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[N. N.]: Der berühmte Ertz-Dieb und Strassen-Räuber Cartouche. Leipzig, 1722.

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auf, das Gespuckte mit dem in Händen habenden Schnupftuche abzuwi-
schen; Allein er hatte indessen mit der unter dem Rocke des Cavaliers haben-
den Hand die Uhr desselben meisterlich weg practi[c]iret u. unter dem Schnupf-
tuche unvermerckt fort gebracht. Bey der weitläufftigen Bagage der Prin-
tzeßin von Montpensier haben diese Raub-Vögel auch ihr Conto zu machen
gewust, und es ist fast kein Tag vorbey gegangen, daß sie nicht etwas
davon solten erschnappet haben. Der Hertzogin von Ventadour haben
sie ihr meistes Silberwerck und schönste Kleider entwendet, auch da sie
bey dieser Gelegenheit einige Kleider von Dero Laqvayen ergriffen, die
Kühnheit gehabt, solche anzuziehen, ihr, da sie zu Chartres öffentlich ge-
speiset, in dieser Figur bey der Taffel aufzuwarten und 9. silberne Teller
und 2. Schüsseln zu mausen.

Jmmittelst als dieses in und um Paris geschehen, ist dem Ertz-Dieb
Cartouche auch wieder ein Appetit angekommen, sich in diese Weltbe-
rühmte Residentz zu begeben und daselbst seine Profession, aber unter ei-
nem andern Namen, weiter fortzusetzen. Mitten unter diesen Gedan-
cken fügte es sich, daß er durch seine Spitzbuben-Griffe zu Nancy einem
Kauffmann von Commercy eine Brieff-Tasche entwendete. Jn dieser
fand er einen nach Paris gerichteten Paß, in welcher die Person, so darin
beschrieben war, dem Cartouche ziemlich gleichsehend abgeschildert zu
seyn schiene. Cartouche nahm dieses als ein Schicksahl des Glücks an,
ließ sich ein in seinem Paß beschriebenes Kleid machen und reisete so
dann, unter dem Namen des in gedachten Paß beschriebenen Carls Bour-
gvignon, nach Paris, allwo er ohngefehr am 10. Octobris ankam.
Er ward aber folgendes Tages von der Tochter eines Scheeren-Schleif-
fers erkennet, die endlich auch sein Quartier ausspührete, und solches
der Obrigkeit anzeigete. Man hat deswegen die Gefangen-Nehmung
des Cartouche mit der Historie des Catilinae vergleichen wollen; weil
dieser auch von einem Scheeren-Schleiffer entdecket worden.

Die Obrigkeit machte sich die erhaltene Nachricht sehr wohl zu
Nutze und der Aide-Major des Leib-Regiments, Mr. Recon, erhielt von
Hofe Befehl, Cartouche gefangen zu nehmen. Dieses zu bewerckstelli-
gen begab sich derselbe mit einem Sergeant und vier Soldaten von der
Compagnie des Capitains Chahannes in die Herberge Hauteborne ge-
nannt. Bey seiner Ankunfft allhier ließ er so gleich den Wirth kommen
und fragte denselben, ob keine Fremden allhier geschlaffen hätten, und

ob

auf, das Geſpuckte mit dem in Haͤnden habenden Schnupftuche abzuwi-
ſchen; Allein er hatte indeſſen mit der unter dem Rocke des Cavaliers haben-
den Hand die Uhꝛ deſſelben meiſteꝛlich weg practi[c]iret u. unter dem Schnupf-
tuche unvermerckt fort gebracht. Bey der weitlaͤufftigen Bagage der Prin-
tzeßin von Montpenſier haben dieſe Raub-Voͤgel auch ihr Conto zu machen
gewuſt, und es iſt faſt kein Tag vorbey gegangen, daß ſie nicht etwas
davon ſolten erſchnappet haben. Der Hertzogin von Ventadour haben
ſie ihr meiſtes Silberwerck und ſchoͤnſte Kleider entwendet, auch da ſie
bey dieſer Gelegenheit einige Kleider von Dero Laqvayen ergriffen, die
Kuͤhnheit gehabt, ſolche anzuziehen, ihr, da ſie zu Chartres oͤffentlich ge-
ſpeiſet, in dieſer Figur bey der Taffel aufzuwarten und 9. ſilberne Teller
und 2. Schuͤſſeln zu mauſen.

Jmmittelſt als dieſes in und um Paris geſchehen, iſt dem Ertz-Dieb
Cartouche auch wieder ein Appetit angekommen, ſich in dieſe Weltbe-
ruͤhmte Reſidentz zu begeben und daſelbſt ſeine Profeſſion, aber unter ei-
nem andern Namen, weiter fortzuſetzen. Mitten unter dieſen Gedan-
cken fuͤgte es ſich, daß er durch ſeine Spitzbuben-Griffe zu Nancy einem
Kauffmann von Commercy eine Brieff-Taſche entwendete. Jn dieſer
fand er einen nach Paris gerichteten Paß, in welcher die Perſon, ſo darin
beſchrieben war, dem Cartouche ziemlich gleichſehend abgeſchildert zu
ſeyn ſchiene. Cartouche nahm dieſes als ein Schickſahl des Gluͤcks an,
ließ ſich ein in ſeinem Paß beſchriebenes Kleid machen und reiſete ſo
dann, unter dem Namen des in gedachten Paß beſchriebenen Carls Bour-
gvignon, nach Paris, allwo er ohngefehr am 10. Octobris ankam.
Er ward aber folgendes Tages von der Tochter eines Scheeren-Schleif-
fers erkennet, die endlich auch ſein Quartier ausſpuͤhrete, und ſolches
der Obrigkeit anzeigete. Man hat deswegen die Gefangen-Nehmung
des Cartouche mit der Hiſtorie des Catilinæ vergleichen wollen; weil
dieſer auch von einem Scheeren-Schleiffer entdecket worden.

Die Obrigkeit machte ſich die erhaltene Nachricht ſehr wohl zu
Nutze und der Aide-Major des Leib-Regiments, Mr. Recon, erhielt von
Hofe Befehl, Cartouche gefangen zu nehmen. Dieſes zu bewerckſtelli-
gen begab ſich derſelbe mit einem Sergeant und vier Soldaten von der
Compagnie des Capitains Chahannes in die Herberge Hauteborne ge-
nannt. Bey ſeiner Ankunfft allhier ließ er ſo gleich den Wirth kommen
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[6/0012] auf, das Geſpuckte mit dem in Haͤnden habenden Schnupftuche abzuwi- ſchen; Allein er hatte indeſſen mit der unter dem Rocke des Cavaliers haben- den Hand die Uhꝛ deſſelben meiſteꝛlich weg practiciret u. unter dem Schnupf- tuche unvermerckt fort gebracht. Bey der weitlaͤufftigen Bagage der Prin- tzeßin von Montpenſier haben dieſe Raub-Voͤgel auch ihr Conto zu machen gewuſt, und es iſt faſt kein Tag vorbey gegangen, daß ſie nicht etwas davon ſolten erſchnappet haben. Der Hertzogin von Ventadour haben ſie ihr meiſtes Silberwerck und ſchoͤnſte Kleider entwendet, auch da ſie bey dieſer Gelegenheit einige Kleider von Dero Laqvayen ergriffen, die Kuͤhnheit gehabt, ſolche anzuziehen, ihr, da ſie zu Chartres oͤffentlich ge- ſpeiſet, in dieſer Figur bey der Taffel aufzuwarten und 9. ſilberne Teller und 2. Schuͤſſeln zu mauſen. Jmmittelſt als dieſes in und um Paris geſchehen, iſt dem Ertz-Dieb Cartouche auch wieder ein Appetit angekommen, ſich in dieſe Weltbe- ruͤhmte Reſidentz zu begeben und daſelbſt ſeine Profeſſion, aber unter ei- nem andern Namen, weiter fortzuſetzen. Mitten unter dieſen Gedan- cken fuͤgte es ſich, daß er durch ſeine Spitzbuben-Griffe zu Nancy einem Kauffmann von Commercy eine Brieff-Taſche entwendete. Jn dieſer fand er einen nach Paris gerichteten Paß, in welcher die Perſon, ſo darin beſchrieben war, dem Cartouche ziemlich gleichſehend abgeſchildert zu ſeyn ſchiene. Cartouche nahm dieſes als ein Schickſahl des Gluͤcks an, ließ ſich ein in ſeinem Paß beſchriebenes Kleid machen und reiſete ſo dann, unter dem Namen des in gedachten Paß beſchriebenen Carls Bour- gvignon, nach Paris, allwo er ohngefehr am 10. Octobris ankam. Er ward aber folgendes Tages von der Tochter eines Scheeren-Schleif- fers erkennet, die endlich auch ſein Quartier ausſpuͤhrete, und ſolches der Obrigkeit anzeigete. Man hat deswegen die Gefangen-Nehmung des Cartouche mit der Hiſtorie des Catilinæ vergleichen wollen; weil dieſer auch von einem Scheeren-Schleiffer entdecket worden. Die Obrigkeit machte ſich die erhaltene Nachricht ſehr wohl zu Nutze und der Aide-Major des Leib-Regiments, Mr. Recon, erhielt von Hofe Befehl, Cartouche gefangen zu nehmen. Dieſes zu bewerckſtelli- gen begab ſich derſelbe mit einem Sergeant und vier Soldaten von der Compagnie des Capitains Chahannes in die Herberge Hauteborne ge- nannt. Bey ſeiner Ankunfft allhier ließ er ſo gleich den Wirth kommen und fragte denſelben, ob keine Fremden allhier geſchlaffen haͤtten, und ob

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der berühmte Ertz-Dieb und Strassen-Räuber Cartouche. Leipzig, 1722, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oa_cartouche_1722/12>, abgerufen am 21.11.2024.