paar tüchtige schwarze Stiefeln, mit denen er gewaltig auftreten kann. Neben ihm sitzt der Schulmeister des Dorfes, Karl Langer, ein rechter Mann für's Volk. Zwar sieht er klein und mager aus neben der stattlichen Gestalt des Richters -- aber sähe man ihn unter lau- ter Städtern, würde sein Wuchs noch ganz vollkommen erscheinen und sein munteres Gesicht gegen die bleichen und eingefallnen Wangen, die man an den Stadtherr- leins zu sehen bekommt, gar sehr abstechen. Erst seit einem halben Jahr war Langer hier im Dorfe Schul- lehrer; er ist überhaupt noch ein ganz junger Mann von vier und zwanzig Jahren und als solcher schon zeitig genug in Amt und Würden gekommen. Darum ist er auch noch ohne Hausfrau und deren Stelle ersetzt seine Schwester Laura, die er einstweilen mit zu sich genommen. -- Jetzt also sitzt er in der Schenke gemüthlich unter den Landleuten, die ihm meistens herzlich gut sind. Anfangs zwar haben sie ein wenig scheel ihn kommen sehen, weil er ihnen fast zu fein aussah und sie sich an sein langes, modisch gekämmtes Haar, das in einen Lockenkranz endigte, nicht recht gewöhnen konnten. Aber bald hör- ten sie auf, daran Anstoß zu nehmen, da sie sahen, wie das neue Regiment, das er bei der Schuljugend einführte, ein ganz anderes, namentlich viel besseres war, als das des frühern Schulmeisters. Der hatte
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paar tuͤchtige ſchwarze Stiefeln, mit denen er gewaltig auftreten kann. Neben ihm ſitzt der Schulmeiſter des Dorfes, Karl Langer, ein rechter Mann fuͤr’s Volk. Zwar ſieht er klein und mager aus neben der ſtattlichen Geſtalt des Richters — aber ſaͤhe man ihn unter lau- ter Staͤdtern, wuͤrde ſein Wuchs noch ganz vollkommen erſcheinen und ſein munteres Geſicht gegen die bleichen und eingefallnen Wangen, die man an den Stadtherr- leins zu ſehen bekommt, gar ſehr abſtechen. Erſt ſeit einem halben Jahr war Langer hier im Dorfe Schul- lehrer; er iſt uͤberhaupt noch ein ganz junger Mann von vier und zwanzig Jahren und als ſolcher ſchon zeitig genug in Amt und Wuͤrden gekommen. Darum iſt er auch noch ohne Hausfrau und deren Stelle erſetzt ſeine Schweſter Laura, die er einſtweilen mit zu ſich genommen. — Jetzt alſo ſitzt er in der Schenke gemuͤthlich unter den Landleuten, die ihm meiſtens herzlich gut ſind. Anfangs zwar haben ſie ein wenig ſcheel ihn kommen ſehen, weil er ihnen faſt zu fein ausſah und ſie ſich an ſein langes, modiſch gekaͤmmtes Haar, das in einen Lockenkranz endigte, nicht recht gewoͤhnen konnten. Aber bald hoͤr- ten ſie auf, daran Anſtoß zu nehmen, da ſie ſahen, wie das neue Regiment, das er bei der Schuljugend einfuͤhrte, ein ganz anderes, namentlich viel beſſeres war, als das des fruͤhern Schulmeiſters. Der hatte
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paar tuͤchtige ſchwarze Stiefeln, mit denen er gewaltig
auftreten kann. Neben ihm ſitzt der Schulmeiſter des
Dorfes, Karl Langer, ein rechter Mann fuͤr’s Volk.
Zwar ſieht er klein und mager aus neben der ſtattlichen
Geſtalt des Richters — aber ſaͤhe man ihn unter lau-
ter Staͤdtern, wuͤrde ſein Wuchs noch ganz vollkommen
erſcheinen und ſein munteres Geſicht gegen die bleichen
und eingefallnen Wangen, die man an den Stadtherr-
leins zu ſehen bekommt, gar ſehr abſtechen. Erſt ſeit
einem halben Jahr war Langer hier im Dorfe Schul-
lehrer; er iſt uͤberhaupt noch ein ganz junger Mann von vier
und zwanzig Jahren und als ſolcher ſchon zeitig genug
in Amt und Wuͤrden gekommen. Darum iſt er auch
noch ohne Hausfrau und deren Stelle erſetzt ſeine Schweſter
Laura, die er einſtweilen mit zu ſich genommen. —
Jetzt alſo ſitzt er in der Schenke gemuͤthlich unter den
Landleuten, die ihm meiſtens herzlich gut ſind. Anfangs
zwar haben ſie ein wenig ſcheel ihn kommen ſehen, weil
er ihnen faſt zu fein ausſah und ſie ſich an ſein langes,
modiſch gekaͤmmtes Haar, das in einen Lockenkranz
endigte, nicht recht gewoͤhnen konnten. Aber bald hoͤr-
ten ſie auf, daran Anſtoß zu nehmen, da ſie ſahen,
wie das neue Regiment, das er bei der Schuljugend
einfuͤhrte, ein ganz anderes, namentlich viel beſſeres
war, als das des fruͤhern Schulmeiſters. Der hatte
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/11>, abgerufen am 21.11.2024.
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