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Ohr, Julie: Die Studentin der Gegenwart. München-Gern, 1909.

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ist. Daneben sind die zahlreichen studentischen Fachver-
eine zu nennen. So zersplittern sich die modernen Stu-
denten in eine Menge kleiner Gesellschaften, die mit ein-
zelnen Jdeen sich befassen, auf einzelnen Gebieten eine
möglichst hohe spezielle Ausbildung versuchen.

Diesen Vereinsbestrebungen gegenüber besteht ein Un-
ternehmen, welches in gewissem Sinne einheitlich und zu-
sammenfassend wirken will: Es ist die Freie Studen-
tenschaft
. Jhr Wesen ist aus zwei Grundprinzipien
zurückzuführen.*) Einerseits baut sich die Freie Studenten-
schaft auf dem Vertretungsprinzip, anderseits auf der
"modernen Bildungsidee" auf.

Um kurz auf das Vertretungsprinzip zu kommen, müssen
wir uns die Hochschule als Staat (der Name Civitas
academica
besagt dasselbe) denken. Jn diesem Staat be-
sitzen zwar die Bürger Einfluß auf das Staatsleben, aber
dieser Einfluß hat durch die Masse seine Beschränkung er-
fahren. Wir sehen in diesem Staate einen Teil der Bürger
ihre Wünsche auf andere übertragen und diese als vertre-
tende Behörde über die Angelegenheiten der Hochschule
beraten. Die Professorenschaft läßt sich durch den Senat
vertreten und dieser setzt als ausführende Behörde den Uni-
versitätsrektor ein. Die Studenten wählen ebenfalls ihre
Abgeordneten. Es war in früheren Zeiten, wo das Kor-
porationswesen viel ausgebildeter war, wo freiheitliche,
oder der Zeit entsprechende Jdeen überhaupt nur inner-
halb der Verbindungen Verbreitung finden konnten, selbst-
verständlich, daß die Vertretung der Studenten von diesen

*) Für ein näheres Eingehen auf das Wesen der Freien Stu-
dentenschaft empfehlen sich die Schriften: Der freistudentische
Jdeenkreis von Dr. Felix Behrend, Zur Erneuerung des deutschen
Studententums von Dr. W. Ohr, Altes und Neues Studententum
von J. Neumann, sämtlich im Bavariaverlag zu München erschienen.

ist. Daneben sind die zahlreichen studentischen Fachver-
eine zu nennen. So zersplittern sich die modernen Stu-
denten in eine Menge kleiner Gesellschaften, die mit ein-
zelnen Jdeen sich befassen, auf einzelnen Gebieten eine
möglichst hohe spezielle Ausbildung versuchen.

Diesen Vereinsbestrebungen gegenüber besteht ein Un-
ternehmen, welches in gewissem Sinne einheitlich und zu-
sammenfassend wirken will: Es ist die Freie Studen-
tenschaft
. Jhr Wesen ist aus zwei Grundprinzipien
zurückzuführen.*) Einerseits baut sich die Freie Studenten-
schaft auf dem Vertretungsprinzip, anderseits auf der
„modernen Bildungsidee“ auf.

Um kurz auf das Vertretungsprinzip zu kommen, müssen
wir uns die Hochschule als Staat (der Name Civitas
academica
besagt dasselbe) denken. Jn diesem Staat be-
sitzen zwar die Bürger Einfluß auf das Staatsleben, aber
dieser Einfluß hat durch die Masse seine Beschränkung er-
fahren. Wir sehen in diesem Staate einen Teil der Bürger
ihre Wünsche auf andere übertragen und diese als vertre-
tende Behörde über die Angelegenheiten der Hochschule
beraten. Die Professorenschaft läßt sich durch den Senat
vertreten und dieser setzt als ausführende Behörde den Uni-
versitätsrektor ein. Die Studenten wählen ebenfalls ihre
Abgeordneten. Es war in früheren Zeiten, wo das Kor-
porationswesen viel ausgebildeter war, wo freiheitliche,
oder der Zeit entsprechende Jdeen überhaupt nur inner-
halb der Verbindungen Verbreitung finden konnten, selbst-
verständlich, daß die Vertretung der Studenten von diesen

*) Für ein näheres Eingehen auf das Wesen der Freien Stu-
dentenschaft empfehlen sich die Schriften: Der freistudentische
Jdeenkreis von Dr. Felix Behrend, Zur Erneuerung des deutschen
Studententums von Dr. W. Ohr, Altes und Neues Studententum
von J. Neumann, sämtlich im Bavariaverlag zu München erschienen.
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[26/0025] ist. Daneben sind die zahlreichen studentischen Fachver- eine zu nennen. So zersplittern sich die modernen Stu- denten in eine Menge kleiner Gesellschaften, die mit ein- zelnen Jdeen sich befassen, auf einzelnen Gebieten eine möglichst hohe spezielle Ausbildung versuchen. Diesen Vereinsbestrebungen gegenüber besteht ein Un- ternehmen, welches in gewissem Sinne einheitlich und zu- sammenfassend wirken will: Es ist die Freie Studen- tenschaft. Jhr Wesen ist aus zwei Grundprinzipien zurückzuführen. *) Einerseits baut sich die Freie Studenten- schaft auf dem Vertretungsprinzip, anderseits auf der „modernen Bildungsidee“ auf. Um kurz auf das Vertretungsprinzip zu kommen, müssen wir uns die Hochschule als Staat (der Name Civitas academica besagt dasselbe) denken. Jn diesem Staat be- sitzen zwar die Bürger Einfluß auf das Staatsleben, aber dieser Einfluß hat durch die Masse seine Beschränkung er- fahren. Wir sehen in diesem Staate einen Teil der Bürger ihre Wünsche auf andere übertragen und diese als vertre- tende Behörde über die Angelegenheiten der Hochschule beraten. Die Professorenschaft läßt sich durch den Senat vertreten und dieser setzt als ausführende Behörde den Uni- versitätsrektor ein. Die Studenten wählen ebenfalls ihre Abgeordneten. Es war in früheren Zeiten, wo das Kor- porationswesen viel ausgebildeter war, wo freiheitliche, oder der Zeit entsprechende Jdeen überhaupt nur inner- halb der Verbindungen Verbreitung finden konnten, selbst- verständlich, daß die Vertretung der Studenten von diesen *) Für ein näheres Eingehen auf das Wesen der Freien Stu- dentenschaft empfehlen sich die Schriften: Der freistudentische Jdeenkreis von Dr. Felix Behrend, Zur Erneuerung des deutschen Studententums von Dr. W. Ohr, Altes und Neues Studententum von J. Neumann, sämtlich im Bavariaverlag zu München erschienen.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Frauenstudium, betreut von Andreas Neumann und Anna Pfundt, FSU Jena und JLU Gießen : Bereitstellung der Texttranskription. (2022-08-08T09:56:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Dennis Dietrich: Bearbeitung der digitalen Edition. (2022-08-08T09:56:42Z)

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Zitationshilfe: Ohr, Julie: Die Studentin der Gegenwart. München-Gern, 1909, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ohr_studentin_1909/25>, abgerufen am 20.04.2024.