immer nur mit dem Stock den Kindern Alles einprägen wollen -- dabei aber lernten sie Nichts und hatten nicht einmal Respekt, geschweige denn Liebe zu ihrem Lehrer; durch das viele Prügeln stumpfte sich ihr Ehrgefühl ab und sie wurden nur immer unbändiger statt gesitteter im täglichen Leben; mit den Fortschritten in der Schule sah es aber noch kläglicher aus. Da ging der Lehrer nicht von dem alten Schlendrian ab und was bei einer einfachen Methode die Kinder in ein paar Wochen hät- ten lernen können, das war ihnen in Jahren kaum bei- zubringen durch die Weise, nach welcher es ihnen vor- getragen ward. Dieser erbärmlichen Wirthschaft hatte nun Langer bald ein Ende gemacht. Freilich, in einem halben Jahre hatte er noch nicht das ganze Un- kraut, das sein Vorgänger gesäet, ausrotten können; aber man sah doch die neue gute Saat schon aufgehen und konnte leicht voraussagen, wie Alles noch besser kommen werde. Die Kinder hatten Liebe zu Langer, und wenn er sich ja einmal genöthigt sah, den Stock zu benutzen bei den Knaben (bei den Mädchen kam es nun schon gleich gar nicht mehr vor) so macht' es in der ganzen Klasse solches Aufsehen, weil es so selten war, daß es der Geschlagene gewiß nicht so bald wieder zu einem neuen Anlaß zum Schlagen kommen ließ. -- Nun gab es schon im Dorf auch einige alte grießgrämige
immer nur mit dem Stock den Kindern Alles einpraͤgen wollen — dabei aber lernten ſie Nichts und hatten nicht einmal Reſpekt, geſchweige denn Liebe zu ihrem Lehrer; durch das viele Pruͤgeln ſtumpfte ſich ihr Ehrgefuͤhl ab und ſie wurden nur immer unbaͤndiger ſtatt geſitteter im taͤglichen Leben; mit den Fortſchritten in der Schule ſah es aber noch klaͤglicher aus. Da ging der Lehrer nicht von dem alten Schlendrian ab und was bei einer einfachen Methode die Kinder in ein paar Wochen haͤt- ten lernen koͤnnen, das war ihnen in Jahren kaum bei- zubringen durch die Weiſe, nach welcher es ihnen vor- getragen ward. Dieſer erbaͤrmlichen Wirthſchaft hatte nun Langer bald ein Ende gemacht. Freilich, in einem halben Jahre hatte er noch nicht das ganze Un- kraut, das ſein Vorgaͤnger geſaͤet, ausrotten koͤnnen; aber man ſah doch die neue gute Saat ſchon aufgehen und konnte leicht vorausſagen, wie Alles noch beſſer kommen werde. Die Kinder hatten Liebe zu Langer, und wenn er ſich ja einmal genoͤthigt ſah, den Stock zu benutzen bei den Knaben (bei den Maͤdchen kam es nun ſchon gleich gar nicht mehr vor) ſo macht’ es in der ganzen Klaſſe ſolches Aufſehen, weil es ſo ſelten war, daß es der Geſchlagene gewiß nicht ſo bald wieder zu einem neuen Anlaß zum Schlagen kommen ließ. — Nun gab es ſchon im Dorf auch einige alte grießgraͤmige
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immer nur mit dem Stock den Kindern Alles einpraͤgen
wollen — dabei aber lernten ſie Nichts und hatten nicht
einmal Reſpekt, geſchweige denn Liebe zu ihrem Lehrer;
durch das viele Pruͤgeln ſtumpfte ſich ihr Ehrgefuͤhl ab
und ſie wurden nur immer unbaͤndiger ſtatt geſitteter im
taͤglichen Leben; mit den Fortſchritten in der Schule
ſah es aber noch klaͤglicher aus. Da ging der Lehrer
nicht von dem alten Schlendrian ab und was bei einer
einfachen Methode die Kinder in ein paar Wochen haͤt-
ten lernen koͤnnen, das war ihnen in Jahren kaum bei-
zubringen durch die Weiſe, nach welcher es ihnen vor-
getragen ward. Dieſer erbaͤrmlichen Wirthſchaft hatte
nun Langer bald ein Ende gemacht. Freilich, in
einem halben Jahre hatte er noch nicht das ganze Un-
kraut, das ſein Vorgaͤnger geſaͤet, ausrotten koͤnnen;
aber man ſah doch die neue gute Saat ſchon aufgehen
und konnte leicht vorausſagen, wie Alles noch beſſer
kommen werde. Die Kinder hatten Liebe zu Langer,
und wenn er ſich ja einmal genoͤthigt ſah, den Stock
zu benutzen bei den Knaben (bei den Maͤdchen kam es
nun ſchon gleich gar nicht mehr vor) ſo macht’ es in
der ganzen Klaſſe ſolches Aufſehen, weil es ſo ſelten
war, daß es der Geſchlagene gewiß nicht ſo bald wieder
zu einem neuen Anlaß zum Schlagen kommen ließ. —
Nun gab es ſchon im Dorf auch einige alte grießgraͤmige
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/12>, abgerufen am 03.12.2024.
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