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Ohr, Julie: Die Studentin der Gegenwart. München-Gern, 1909.

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Ratschläge, Auskünfte, Eingaben an die Behörden - das
waren die Aufgaben der Studentinnenvereine, die damals
auch engen Zusammenhang mit der Frauenbewegung be-
wahrten, weil die Führerinnen der Frauenbewegung ihnen
ihre Kraft und ihren Einfluß gerne liehen, während die
Studentinnen anderseits im Dienste der Frauenbewegung
arbeiteten. Die Studentinnenvereine waren also am An-
fang nach außen eine Organisation des Kampfes, nach
innen eine Jnteressengemeinschaft.

Nach und nach verwischte sich dieser Charakter. Je
mehr die akademische Frauenbewegung um sich griff, je
mehr die Schranken fielen, die Vorlesungen, Kurse, Exa-
mina den studierenden Frauen sich öffneten, desto mehr
wurden die Studentinnenvereine der Ort, wo sich die
Studentinnen nur, um sich gegenseitig kennen zu lernen,
trafen.

Geselligkeit stand auf dem Programm. Für viele
Studentinnen wurde der Verein überhaupt die einzige
Gelegenheit, außerhalb der Universität mit ihresgleichen
zu verkehren - die Eltern verboten die Beteiligung an
studentischen Unternehmungen. Für viele andere Stu-
dentinnen wurde und ist noch der Studentinnenverein der
erste Anfang, die erste Ahnung einer Organisation.

Nach und nach machten sich im Studentinnenverein der
Einfluß der modernen studentischen Strömungen bemerk-
bar. Unverkennbar sind freistudentische Beeinflussungen,
wie z. B. die moderne Bildungsidee. Danach wurde die
Ausbildung der Studentin im allgemeinen Sinne, die
Aneignung der Organisationstechnik, Vorträge und Dis-
kussionen als notwendig erkannt, wenn die Studentinnen
nicht hinter den Kommilitonen zurückbleiben wollten. Aller-
dings, die intelligenten und anregenden Elemente haben
vielfach große Mühe, die Jndifferenz der Kommilitoninnen

Ratschläge, Auskünfte, Eingaben an die Behörden – das
waren die Aufgaben der Studentinnenvereine, die damals
auch engen Zusammenhang mit der Frauenbewegung be-
wahrten, weil die Führerinnen der Frauenbewegung ihnen
ihre Kraft und ihren Einfluß gerne liehen, während die
Studentinnen anderseits im Dienste der Frauenbewegung
arbeiteten. Die Studentinnenvereine waren also am An-
fang nach außen eine Organisation des Kampfes, nach
innen eine Jnteressengemeinschaft.

Nach und nach verwischte sich dieser Charakter. Je
mehr die akademische Frauenbewegung um sich griff, je
mehr die Schranken fielen, die Vorlesungen, Kurse, Exa-
mina den studierenden Frauen sich öffneten, desto mehr
wurden die Studentinnenvereine der Ort, wo sich die
Studentinnen nur, um sich gegenseitig kennen zu lernen,
trafen.

Geselligkeit stand auf dem Programm. Für viele
Studentinnen wurde der Verein überhaupt die einzige
Gelegenheit, außerhalb der Universität mit ihresgleichen
zu verkehren – die Eltern verboten die Beteiligung an
studentischen Unternehmungen. Für viele andere Stu-
dentinnen wurde und ist noch der Studentinnenverein der
erste Anfang, die erste Ahnung einer Organisation.

Nach und nach machten sich im Studentinnenverein der
Einfluß der modernen studentischen Strömungen bemerk-
bar. Unverkennbar sind freistudentische Beeinflussungen,
wie z. B. die moderne Bildungsidee. Danach wurde die
Ausbildung der Studentin im allgemeinen Sinne, die
Aneignung der Organisationstechnik, Vorträge und Dis-
kussionen als notwendig erkannt, wenn die Studentinnen
nicht hinter den Kommilitonen zurückbleiben wollten. Aller-
dings, die intelligenten und anregenden Elemente haben
vielfach große Mühe, die Jndifferenz der Kommilitoninnen

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[32/0031] Ratschläge, Auskünfte, Eingaben an die Behörden – das waren die Aufgaben der Studentinnenvereine, die damals auch engen Zusammenhang mit der Frauenbewegung be- wahrten, weil die Führerinnen der Frauenbewegung ihnen ihre Kraft und ihren Einfluß gerne liehen, während die Studentinnen anderseits im Dienste der Frauenbewegung arbeiteten. Die Studentinnenvereine waren also am An- fang nach außen eine Organisation des Kampfes, nach innen eine Jnteressengemeinschaft. Nach und nach verwischte sich dieser Charakter. Je mehr die akademische Frauenbewegung um sich griff, je mehr die Schranken fielen, die Vorlesungen, Kurse, Exa- mina den studierenden Frauen sich öffneten, desto mehr wurden die Studentinnenvereine der Ort, wo sich die Studentinnen nur, um sich gegenseitig kennen zu lernen, trafen. Geselligkeit stand auf dem Programm. Für viele Studentinnen wurde der Verein überhaupt die einzige Gelegenheit, außerhalb der Universität mit ihresgleichen zu verkehren – die Eltern verboten die Beteiligung an studentischen Unternehmungen. Für viele andere Stu- dentinnen wurde und ist noch der Studentinnenverein der erste Anfang, die erste Ahnung einer Organisation. Nach und nach machten sich im Studentinnenverein der Einfluß der modernen studentischen Strömungen bemerk- bar. Unverkennbar sind freistudentische Beeinflussungen, wie z. B. die moderne Bildungsidee. Danach wurde die Ausbildung der Studentin im allgemeinen Sinne, die Aneignung der Organisationstechnik, Vorträge und Dis- kussionen als notwendig erkannt, wenn die Studentinnen nicht hinter den Kommilitonen zurückbleiben wollten. Aller- dings, die intelligenten und anregenden Elemente haben vielfach große Mühe, die Jndifferenz der Kommilitoninnen

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Frauenstudium, betreut von Andreas Neumann und Anna Pfundt, FSU Jena und JLU Gießen : Bereitstellung der Texttranskription. (2022-08-08T09:56:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Ohr, Julie: Die Studentin der Gegenwart. München-Gern, 1909, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ohr_studentin_1909/31>, abgerufen am 23.04.2024.