehen wollen, wie er aber
auf die Tortur gebracht worden, hat er alles voͤllig geſtanden und dabey
bekannt, daß er dieſe Kunſt von einem gelernet, ſo Audebert hieſſe und ſein
Hertzens Freund geweſen. Die Richter wurden uͤber dieſes Bekaͤnntniß
nicht wenig beſtuͤrtzt, weil der Maleficante eben von dieſem Audebert an-
gegeben worden. Man ſuchte ſich hierauf des Audeberts zu bemaͤchti-
gen; allein er hatte ſich ſchon aus dem Staube gemachet. Wie die Exe-
cution an dem Maleficanten vollzogen war, wurde der Scharffrichter ge-
fangen genommen und nach dem Chatelet gefuͤhret, ohne zu erfahren, war-
um ſolches geſchehen. Der Scharffrichter war nunmehro ſelbſt ein Ar-
reſtante, aber deßwegen unterblieb doch Hengen, Raͤdern und Koͤpffen
nicht, welches durch einen andern Scharffrichter an unterſchiedenen Ma-
leficanten vollſtrecket wurde.

Es fruchtete aber dieſes alles bey der in Paris befindlichen Diebs-
Rotte ſo wenig, daß man niemahls von mehrern Diebſtaͤhlen gehoͤret, als
damals. Dem General-Empfaͤnger des Bourbonniſchen Hauſes wur-
den bey hellem Tage durch 4. maſqvirte Diebe 15000. Livres aus ſeinem
Zimmer geſtohlen. Zu Anfang des Monats Octobris ward der ordi-
nair
e Capellan und Muſicus des Koͤnigs, Abt Chaprelle, wie er Abends
um 7. Uhr aus dem Pareſoir, allwo er einem Schweitzer die Abſolution
geſprochen, nach Hauſe gehen wolte, durch 4. ſehr wohl bekleidete Per-
ſonen angehalten, die ihm die Piſtole auf die Bruſt ſetzten und die Geld-
Beurſe abforderten. Weil er aber nicht mehr als 30. Livres bey ſich hat-
te, ſo gab er ihnen ſelbige, und offerirte noch darzu ſeinen Mantel; Allein
dieſe ſaubere Voͤgel bedanckten ſich auf das hoͤflichſte vor ſeine Offerte und
lieſſen ihren gezwungenen Wohlthaͤter ſeines Weges gehen. Doch
was dieſe mit Gewalt erhalten, wuſte ein anderer von dieſen Gaudieben
durch Liſt zu bekommen. Dieſer ſahe einige Cavaliere vor dem Palaſt
des Thuilleries ſtehen, und weil er wahrgenommen, daß dem einen davon
die Uhr-Kette gar ſichtbar hervor hienge, ſo gieng er bey ihnen vorbey
und ſpuckte einem Cavalier vorwerts auf das Kleid, wendete ſich aber
ſo gleich um, deprecirte wehmuͤthig, hob den voͤrdern Theil des Kleides

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der berühmte Ertz-Dieb und Strassen-Räuber Cartouche. Leipzig, 1722, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oa_cartouche_1722/11>, abgerufen am 21.11.2024.