Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787."Jch kann nicht umhin, bei dieser Gelegenheit einen Brief mitzutheilen, worin ein Geretteter die Art und Weise beschreibt, wie er sich von diesem unseeligen Laster losgemacht habe; weil er Rath und Vorschriften enthält, die man jedem jungen Menschen geben muß, der sich in der nemlichen unglücklichen Lage befindet." "Jch hatte, schreibt mein Ungenannter, das seltene und unschätzbare Glück, beinahe fünfzehn Jahre in jugendlicher Unschuld dahinzuleben, ohne auf irgend eine Art das Ungeheuer der Selbstschändung kennen zu lernen. Jetzt mußte ich eine Schule beziehn, und was ist begreiflicher, als daß ich da alsobald jene unglückliche Bekanntschaft machte? Jch glaubte, einen Schatz gefunden zu haben: denn mein Verführer war grausam oder leichtsinnig genug, mir zu verschweigen, daß ich mit jedem Tropfen aus dieser bezaubernden Quelle schändlichen Vergnügens das fürchterlichste Gift einschlürfen würde. Fast ein ganzes Jahr hindurch genoß ich des Gifts, ohne etwas Böses zu ahnden, Endlich eröffnete mir ein Jünglingsskelet - mir ein Engel von Gott gesandt - die Augen. Es stellte mir in sich selbst den Vergifteten ohne Rettung dar. Seine Todtenblässe im Gesicht, sein blauumringtes trübes Auge, „Jch kann nicht umhin, bei dieser Gelegenheit einen Brief mitzutheilen, worin ein Geretteter die Art und Weise beschreibt, wie er sich von diesem unseeligen Laster losgemacht habe; weil er Rath und Vorschriften enthält, die man jedem jungen Menschen geben muß, der sich in der nemlichen unglücklichen Lage befindet.“ „Jch hatte, schreibt mein Ungenannter, das seltene und unschätzbare Glück, beinahe fünfzehn Jahre in jugendlicher Unschuld dahinzuleben, ohne auf irgend eine Art das Ungeheuer der Selbstschändung kennen zu lernen. Jetzt mußte ich eine Schule beziehn, und was ist begreiflicher, als daß ich da alsobald jene unglückliche Bekanntschaft machte? Jch glaubte, einen Schatz gefunden zu haben: denn mein Verführer war grausam oder leichtsinnig genug, mir zu verschweigen, daß ich mit jedem Tropfen aus dieser bezaubernden Quelle schändlichen Vergnügens das fürchterlichste Gift einschlürfen würde. Fast ein ganzes Jahr hindurch genoß ich des Gifts, ohne etwas Böses zu ahnden, Endlich eröffnete mir ein Jünglingsskelet – mir ein Engel von Gott gesandt – die Augen. Es stellte mir in sich selbst den Vergifteten ohne Rettung dar. Seine Todtenblässe im Gesicht, sein blauumringtes trübes Auge, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0210" n="211"/> <p> „Jch kann nicht umhin, bei dieser Gelegenheit einen Brief mitzutheilen, worin ein Geretteter die Art und Weise beschreibt, wie er sich von diesem unseeligen Laster losgemacht habe; weil er Rath und Vorschriften enthält, die man jedem jungen Menschen geben muß, der sich in der nemlichen unglücklichen Lage befindet.“</p> <p>„Jch hatte, schreibt mein Ungenannter, das seltene und unschätzbare Glück, beinahe fünfzehn Jahre in jugendlicher Unschuld dahinzuleben, ohne auf irgend eine Art das Ungeheuer der Selbstschändung kennen zu lernen. Jetzt mußte ich eine Schule beziehn, und was ist begreiflicher, als daß ich da alsobald jene unglückliche Bekanntschaft machte? Jch glaubte, einen Schatz gefunden zu haben: denn mein Verführer war grausam oder leichtsinnig genug, mir zu verschweigen, daß ich mit jedem Tropfen aus dieser bezaubernden Quelle schändlichen Vergnügens das fürchterlichste Gift einschlürfen würde. Fast ein ganzes Jahr hindurch genoß ich des Gifts, ohne etwas Böses zu ahnden, Endlich eröffnete mir ein Jünglingsskelet – mir ein Engel von Gott gesandt – die Augen. Es stellte mir in sich selbst den Vergifteten ohne Rettung dar. Seine Todtenblässe im Gesicht, sein blauumringtes trübes Auge, </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [211/0210]
„Jch kann nicht umhin, bei dieser Gelegenheit einen Brief mitzutheilen, worin ein Geretteter die Art und Weise beschreibt, wie er sich von diesem unseeligen Laster losgemacht habe; weil er Rath und Vorschriften enthält, die man jedem jungen Menschen geben muß, der sich in der nemlichen unglücklichen Lage befindet.“
„Jch hatte, schreibt mein Ungenannter, das seltene und unschätzbare Glück, beinahe fünfzehn Jahre in jugendlicher Unschuld dahinzuleben, ohne auf irgend eine Art das Ungeheuer der Selbstschändung kennen zu lernen. Jetzt mußte ich eine Schule beziehn, und was ist begreiflicher, als daß ich da alsobald jene unglückliche Bekanntschaft machte? Jch glaubte, einen Schatz gefunden zu haben: denn mein Verführer war grausam oder leichtsinnig genug, mir zu verschweigen, daß ich mit jedem Tropfen aus dieser bezaubernden Quelle schändlichen Vergnügens das fürchterlichste Gift einschlürfen würde. Fast ein ganzes Jahr hindurch genoß ich des Gifts, ohne etwas Böses zu ahnden, Endlich eröffnete mir ein Jünglingsskelet – mir ein Engel von Gott gesandt – die Augen. Es stellte mir in sich selbst den Vergifteten ohne Rettung dar. Seine Todtenblässe im Gesicht, sein blauumringtes trübes Auge,
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Zitationshilfe: | Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/210>, abgerufen am 16.02.2025. |