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Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787.

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ein Verführer nicht so bei der Hand hat. Manches Laster erhält durch die Kunst der Beredsamkeit und Dichtkunst ein gefälliges Gewand und wird hinreißend. Alle sinnliche Darstellungen gewinnen Reize durch die Kunst und die Einbildungskraft legt ihnen noch mehrere bei. Eine wollüstige Schilderung schadet mehr, als die wollüstigste Scene, die man nur in der Natur sehen kann, denn sie wirkt stärker auf die Einbildungskraft. Und wie viele Bücher, einzelne Gedichte und ganze Werke haben wir nicht, wo die sinnliche Liebe nach allen ihren Graden und von allen ihren reizenden Seiten so ennehmend geschildert wird, daß ein Jüngling ein sehr gesetzter Weise oder ein Klotz seyn müßte, wenn er nicht Feuer fangen und Befriedigung suchen sollte. Wir erkennen in diesen Darstellungen die Producte der talentvollesten Köpfe, aber es beklemmt jedem wahren Menschenfreunde das Herz, wenn er sich die fast unvermeidliche Verführung der Jugend dabei gedenkt. Könnten Bitten etwas helfen, so wäre dies Aergerniß längst von der Welt losgebeten. Könnten Vorstellungen helfen, so hätten sie längst helfen müssen. Denn welche billige Gründe kann je einer haben, seinen Witz, seine Denkkraft, seine ganze

ein Verführer nicht so bei der Hand hat. Manches Laster erhält durch die Kunst der Beredsamkeit und Dichtkunst ein gefälliges Gewand und wird hinreißend. Alle sinnliche Darstellungen gewinnen Reize durch die Kunst und die Einbildungskraft legt ihnen noch mehrere bei. Eine wollüstige Schilderung schadet mehr, als die wollüstigste Scene, die man nur in der Natur sehen kann, denn sie wirkt stärker auf die Einbildungskraft. Und wie viele Bücher, einzelne Gedichte und ganze Werke haben wir nicht, wo die sinnliche Liebe nach allen ihren Graden und von allen ihren reizenden Seiten so ennehmend geschildert wird, daß ein Jüngling ein sehr gesetzter Weise oder ein Klotz seyn müßte, wenn er nicht Feuer fangen und Befriedigung suchen sollte. Wir erkennen in diesen Darstellungen die Producte der talentvollesten Köpfe, aber es beklemmt jedem wahren Menschenfreunde das Herz, wenn er sich die fast unvermeidliche Verführung der Jugend dabei gedenkt. Könnten Bitten etwas helfen, so wäre dies Aergerniß längst von der Welt losgebeten. Könnten Vorstellungen helfen, so hätten sie längst helfen müssen. Denn welche billige Gründe kann je einer haben, seinen Witz, seine Denkkraft, seine ganze

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ein Verführer nicht so bei der Hand hat. Manches Laster erhält durch die Kunst der Beredsamkeit und Dichtkunst ein gefälliges Gewand und wird hinreißend. Alle sinnliche Darstellungen gewinnen Reize durch die Kunst und die Einbildungskraft legt ihnen noch mehrere bei. Eine wollüstige Schilderung schadet mehr, als die wollüstigste Scene, die man nur in der Natur sehen kann, denn sie wirkt stärker auf die Einbildungskraft. Und wie viele Bücher, einzelne Gedichte und ganze Werke haben wir nicht, wo die sinnliche Liebe nach allen ihren Graden und von allen ihren reizenden Seiten so ennehmend geschildert wird, daß ein Jüngling ein sehr gesetzter Weise oder ein Klotz seyn müßte, wenn er nicht Feuer fangen und Befriedigung suchen sollte. Wir erkennen in diesen Darstellungen die Producte der talentvollesten Köpfe, aber es beklemmt jedem wahren Menschenfreunde das Herz, wenn er sich die fast unvermeidliche Verführung der Jugend dabei gedenkt. Könnten Bitten etwas helfen, so wäre dies Aergerniß längst von der Welt losgebeten. Könnten Vorstellungen helfen, so hätten sie längst helfen müssen. Denn welche billige Gründe kann je einer haben, seinen Witz, seine Denkkraft, seine ganze
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[83/0082] ein Verführer nicht so bei der Hand hat. Manches Laster erhält durch die Kunst der Beredsamkeit und Dichtkunst ein gefälliges Gewand und wird hinreißend. Alle sinnliche Darstellungen gewinnen Reize durch die Kunst und die Einbildungskraft legt ihnen noch mehrere bei. Eine wollüstige Schilderung schadet mehr, als die wollüstigste Scene, die man nur in der Natur sehen kann, denn sie wirkt stärker auf die Einbildungskraft. Und wie viele Bücher, einzelne Gedichte und ganze Werke haben wir nicht, wo die sinnliche Liebe nach allen ihren Graden und von allen ihren reizenden Seiten so ennehmend geschildert wird, daß ein Jüngling ein sehr gesetzter Weise oder ein Klotz seyn müßte, wenn er nicht Feuer fangen und Befriedigung suchen sollte. Wir erkennen in diesen Darstellungen die Producte der talentvollesten Köpfe, aber es beklemmt jedem wahren Menschenfreunde das Herz, wenn er sich die fast unvermeidliche Verführung der Jugend dabei gedenkt. Könnten Bitten etwas helfen, so wäre dies Aergerniß längst von der Welt losgebeten. Könnten Vorstellungen helfen, so hätten sie längst helfen müssen. Denn welche billige Gründe kann je einer haben, seinen Witz, seine Denkkraft, seine ganze

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Zitationshilfe: Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/82>, abgerufen am 25.11.2024.