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Ohr, Julie: Die Studentin der Gegenwart. München-Gern, 1909.

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Körperschaften ausging. Der übliche Name für die Ver-
treter der Studentenschaft lautet: Studentenausschuß. Diese
Studentenausschüsse haben die studentischen Jnteressen zu
wahren. Bei allen wichtigen Angelegenheiten der Uni-
versität haben sie zu beraten und ihre Entschlüsse den
akademischen Behörden mitzuteilen. Nach parlamentari-
schen Prinzipien ist also die civitas academica eingerichtet;
auf diesen Prinzipien kann und muß jede Neuerung auf-
gebaut werden.

Jn dem Maße, als sich die Zahl der Studenten den
Korporationen entzog, wurde eine Lücke in der Vertretung
der Studentenschaft empfunden. Der Studentenausschuß
konnte nicht mehr als allgemeiner gelten, solange nur die
inkorporierten Studenten ihre Vertreter hatten. Es wurde
daher die Jdee der Freien Studentenschaft gefaßt als
der Gesamtheit aller Nichtinkorporierten, und darnach eine
Vertretung dieser Freien Studentenschaft im Studenten-
ausschuß beansprucht.

Das Vertretungsprinzip wird aber durch andere Ereig-
nisse in besonderer Weise mit der Freien Studentenschaft
verknüpft. Die Korporationen vertreten sich im allge-
meinen nach bestimmten feststehenden Zahlen, nicht nach
der Menge der Mitglieder einer einzelnen Verbindung.
Dennoch wird durch die Vielheit der Korporationen die
Vertretung derselben eine sehr große. Nach dem gleichen
Prinzip sollte die Freie Studentenschaft wie ein Verein
behandelt werden und eine sehr beschränkte Zahl, gewöhnlich
nicht mehr als zwei oder drei Vertreter im Ausschuß besitzen.
An denjenigen Universitätsstädten, wo die Freie Studenten-
schaft durch die Zahl der Nichtinkorporierten auf eine
starke Masse anschwoll, verlangte sie Revision der Wahl-
methoden in dem Sinne, daß das absolute Verhältnis aller
Korporierten dem absoluten Verhältnis aller Nichtinkor-

Körperschaften ausging. Der übliche Name für die Ver-
treter der Studentenschaft lautet: Studentenausschuß. Diese
Studentenausschüsse haben die studentischen Jnteressen zu
wahren. Bei allen wichtigen Angelegenheiten der Uni-
versität haben sie zu beraten und ihre Entschlüsse den
akademischen Behörden mitzuteilen. Nach parlamentari-
schen Prinzipien ist also die civitas academica eingerichtet;
auf diesen Prinzipien kann und muß jede Neuerung auf-
gebaut werden.

Jn dem Maße, als sich die Zahl der Studenten den
Korporationen entzog, wurde eine Lücke in der Vertretung
der Studentenschaft empfunden. Der Studentenausschuß
konnte nicht mehr als allgemeiner gelten, solange nur die
inkorporierten Studenten ihre Vertreter hatten. Es wurde
daher die Jdee der Freien Studentenschaft gefaßt als
der Gesamtheit aller Nichtinkorporierten, und darnach eine
Vertretung dieser Freien Studentenschaft im Studenten-
ausschuß beansprucht.

Das Vertretungsprinzip wird aber durch andere Ereig-
nisse in besonderer Weise mit der Freien Studentenschaft
verknüpft. Die Korporationen vertreten sich im allge-
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der Menge der Mitglieder einer einzelnen Verbindung.
Dennoch wird durch die Vielheit der Korporationen die
Vertretung derselben eine sehr große. Nach dem gleichen
Prinzip sollte die Freie Studentenschaft wie ein Verein
behandelt werden und eine sehr beschränkte Zahl, gewöhnlich
nicht mehr als zwei oder drei Vertreter im Ausschuß besitzen.
An denjenigen Universitätsstädten, wo die Freie Studenten-
schaft durch die Zahl der Nichtinkorporierten auf eine
starke Masse anschwoll, verlangte sie Revision der Wahl-
methoden in dem Sinne, daß das absolute Verhältnis aller
Korporierten dem absoluten Verhältnis aller Nichtinkor-

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[27/0026] Körperschaften ausging. Der übliche Name für die Ver- treter der Studentenschaft lautet: Studentenausschuß. Diese Studentenausschüsse haben die studentischen Jnteressen zu wahren. Bei allen wichtigen Angelegenheiten der Uni- versität haben sie zu beraten und ihre Entschlüsse den akademischen Behörden mitzuteilen. Nach parlamentari- schen Prinzipien ist also die civitas academica eingerichtet; auf diesen Prinzipien kann und muß jede Neuerung auf- gebaut werden. Jn dem Maße, als sich die Zahl der Studenten den Korporationen entzog, wurde eine Lücke in der Vertretung der Studentenschaft empfunden. Der Studentenausschuß konnte nicht mehr als allgemeiner gelten, solange nur die inkorporierten Studenten ihre Vertreter hatten. Es wurde daher die Jdee der Freien Studentenschaft gefaßt als der Gesamtheit aller Nichtinkorporierten, und darnach eine Vertretung dieser Freien Studentenschaft im Studenten- ausschuß beansprucht. Das Vertretungsprinzip wird aber durch andere Ereig- nisse in besonderer Weise mit der Freien Studentenschaft verknüpft. Die Korporationen vertreten sich im allge- meinen nach bestimmten feststehenden Zahlen, nicht nach der Menge der Mitglieder einer einzelnen Verbindung. Dennoch wird durch die Vielheit der Korporationen die Vertretung derselben eine sehr große. Nach dem gleichen Prinzip sollte die Freie Studentenschaft wie ein Verein behandelt werden und eine sehr beschränkte Zahl, gewöhnlich nicht mehr als zwei oder drei Vertreter im Ausschuß besitzen. An denjenigen Universitätsstädten, wo die Freie Studenten- schaft durch die Zahl der Nichtinkorporierten auf eine starke Masse anschwoll, verlangte sie Revision der Wahl- methoden in dem Sinne, daß das absolute Verhältnis aller Korporierten dem absoluten Verhältnis aller Nichtinkor-

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Zitationshilfe: Ohr, Julie: Die Studentin der Gegenwart. München-Gern, 1909, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ohr_studentin_1909/26>, abgerufen am 23.04.2024.