Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ohr, Julie: Die Studentin der Gegenwart. München-Gern, 1909.

Bild:
<< vorherige Seite

ist natürlich nicht zu sprechen; diese einzelnen Frauen
blieben Ausnahmen. Die Bewegung selber läßt sich in
Deutschland eigentlich erst von dem Jahre 1889 an datieren.
Damals gründete Helene Lange in Berlin, die verdiente
Vorkämpferin um das weibliche akademische Studium, Real-
kurse, welche die Besucherinnen auf die Schweizerische Ma-
turität vorbereiteten. Viele Frauen haben sich da ihre
Vorbildung geholt, haben in der Schweiz sich dem Stu-
dium (meistens dem medizinischen) gewidmet. Letztere
haben dann in Deutschland als "in der Schweiz appro-
bierte Aerztin" oder auch "in Zürich approbierte Aerztin"
um ihre Existenz gerungen, mit Kollegen und Behörden
gekämpft, aber sich dennoch einen guten Namen und das
Vertrauen des weiblichen Publikums erworben.

1893 machte Helene Lange aus den Realkursen Gym-
nasialkurse, die sich auf die höhere Mädchenschule auf-
bauten. Aus ihnen gingen 1896 die ersten staatlich ge-
prüften Abiturientinnen hervor, die an der Universität
Berlin als Hörerinnen zugelassen wurden.

Ein halbes Jahr später gründete Dr. Käthe Wind-
scheid in Leipzig Gymnasialkurse.

Schon 1893 wurde in Karlsruhe in der höheren Mäd-
chenschule eine Gymnasialabteilung eingerichtet. Vom 12.
Lebensjahre an konnten diese Kurse sechs Jahre hindurch
besucht werden; die Vorbereitung fürs Abiturium war also
eine analoge dem der Knabengymnasien.

Um die gleiche Zeit öffneten sich Knabengymnasien für
solche Mädchen, die das Abiturium ablegen wollten. Pforz-
heim, Mannheim, Konstanz sind rühmlich vorangegangen.

Sobald sich einmal der Staat um die Vorbildung
des weiblichen Geschlechts zur Universität bekümmerte,
konnte er nicht mehr gut den nächsten Schritt, die Er-
öffnung der wissenschaftlichen Bildungsanstalten zurück-

ist natürlich nicht zu sprechen; diese einzelnen Frauen
blieben Ausnahmen. Die Bewegung selber läßt sich in
Deutschland eigentlich erst von dem Jahre 1889 an datieren.
Damals gründete Helene Lange in Berlin, die verdiente
Vorkämpferin um das weibliche akademische Studium, Real-
kurse, welche die Besucherinnen auf die Schweizerische Ma-
turität vorbereiteten. Viele Frauen haben sich da ihre
Vorbildung geholt, haben in der Schweiz sich dem Stu-
dium (meistens dem medizinischen) gewidmet. Letztere
haben dann in Deutschland als „in der Schweiz appro-
bierte Aerztin“ oder auch „in Zürich approbierte Aerztin“
um ihre Existenz gerungen, mit Kollegen und Behörden
gekämpft, aber sich dennoch einen guten Namen und das
Vertrauen des weiblichen Publikums erworben.

1893 machte Helene Lange aus den Realkursen Gym-
nasialkurse, die sich auf die höhere Mädchenschule auf-
bauten. Aus ihnen gingen 1896 die ersten staatlich ge-
prüften Abiturientinnen hervor, die an der Universität
Berlin als Hörerinnen zugelassen wurden.

Ein halbes Jahr später gründete Dr. Käthe Wind-
scheid in Leipzig Gymnasialkurse.

Schon 1893 wurde in Karlsruhe in der höheren Mäd-
chenschule eine Gymnasialabteilung eingerichtet. Vom 12.
Lebensjahre an konnten diese Kurse sechs Jahre hindurch
besucht werden; die Vorbereitung fürs Abiturium war also
eine analoge dem der Knabengymnasien.

Um die gleiche Zeit öffneten sich Knabengymnasien für
solche Mädchen, die das Abiturium ablegen wollten. Pforz-
heim, Mannheim, Konstanz sind rühmlich vorangegangen.

Sobald sich einmal der Staat um die Vorbildung
des weiblichen Geschlechts zur Universität bekümmerte,
konnte er nicht mehr gut den nächsten Schritt, die Er-
öffnung der wissenschaftlichen Bildungsanstalten zurück-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0005" n="6"/>
ist natürlich nicht zu sprechen; diese einzelnen                     Frauen<lb/>
blieben Ausnahmen. Die Bewegung selber läßt sich in<lb/>
Deutschland                     eigentlich erst von dem Jahre 1889 an datieren.<lb/>
Damals gründete Helene                     Lange in Berlin, die verdiente<lb/>
Vorkämpferin um das weibliche akademische                     Studium, Real-<lb/>
kurse, welche die Besucherinnen auf die Schweizerische                     Ma-<lb/>
turität vorbereiteten. Viele Frauen haben sich da ihre<lb/>
Vorbildung                     geholt, haben in der Schweiz sich dem Stu-<lb/>
dium (meistens dem                     medizinischen) gewidmet. Letztere<lb/>
haben dann in Deutschland als &#x201E;in                     der Schweiz appro-<lb/>
bierte Aerztin&#x201C; oder auch &#x201E;in Zürich                     approbierte Aerztin&#x201C;<lb/>
um ihre Existenz gerungen, mit Kollegen und                     Behörden<lb/>
gekämpft, aber sich dennoch einen guten Namen und das<lb/>
Vertrauen des weiblichen Publikums erworben.</p><lb/>
        <p>1893 machte Helene Lange aus den Realkursen Gym-<lb/>
nasialkurse, die sich auf                     die höhere Mädchenschule auf-<lb/>
bauten. Aus ihnen gingen 1896 die ersten                     staatlich ge-<lb/>
prüften Abiturientinnen hervor, die an der Universität<lb/>
Berlin als Hörerinnen zugelassen wurden.</p><lb/>
        <p>Ein halbes Jahr später gründete Dr. Käthe Wind-<lb/>
scheid in Leipzig                     Gymnasialkurse.</p><lb/>
        <p>Schon 1893 wurde in Karlsruhe in der höheren Mäd-<lb/>
chenschule eine                     Gymnasialabteilung eingerichtet. Vom 12.<lb/>
Lebensjahre an konnten diese Kurse                     sechs Jahre hindurch<lb/>
besucht werden; die Vorbereitung fürs Abiturium war                     also<lb/>
eine analoge dem der Knabengymnasien.</p><lb/>
        <p>Um die gleiche Zeit öffneten sich Knabengymnasien für<lb/>
solche Mädchen, die                     das Abiturium ablegen wollten. Pforz-<lb/>
heim, Mannheim, Konstanz sind                     rühmlich vorangegangen.</p><lb/>
        <p>Sobald sich einmal der Staat um die Vorbildung<lb/>
des weiblichen Geschlechts                     zur Universität bekümmerte,<lb/>
konnte er nicht mehr gut den nächsten Schritt,                     die Er-<lb/>
öffnung der wissenschaftlichen Bildungsanstalten zurück-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0005] ist natürlich nicht zu sprechen; diese einzelnen Frauen blieben Ausnahmen. Die Bewegung selber läßt sich in Deutschland eigentlich erst von dem Jahre 1889 an datieren. Damals gründete Helene Lange in Berlin, die verdiente Vorkämpferin um das weibliche akademische Studium, Real- kurse, welche die Besucherinnen auf die Schweizerische Ma- turität vorbereiteten. Viele Frauen haben sich da ihre Vorbildung geholt, haben in der Schweiz sich dem Stu- dium (meistens dem medizinischen) gewidmet. Letztere haben dann in Deutschland als „in der Schweiz appro- bierte Aerztin“ oder auch „in Zürich approbierte Aerztin“ um ihre Existenz gerungen, mit Kollegen und Behörden gekämpft, aber sich dennoch einen guten Namen und das Vertrauen des weiblichen Publikums erworben. 1893 machte Helene Lange aus den Realkursen Gym- nasialkurse, die sich auf die höhere Mädchenschule auf- bauten. Aus ihnen gingen 1896 die ersten staatlich ge- prüften Abiturientinnen hervor, die an der Universität Berlin als Hörerinnen zugelassen wurden. Ein halbes Jahr später gründete Dr. Käthe Wind- scheid in Leipzig Gymnasialkurse. Schon 1893 wurde in Karlsruhe in der höheren Mäd- chenschule eine Gymnasialabteilung eingerichtet. Vom 12. Lebensjahre an konnten diese Kurse sechs Jahre hindurch besucht werden; die Vorbereitung fürs Abiturium war also eine analoge dem der Knabengymnasien. Um die gleiche Zeit öffneten sich Knabengymnasien für solche Mädchen, die das Abiturium ablegen wollten. Pforz- heim, Mannheim, Konstanz sind rühmlich vorangegangen. Sobald sich einmal der Staat um die Vorbildung des weiblichen Geschlechts zur Universität bekümmerte, konnte er nicht mehr gut den nächsten Schritt, die Er- öffnung der wissenschaftlichen Bildungsanstalten zurück-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Frauenstudium, betreut von Andreas Neumann und Anna Pfundt, FSU Jena und JLU Gießen : Bereitstellung der Texttranskription. (2022-08-08T09:56:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Dennis Dietrich: Bearbeitung der digitalen Edition. (2022-08-08T09:56:42Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ohr_studentin_1909
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ohr_studentin_1909/5
Zitationshilfe: Ohr, Julie: Die Studentin der Gegenwart. München-Gern, 1909, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ohr_studentin_1909/5>, abgerufen am 03.12.2024.