Oberwinder, Heinrich: Der Fall Buschoff. Berlin, 1892.von mir konfirmiertes Mädchen J. Voigt bei einem jüdischen Schnittwarenhändler G. in K. in Dienst. Ich habe denselben, da ich oft in G. verkehrte, wohl gekannt: er machte durchaus den Eindruck eines achtbaren, ziemlich gebildeten, über jeden rohen Aberglauben erhabenen Mannes. Als ich jenes Mädchen J. Voigt einst mit verbundener Hand gesehen hatte, fragte ich nach einigen Tagen die Mutter, welche ich zufällig traf, warum ihre Tochter die Hand verbunden trage. Dieselbe erzählte mir darauf: Da Frau G., die Dienstherrin meiner Tochter, kränklich ist, sollte meine Tochter den Teig zu den Mazzen (den Osterkuchen der Juden) machen, was sie auch that. Dabei "narrierte" G., der Dienstherr, fortwährend um meine Tochter herum. Als diese dann ihn mit der Hand abwehrte, verletzte sie sich an einem Federmesser, das G. in der Hand verborgen hielt. Sie wollte sogleich das Teigmachen unterlassen und hinausgehen, um das Blut zu stillen; aber Herr G. und auch seine Frau sagten, das thue nichts, sie solle nur ruhig mit der blutenden Hand den Teig fertig machen, ja sie zwangen sie fast dazu. Dieser Erzählung setzte die Mutter des Mädchens noch die Frage bei: ob die Juden dabei irgend ein "Aber" d. h. einen Aberglauben haben? Ich hatte damals so wenig, als Frau B., von der Blutbeschuldigung gegen die Juden etwas gehört, ich war damals und bin heute noch jedem Religions- und Rassenhasse gegen unsere jüdischen Mitbürger durchaus abgeneigt. Aber des Eindrucks kann ich mich doch nicht erwehren: wenn eine wohlsituierte, ziemlich gebildete Judenfamilie ein "Aber" dabei hat, das Blut eines 15jährigen christlichen Mädchens mit dem Mazzenteige zu vermengen, so läßt sich nicht absehen, wessen man sich von der fanatischen, rohen Judenbevölkerung in Galizien, Polen etc. zu versehen hat, welche nicht, wie jene Familie, unter dem unbewußt erziehenden und läuternden Einflusse christlicher Ideen steht. - Es mögen doch in gewissen Kreisen der jüdischen Bevölkerung Traditionen noch insgeheim bestehen, welche vielleicht noch in dem Moloch- oder Baalsdienst alter Zeiten wurzeln und sich bei dem außerordentlich zähen Festhalten am Überlieferten bis heute insgeheim erhalten haben. Daß die kranke Frau G. sich so lebhaft dafür interessierte, das Blut des christlichen Mädchens mit dem Mazzenteige von mir konfirmiertes Mädchen J. Voigt bei einem jüdischen Schnittwarenhändler G. in K. in Dienst. Ich habe denselben, da ich oft in G. verkehrte, wohl gekannt: er machte durchaus den Eindruck eines achtbaren, ziemlich gebildeten, über jeden rohen Aberglauben erhabenen Mannes. Als ich jenes Mädchen J. Voigt einst mit verbundener Hand gesehen hatte, fragte ich nach einigen Tagen die Mutter, welche ich zufällig traf, warum ihre Tochter die Hand verbunden trage. Dieselbe erzählte mir darauf: Da Frau G., die Dienstherrin meiner Tochter, kränklich ist, sollte meine Tochter den Teig zu den Mazzen (den Osterkuchen der Juden) machen, was sie auch that. Dabei „narrierte“ G., der Dienstherr, fortwährend um meine Tochter herum. Als diese dann ihn mit der Hand abwehrte, verletzte sie sich an einem Federmesser, das G. in der Hand verborgen hielt. Sie wollte sogleich das Teigmachen unterlassen und hinausgehen, um das Blut zu stillen; aber Herr G. und auch seine Frau sagten, das thue nichts, sie solle nur ruhig mit der blutenden Hand den Teig fertig machen, ja sie zwangen sie fast dazu. Dieser Erzählung setzte die Mutter des Mädchens noch die Frage bei: ob die Juden dabei irgend ein „Aber“ d. h. einen Aberglauben haben? Ich hatte damals so wenig, als Frau B., von der Blutbeschuldigung gegen die Juden etwas gehört, ich war damals und bin heute noch jedem Religions- und Rassenhasse gegen unsere jüdischen Mitbürger durchaus abgeneigt. Aber des Eindrucks kann ich mich doch nicht erwehren: wenn eine wohlsituierte, ziemlich gebildete Judenfamilie ein „Aber“ dabei hat, das Blut eines 15jährigen christlichen Mädchens mit dem Mazzenteige zu vermengen, so läßt sich nicht absehen, wessen man sich von der fanatischen, rohen Judenbevölkerung in Galizien, Polen etc. zu versehen hat, welche nicht, wie jene Familie, unter dem unbewußt erziehenden und läuternden Einflusse christlicher Ideen steht. – Es mögen doch in gewissen Kreisen der jüdischen Bevölkerung Traditionen noch insgeheim bestehen, welche vielleicht noch in dem Moloch- oder Baalsdienst alter Zeiten wurzeln und sich bei dem außerordentlich zähen Festhalten am Überlieferten bis heute insgeheim erhalten haben. Daß die kranke Frau G. sich so lebhaft dafür interessierte, das Blut des christlichen Mädchens mit dem Mazzenteige <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0039" n="39"/> von mir konfirmiertes Mädchen J. Voigt bei einem jüdischen Schnittwarenhändler G. in K. in Dienst. Ich habe denselben, da ich oft in G. verkehrte, wohl gekannt: er machte durchaus den Eindruck eines achtbaren, ziemlich gebildeten, über jeden rohen Aberglauben erhabenen Mannes. Als ich jenes Mädchen J. Voigt einst mit verbundener Hand gesehen hatte, fragte ich nach einigen Tagen die Mutter, welche ich zufällig traf, warum ihre Tochter die Hand verbunden trage. Dieselbe erzählte mir darauf: Da Frau G., die Dienstherrin meiner Tochter, kränklich ist, sollte meine Tochter den Teig zu den Mazzen (den Osterkuchen der Juden) machen, was sie auch that. Dabei „narrierte“ G., der Dienstherr, fortwährend um meine Tochter herum. Als diese dann ihn mit der Hand abwehrte, verletzte sie sich an einem Federmesser, das G. in der Hand verborgen hielt. Sie wollte sogleich das Teigmachen unterlassen und hinausgehen, um das Blut zu stillen; aber Herr G. und auch seine Frau sagten, das thue nichts, sie solle nur ruhig mit der blutenden Hand den Teig fertig machen, ja sie zwangen sie fast dazu. Dieser Erzählung setzte die Mutter des Mädchens noch die Frage bei: ob die Juden dabei irgend ein „Aber“ d. h. einen Aberglauben haben? Ich hatte damals so wenig, als Frau B., von der Blutbeschuldigung gegen die Juden etwas gehört, ich war damals und bin heute noch jedem Religions- und Rassenhasse gegen unsere jüdischen Mitbürger durchaus abgeneigt. Aber des Eindrucks kann ich mich doch nicht erwehren: wenn eine wohlsituierte, ziemlich gebildete Judenfamilie ein „Aber“ dabei hat, das Blut eines 15jährigen christlichen Mädchens mit dem Mazzenteige zu vermengen, so läßt sich nicht absehen, wessen man sich von der fanatischen, rohen Judenbevölkerung in Galizien, Polen etc. zu versehen hat, welche nicht, wie jene Familie, unter dem unbewußt erziehenden und läuternden Einflusse christlicher Ideen steht. – Es mögen doch in gewissen Kreisen der jüdischen Bevölkerung Traditionen noch insgeheim bestehen, welche vielleicht noch in dem Moloch- oder Baalsdienst alter Zeiten wurzeln und sich bei dem außerordentlich zähen Festhalten am Überlieferten bis heute insgeheim erhalten haben. Daß die kranke Frau G. sich so lebhaft dafür interessierte, das Blut des christlichen Mädchens mit dem Mazzenteige </p> </div> </body> </text> </TEI> [39/0039]
von mir konfirmiertes Mädchen J. Voigt bei einem jüdischen Schnittwarenhändler G. in K. in Dienst. Ich habe denselben, da ich oft in G. verkehrte, wohl gekannt: er machte durchaus den Eindruck eines achtbaren, ziemlich gebildeten, über jeden rohen Aberglauben erhabenen Mannes. Als ich jenes Mädchen J. Voigt einst mit verbundener Hand gesehen hatte, fragte ich nach einigen Tagen die Mutter, welche ich zufällig traf, warum ihre Tochter die Hand verbunden trage. Dieselbe erzählte mir darauf: Da Frau G., die Dienstherrin meiner Tochter, kränklich ist, sollte meine Tochter den Teig zu den Mazzen (den Osterkuchen der Juden) machen, was sie auch that. Dabei „narrierte“ G., der Dienstherr, fortwährend um meine Tochter herum. Als diese dann ihn mit der Hand abwehrte, verletzte sie sich an einem Federmesser, das G. in der Hand verborgen hielt. Sie wollte sogleich das Teigmachen unterlassen und hinausgehen, um das Blut zu stillen; aber Herr G. und auch seine Frau sagten, das thue nichts, sie solle nur ruhig mit der blutenden Hand den Teig fertig machen, ja sie zwangen sie fast dazu. Dieser Erzählung setzte die Mutter des Mädchens noch die Frage bei: ob die Juden dabei irgend ein „Aber“ d. h. einen Aberglauben haben? Ich hatte damals so wenig, als Frau B., von der Blutbeschuldigung gegen die Juden etwas gehört, ich war damals und bin heute noch jedem Religions- und Rassenhasse gegen unsere jüdischen Mitbürger durchaus abgeneigt. Aber des Eindrucks kann ich mich doch nicht erwehren: wenn eine wohlsituierte, ziemlich gebildete Judenfamilie ein „Aber“ dabei hat, das Blut eines 15jährigen christlichen Mädchens mit dem Mazzenteige zu vermengen, so läßt sich nicht absehen, wessen man sich von der fanatischen, rohen Judenbevölkerung in Galizien, Polen etc. zu versehen hat, welche nicht, wie jene Familie, unter dem unbewußt erziehenden und läuternden Einflusse christlicher Ideen steht. – Es mögen doch in gewissen Kreisen der jüdischen Bevölkerung Traditionen noch insgeheim bestehen, welche vielleicht noch in dem Moloch- oder Baalsdienst alter Zeiten wurzeln und sich bei dem außerordentlich zähen Festhalten am Überlieferten bis heute insgeheim erhalten haben. Daß die kranke Frau G. sich so lebhaft dafür interessierte, das Blut des christlichen Mädchens mit dem Mazzenteige
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-01-16T08:25:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-16T08:25:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-01-16T08:25:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |