Suschen abzuhandeln schien!" -- "O!" versetzt da Laura: "er dankte ihr nur, weil sie am Morgen das Grab seines Vaters so schön bekränzt hatte." Aber was er da hörte, war weit entfernt, unsern Schullehrer zu beruhigen, vielmehr brachte es ihn nur noch mehr aus der Fassung und machte für ihn seine schreckliche Ahnung gar zur Gewißheit. Sie liebt ihn! sagte er zu sich -- diese zarte Aufmerksamkeit! wann hätte sie je- mals nur etwas Aehnliches wie dies, für ihn gethan? Nein! ihm scheint es immer gewisser: wann Suschen auch ja etwas für ihn empfunden -- nun hat er sie verloren, seit dieser Johannes wieder in's Dorf ge- kommen. -- Diese Tage seither weicht er ihr nun über- all aus, so hat er sie nicht wiedergesehen und ge- sprochen, er will suchen sie zu vergessen.
Mit dem Vergessen aber geht es bis jetzt ziemlich schlecht, denn während er in den Schulbüchern der Kinder mit rother Tinte herumackert, denkt er dabei im- mer an die rothen Lippen und Wangen Suschens. Jndem er so über der Arbeit sitzt und ein trübseliges Ge- sicht macht, wird heftig an die Thür gepocht, er ruft höflich "herein!" -- Die Thür geht schnell auf und Jo- hannes steht vor ihm.
"Guten Abend! mein lieber Herr Langer!" ruft er herzlich, störe ich auch heute sogar und ich habe bis
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Suschen abzuhandeln ſchien!“ — „O!“ verſetzt da Laura: „er dankte ihr nur, weil ſie am Morgen das Grab ſeines Vaters ſo ſchoͤn bekraͤnzt hatte.“ Aber was er da hoͤrte, war weit entfernt, unſern Schullehrer zu beruhigen, vielmehr brachte es ihn nur noch mehr aus der Faſſung und machte fuͤr ihn ſeine ſchreckliche Ahnung gar zur Gewißheit. Sie liebt ihn! ſagte er zu ſich — dieſe zarte Aufmerkſamkeit! wann haͤtte ſie je- mals nur etwas Aehnliches wie dies, fuͤr ihn gethan? Nein! ihm ſcheint es immer gewiſſer: wann Suschen auch ja etwas fuͤr ihn empfunden — nun hat er ſie verloren, ſeit dieſer Johannes wieder in’s Dorf ge- kommen. — Dieſe Tage ſeither weicht er ihr nun uͤber- all aus, ſo hat er ſie nicht wiedergeſehen und ge- ſprochen, er will ſuchen ſie zu vergeſſen.
Mit dem Vergeſſen aber geht es bis jetzt ziemlich ſchlecht, denn waͤhrend er in den Schulbuͤchern der Kinder mit rother Tinte herumackert, denkt er dabei im- mer an die rothen Lippen und Wangen Suschens. Jndem er ſo uͤber der Arbeit ſitzt und ein truͤbſeliges Ge- ſicht macht, wird heftig an die Thuͤr gepocht, er ruft hoͤflich „herein!“ — Die Thuͤr geht ſchnell auf und Jo- hannes ſteht vor ihm.
„Guten Abend! mein lieber Herr Langer!“ ruft er herzlich, ſtoͤre ich auch heute ſogar und ich habe bis
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Suschen abzuhandeln ſchien!“ — „O!“ verſetzt da
Laura: „er dankte ihr nur, weil ſie am Morgen das
Grab ſeines Vaters ſo ſchoͤn bekraͤnzt hatte.“ Aber was
er da hoͤrte, war weit entfernt, unſern Schullehrer zu
beruhigen, vielmehr brachte es ihn nur noch mehr aus
der Faſſung und machte fuͤr ihn ſeine ſchreckliche
Ahnung gar zur Gewißheit. Sie liebt ihn! ſagte er zu
ſich — dieſe zarte Aufmerkſamkeit! wann haͤtte ſie je-
mals nur etwas Aehnliches wie dies, fuͤr ihn gethan?
Nein! ihm ſcheint es immer gewiſſer: wann Suschen
auch ja etwas fuͤr ihn empfunden — nun hat er ſie
verloren, ſeit dieſer Johannes wieder in’s Dorf ge-
kommen. — Dieſe Tage ſeither weicht er ihr nun uͤber-
all aus, ſo hat er ſie nicht wiedergeſehen und ge-
ſprochen, er will ſuchen ſie zu vergeſſen.
Mit dem Vergeſſen aber geht es bis jetzt ziemlich
ſchlecht, denn waͤhrend er in den Schulbuͤchern der
Kinder mit rother Tinte herumackert, denkt er dabei im-
mer an die rothen Lippen und Wangen Suschens.
Jndem er ſo uͤber der Arbeit ſitzt und ein truͤbſeliges Ge-
ſicht macht, wird heftig an die Thuͤr gepocht, er ruft
hoͤflich „herein!“ — Die Thuͤr geht ſchnell auf und Jo-
hannes ſteht vor ihm.
„Guten Abend! mein lieber Herr Langer!“ ruft
er herzlich, ſtoͤre ich auch heute ſogar und ich habe bis
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/105>, abgerufen am 04.12.2024.
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