zu überwinden. Die Scheu, auch im Studentinnenverein zu diskutieren, die Unkenntnis des Organisationslebens, die mangelhafte Disziplin erschwert die Erziehung in dieser Richtung aufs äußerste.
Vor allem aber kann den Studentinnenvereinen nicht ohne Ursache vorgeworfen werden, daß sie ihr ursprüng- liches Ziel, den Kampf um den Fortschritt der akademischen Frauenbewegung, stark vernachlässigt haben. Wohl stehen in den meisten Statuten etwas von Wahrung und För- derung der Jnteressen der studierenden Frauen. Unter Wahrung der Jnteressen würde ich in der augenblicklichen Lage eine Kundgebung des Verbandes studierender Frauen Deutschlands an das preußische Kultusministerium sehen, der den dem Paragraphen über die Jmmatrikulation deut- scher Studentinnen angeschlossenen Nebensatze: "Aus be- sonderen Gründen können mit Genehmigung des Ministers Frauen von der Teilnahme an einzelnen Vorlesungen ausgeschlossen werden", ausmerzen soll. Unter Förderung der Jnteressen studierender Frauen würde ich ferner ver- stehen: Hinweise auf die noch fehlenden Rechte in großen, öffentlichen Versammlungen. Jeder Studentinnenverein sollte mindestens einmal im Jahre einen öffentlichen Vor- trag veranstalten, worin er die Forderungen stellt: Zu- lassung zu allen Examina, Eröffnung der Staatsstellen, weibliche Dozentur, Aufnahme in die Universitätsbehörden Daß solche Propaganda ebenso Sache des Verbandstags wäre, versteht sich von selbst.
Aber zu allem gehört eins: Die Fühlung mit den Kommilitonen. Das ist einer der schlimmsten Vorwürfe, den man den meisten Studentinnenvereinen machen muß. Statt die Mitglieder für das allgemein studentische Leben zu erziehen, statt sie hinzuweisen auf die studentischen Unternehmungen und so einigermaßen die mangelnde Er-
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zu überwinden. Die Scheu, auch im Studentinnenverein zu diskutieren, die Unkenntnis des Organisationslebens, die mangelhafte Disziplin erschwert die Erziehung in dieser Richtung aufs äußerste.
Vor allem aber kann den Studentinnenvereinen nicht ohne Ursache vorgeworfen werden, daß sie ihr ursprüng- liches Ziel, den Kampf um den Fortschritt der akademischen Frauenbewegung, stark vernachlässigt haben. Wohl stehen in den meisten Statuten etwas von Wahrung und För- derung der Jnteressen der studierenden Frauen. Unter Wahrung der Jnteressen würde ich in der augenblicklichen Lage eine Kundgebung des Verbandes studierender Frauen Deutschlands an das preußische Kultusministerium sehen, der den dem Paragraphen über die Jmmatrikulation deut- scher Studentinnen angeschlossenen Nebensatze: „Aus be- sonderen Gründen können mit Genehmigung des Ministers Frauen von der Teilnahme an einzelnen Vorlesungen ausgeschlossen werden“, ausmerzen soll. Unter Förderung der Jnteressen studierender Frauen würde ich ferner ver- stehen: Hinweise auf die noch fehlenden Rechte in großen, öffentlichen Versammlungen. Jeder Studentinnenverein sollte mindestens einmal im Jahre einen öffentlichen Vor- trag veranstalten, worin er die Forderungen stellt: Zu- lassung zu allen Examina, Eröffnung der Staatsstellen, weibliche Dozentur, Aufnahme in die Universitätsbehörden Daß solche Propaganda ebenso Sache des Verbandstags wäre, versteht sich von selbst.
Aber zu allem gehört eins: Die Fühlung mit den Kommilitonen. Das ist einer der schlimmsten Vorwürfe, den man den meisten Studentinnenvereinen machen muß. Statt die Mitglieder für das allgemein studentische Leben zu erziehen, statt sie hinzuweisen auf die studentischen Unternehmungen und so einigermaßen die mangelnde Er-
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[33/0032]
zu überwinden. Die Scheu, auch im Studentinnenverein
zu diskutieren, die Unkenntnis des Organisationslebens,
die mangelhafte Disziplin erschwert die Erziehung in
dieser Richtung aufs äußerste.
Vor allem aber kann den Studentinnenvereinen nicht
ohne Ursache vorgeworfen werden, daß sie ihr ursprüng-
liches Ziel, den Kampf um den Fortschritt der akademischen
Frauenbewegung, stark vernachlässigt haben. Wohl stehen
in den meisten Statuten etwas von Wahrung und För-
derung der Jnteressen der studierenden Frauen. Unter
Wahrung der Jnteressen würde ich in der augenblicklichen
Lage eine Kundgebung des Verbandes studierender Frauen
Deutschlands an das preußische Kultusministerium sehen,
der den dem Paragraphen über die Jmmatrikulation deut-
scher Studentinnen angeschlossenen Nebensatze: „Aus be-
sonderen Gründen können mit Genehmigung des Ministers
Frauen von der Teilnahme an einzelnen Vorlesungen
ausgeschlossen werden“, ausmerzen soll. Unter Förderung
der Jnteressen studierender Frauen würde ich ferner ver-
stehen: Hinweise auf die noch fehlenden Rechte in großen,
öffentlichen Versammlungen. Jeder Studentinnenverein
sollte mindestens einmal im Jahre einen öffentlichen Vor-
trag veranstalten, worin er die Forderungen stellt: Zu-
lassung zu allen Examina, Eröffnung der Staatsstellen,
weibliche Dozentur, Aufnahme in die Universitätsbehörden
Daß solche Propaganda ebenso Sache des Verbandstags
wäre, versteht sich von selbst.
Aber zu allem gehört eins: Die Fühlung mit den
Kommilitonen. Das ist einer der schlimmsten Vorwürfe,
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Ohr, Julie: Die Studentin der Gegenwart. München-Gern, 1909, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ohr_studentin_1909/32>, abgerufen am 16.07.2024.
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