Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Der berühmte Ertz-Dieb und Strassen-Räuber Cartouche. Leipzig, 1722.

Bild:
<< vorherige Seite

Welt verrichten konnte. Diesen Fehler der Jtaliänischen, suchten die
Frantzösischen Comödianten folgendes Tages zu verbessern und verspra-
chen in drey Auftritten: Das gestraffte Schelmen-Stücke, oder
den unglücklichen Cartouche vorzustellen, es hatte aber ein spitziger
Kopff hin und wieder unter die angeklebten Zettul geschrieben: Wer
diese
Action recht natürlich vorgestellet zu sehen wünschet, der
beliebe sich noch ein paar Tage zu gedulden, so dann aber auff
dem Platz
de Greve zu erscheinen, allwo diesem Titul und An-
schlag ein Genügen geschehen wird;
Allein das ungedultige
Volck wolte die allhier bestimmte Zeit nicht erwarten, sondern lieff in
grosser Menge in die Frantzösische Comödie. Die Frantzosen waren auch
in der That geschickter, die Spitzbuben-Comödie vorzustellen, als die
Jtaliäner, und haben, dem Ansehen nach, mehr Geld damit verdienet,
als Cartouche jemahls durch seine Buben-Stücke gewonnen haben mag.
Ja es solten auch die Hunde zu Paris ein Andencken von diesem beruffe-
nen Vogel haben, denn der Pöbel fieng an dieselben Cartouches zu nen-
nen.

So viel aber in Gesellschafft von denen Verbrechen dieses Ertz-Die-
bes geredet, ja selbst in Comoedien vorgestellet wurde, so wolte er dennoch
nichts davon gestehen und war beständig sehr frölich und gutes Muths.
Man fand deßwegen vor nöthig, ihn auf die Tortur zu bringen, aber auch
diese war nicht vermögend, ihm das geringste Bekänntniß abzunöthigen.
Er stand die völlige Tortur mit einer gelassenen Mine aus, und da er zum
andern mahl an diesen Reihen muste, so war derselbe so frech, daß er die
leichtfertigsten Lieder sunge und sich die schmertzliche Zeit damit vertrieb.
Die Acten bey dieser Diebs-Inquisition waren in kurtzer Zeit so groß ge-
worden, daß sie, ohngeachtet man bey uns in Franckreich die Acten nicht
so weitläufftig, als an andern Orten, schreibet, mehr als 1000. geschriebe-
ne Vlätter ausmacheten.

Man hat indessen viel wunderliches Zeug von seinem Verbrechen
geschwatzet. Die entsetzlichen Dinge, die er und seine Cammeraden mit
Frauens-Personen verübet haben sollen, verbietet die Schamhafftigkeit
zu erzehlen. Unter andern aber sollen sie das Blut derer von ihnen er-
mordeten Personen einander zu trincken gegeben haben, sich dadurch zu
den grösten Grausamkeiten anzureitzen, und soll dieser Tranck, da sie des-
sen gewohnet gewesen, einen so hefftigen Trieb und Wuth und Grausam-

keit

Welt verrichten konnte. Dieſen Fehler der Jtaliaͤniſchen, ſuchten die
Frantzoͤſiſchen Comoͤdianten folgendes Tages zu verbeſſern und verſpra-
chen in drey Auftritten: Das geſtraffte Schelmen-Stuͤcke, oder
den ungluͤcklichen Cartouche vorzuſtellen, es hatte aber ein ſpitziger
Kopff hin und wieder unter die angeklebten Zettul geſchrieben: Wer
dieſe
Action recht natuͤrlich vorgeſtellet zu ſehen wuͤnſchet, der
beliebe ſich noch ein paar Tage zu gedulden, ſo dann aber auff
dem Platz
de Greve zu erſcheinen, allwo dieſem Titul und An-
ſchlag ein Genuͤgen geſchehen wird;
Allein das ungedultige
Volck wolte die allhier beſtimmte Zeit nicht erwarten, ſondern lieff in
groſſer Menge in die Frantzoͤſiſche Comoͤdie. Die Frantzoſen waren auch
in der That geſchickter, die Spitzbuben-Comoͤdie vorzuſtellen, als die
Jtaliaͤner, und haben, dem Anſehen nach, mehr Geld damit verdienet,
als Cartouche jemahls durch ſeine Buben-Stuͤcke gewonnen haben mag.
Ja es ſolten auch die Hunde zu Paris ein Andencken von dieſem beruffe-
nen Vogel haben, denn der Poͤbel fieng an dieſelben Cartouches zu nen-
nen.

So viel aber in Geſellſchafft von denen Verbrechen dieſes Ertz-Die-
bes geredet, ja ſelbſt in Comœdien vorgeſtellet wurde, ſo wolte er dennoch
nichts davon geſtehen und war beſtaͤndig ſehr froͤlich und gutes Muths.
Man fand deßwegen vor noͤthig, ihn auf die Tortur zu bringen, aber auch
dieſe war nicht vermoͤgend, ihm das geringſte Bekaͤnntniß abzunoͤthigen.
Er ſtand die voͤllige Tortur mit einer gelaſſenen Mine aus, und da er zum
andern mahl an dieſen Reihen muſte, ſo war derſelbe ſo frech, daß er die
leichtfertigſten Lieder ſunge und ſich die ſchmertzliche Zeit damit vertrieb.
Die Acten bey dieſer Diebs-Inquiſition waren in kurtzer Zeit ſo groß ge-
worden, daß ſie, ohngeachtet man bey uns in Franckreich die Acten nicht
ſo weitlaͤufftig, als an andern Orten, ſchreibet, mehr als 1000. geſchriebe-
ne Vlaͤtter ausmacheten.

Man hat indeſſen viel wunderliches Zeug von ſeinem Verbrechen
geſchwatzet. Die entſetzlichen Dinge, die er und ſeine Cammeraden mit
Frauens-Perſonen veruͤbet haben ſollen, verbietet die Schamhafftigkeit
zu erzehlen. Unter andern aber ſollen ſie das Blut derer von ihnen er-
mordeten Perſonen einander zu trincken gegeben haben, ſich dadurch zu
den groͤſten Grauſamkeiten anzureitzen, und ſoll dieſer Tranck, da ſie deſ-
ſen gewohnet geweſen, einen ſo hefftigen Trieb und Wuth und Grauſam-

keit
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0018" n="12"/>
Welt verrichten konnte. Die&#x017F;en Fehler der Jtalia&#x0364;ni&#x017F;chen, &#x017F;uchten die<lb/>
Frantzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Como&#x0364;dianten folgendes Tages zu verbe&#x017F;&#x017F;ern und ver&#x017F;pra-<lb/>
chen in drey Auftritten: <hi rendition="#fr">Das ge&#x017F;traffte Schelmen-Stu&#x0364;cke,</hi> oder<lb/><hi rendition="#fr">den unglu&#x0364;cklichen</hi> <hi rendition="#aq">Cartouche</hi> <hi rendition="#fr">vorzu&#x017F;tellen,</hi> es hatte aber ein &#x017F;pitziger<lb/>
Kopff hin und wieder unter die angeklebten Zettul ge&#x017F;chrieben: <hi rendition="#fr">Wer<lb/>
die&#x017F;e</hi> <hi rendition="#aq">Action</hi> <hi rendition="#fr">recht natu&#x0364;rlich vorge&#x017F;tellet zu &#x017F;ehen wu&#x0364;n&#x017F;chet, der<lb/>
beliebe &#x017F;ich noch ein paar Tage zu gedulden, &#x017F;o dann aber auff<lb/>
dem Platz</hi> <hi rendition="#aq">de Greve</hi> <hi rendition="#fr">zu er&#x017F;cheinen, allwo die&#x017F;em Titul und An-<lb/>
&#x017F;chlag ein Genu&#x0364;gen ge&#x017F;chehen wird;</hi> Allein das ungedultige<lb/>
Volck wolte die allhier be&#x017F;timmte Zeit nicht erwarten, &#x017F;ondern lieff in<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;er Menge in die Frantzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Como&#x0364;die. Die Frantzo&#x017F;en waren auch<lb/>
in der That ge&#x017F;chickter, die Spitzbuben-Como&#x0364;die vorzu&#x017F;tellen, als die<lb/>
Jtalia&#x0364;ner, und haben, dem An&#x017F;ehen nach, mehr Geld damit verdienet,<lb/>
als <hi rendition="#aq">Cartouche</hi> jemahls durch &#x017F;eine Buben-Stu&#x0364;cke gewonnen haben mag.<lb/>
Ja es &#x017F;olten auch die Hunde zu Paris ein Andencken von die&#x017F;em beruffe-<lb/>
nen Vogel haben, denn der Po&#x0364;bel fieng an die&#x017F;elben <hi rendition="#aq">Cartouches</hi> zu nen-<lb/>
nen.</p><lb/>
        <p>So viel aber in Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft von denen Verbrechen die&#x017F;es Ertz-Die-<lb/>
bes geredet, ja &#x017F;elb&#x017F;t in <hi rendition="#aq">Com&#x0153;di</hi>en vorge&#x017F;tellet wurde, &#x017F;o wolte er dennoch<lb/>
nichts davon ge&#x017F;tehen und war be&#x017F;ta&#x0364;ndig &#x017F;ehr fro&#x0364;lich und gutes Muths.<lb/>
Man fand deßwegen vor no&#x0364;thig, ihn auf die Tortur zu bringen, aber auch<lb/>
die&#x017F;e war nicht vermo&#x0364;gend, ihm das gering&#x017F;te Beka&#x0364;nntniß abzuno&#x0364;thigen.<lb/>
Er &#x017F;tand die vo&#x0364;llige Tortur mit einer gela&#x017F;&#x017F;enen Mine aus, und da er zum<lb/>
andern mahl an die&#x017F;en Reihen mu&#x017F;te, &#x017F;o war der&#x017F;elbe &#x017F;o frech, daß er die<lb/>
leichtfertig&#x017F;ten Lieder &#x017F;unge und &#x017F;ich die &#x017F;chmertzliche Zeit damit vertrieb.<lb/>
Die <hi rendition="#aq">Act</hi>en bey die&#x017F;er Diebs-<hi rendition="#aq">Inqui&#x017F;ition</hi> waren in kurtzer Zeit &#x017F;o groß ge-<lb/>
worden, daß &#x017F;ie, ohngeachtet man bey uns in Franckreich die <hi rendition="#aq">Act</hi>en nicht<lb/>
&#x017F;o weitla&#x0364;ufftig, als an andern Orten, &#x017F;chreibet, mehr als 1000. ge&#x017F;chriebe-<lb/>
ne Vla&#x0364;tter ausmacheten.</p><lb/>
        <p>Man hat inde&#x017F;&#x017F;en viel wunderliches Zeug von &#x017F;einem Verbrechen<lb/>
ge&#x017F;chwatzet. Die ent&#x017F;etzlichen Dinge, die er und &#x017F;eine Cammeraden mit<lb/>
Frauens-Per&#x017F;onen veru&#x0364;bet haben &#x017F;ollen, verbietet die Schamhafftigkeit<lb/>
zu erzehlen. Unter andern aber &#x017F;ollen &#x017F;ie das Blut derer von ihnen er-<lb/>
mordeten Per&#x017F;onen einander zu trincken gegeben haben, &#x017F;ich dadurch zu<lb/>
den gro&#x0364;&#x017F;ten Grau&#x017F;amkeiten anzureitzen, und &#x017F;oll die&#x017F;er Tranck, da &#x017F;ie de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en gewohnet gewe&#x017F;en, einen &#x017F;o hefftigen Trieb und Wuth und Grau&#x017F;am-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">keit</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0018] Welt verrichten konnte. Dieſen Fehler der Jtaliaͤniſchen, ſuchten die Frantzoͤſiſchen Comoͤdianten folgendes Tages zu verbeſſern und verſpra- chen in drey Auftritten: Das geſtraffte Schelmen-Stuͤcke, oder den ungluͤcklichen Cartouche vorzuſtellen, es hatte aber ein ſpitziger Kopff hin und wieder unter die angeklebten Zettul geſchrieben: Wer dieſe Action recht natuͤrlich vorgeſtellet zu ſehen wuͤnſchet, der beliebe ſich noch ein paar Tage zu gedulden, ſo dann aber auff dem Platz de Greve zu erſcheinen, allwo dieſem Titul und An- ſchlag ein Genuͤgen geſchehen wird; Allein das ungedultige Volck wolte die allhier beſtimmte Zeit nicht erwarten, ſondern lieff in groſſer Menge in die Frantzoͤſiſche Comoͤdie. Die Frantzoſen waren auch in der That geſchickter, die Spitzbuben-Comoͤdie vorzuſtellen, als die Jtaliaͤner, und haben, dem Anſehen nach, mehr Geld damit verdienet, als Cartouche jemahls durch ſeine Buben-Stuͤcke gewonnen haben mag. Ja es ſolten auch die Hunde zu Paris ein Andencken von dieſem beruffe- nen Vogel haben, denn der Poͤbel fieng an dieſelben Cartouches zu nen- nen. So viel aber in Geſellſchafft von denen Verbrechen dieſes Ertz-Die- bes geredet, ja ſelbſt in Comœdien vorgeſtellet wurde, ſo wolte er dennoch nichts davon geſtehen und war beſtaͤndig ſehr froͤlich und gutes Muths. Man fand deßwegen vor noͤthig, ihn auf die Tortur zu bringen, aber auch dieſe war nicht vermoͤgend, ihm das geringſte Bekaͤnntniß abzunoͤthigen. Er ſtand die voͤllige Tortur mit einer gelaſſenen Mine aus, und da er zum andern mahl an dieſen Reihen muſte, ſo war derſelbe ſo frech, daß er die leichtfertigſten Lieder ſunge und ſich die ſchmertzliche Zeit damit vertrieb. Die Acten bey dieſer Diebs-Inquiſition waren in kurtzer Zeit ſo groß ge- worden, daß ſie, ohngeachtet man bey uns in Franckreich die Acten nicht ſo weitlaͤufftig, als an andern Orten, ſchreibet, mehr als 1000. geſchriebe- ne Vlaͤtter ausmacheten. Man hat indeſſen viel wunderliches Zeug von ſeinem Verbrechen geſchwatzet. Die entſetzlichen Dinge, die er und ſeine Cammeraden mit Frauens-Perſonen veruͤbet haben ſollen, verbietet die Schamhafftigkeit zu erzehlen. Unter andern aber ſollen ſie das Blut derer von ihnen er- mordeten Perſonen einander zu trincken gegeben haben, ſich dadurch zu den groͤſten Grauſamkeiten anzureitzen, und ſoll dieſer Tranck, da ſie deſ- ſen gewohnet geweſen, einen ſo hefftigen Trieb und Wuth und Grauſam- keit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/oa_cartouche_1722
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/oa_cartouche_1722/18
Zitationshilfe: [N. N.]: Der berühmte Ertz-Dieb und Strassen-Räuber Cartouche. Leipzig, 1722, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oa_cartouche_1722/18>, abgerufen am 29.04.2024.