hatte, weder Jung noch Alt, weder Mann noch Weib. Die Mädchen flohen überall, wo er sich blicken ließ, weil er oft unzüchtige Reden führte und in aller Weise zu- dringlich war; die Burschen gingen ihm aber auch gern aus dem Wege, weil er stets Händel anfing und am lieb- sten gleich drein schlug. Weil er aber viel Geld hatte, zu Zeiten Etwas aufgehen ließ und seine Kameraden frei hielt, so hatte er dennoch einen gewissen Anhang. Sein Vater galt für einen sehr klugen und erfahrenen Mann -- an der Erziehung seiner Kinder hatte er aber diese Klug- heit nicht bewiesen, denn auch seine Tochter war eben so mißrathen als der Sohn -- aber kurz, er galt für sehr klug, war vielleicht auch dadurch in dies Renomme ge- kommen, weil er erstens seine Klugheit überall auszu- kramen suchte und selbst damit prahlte, und zweitens, weil er sich allmählig ein großes Vermögen erworben; allein wie Alles dabei und damit zugegangen, wußte man auch nicht, man raunte sich zwar allerhand darüber in die Ohren, konnte aber nichts beweisen, und so blieb es bei dem stillen Gemunkele, indeß man öffentlich dem Herrn Damme mit der größten Achtung und Zuvor- kommenheit begegnete. Nur einige Wenige im Dorf hatten sich davon nicht anstecken lassen, dazu gehörte auch Traugott. Er war jetzt auch in der Schenke, saß aber mit ein paar andern Bauern an einem andern entfernten Tisch.
hatte, weder Jung noch Alt, weder Mann noch Weib. Die Maͤdchen flohen uͤberall, wo er ſich blicken ließ, weil er oft unzuͤchtige Reden fuͤhrte und in aller Weiſe zu- dringlich war; die Burſchen gingen ihm aber auch gern aus dem Wege, weil er ſtets Haͤndel anfing und am lieb- ſten gleich drein ſchlug. Weil er aber viel Geld hatte, zu Zeiten Etwas aufgehen ließ und ſeine Kameraden frei hielt, ſo hatte er dennoch einen gewiſſen Anhang. Sein Vater galt fuͤr einen ſehr klugen und erfahrenen Mann — an der Erziehung ſeiner Kinder hatte er aber dieſe Klug- heit nicht bewieſen, denn auch ſeine Tochter war eben ſo mißrathen als der Sohn — aber kurz, er galt fuͤr ſehr klug, war vielleicht auch dadurch in dies Renomme ge- kommen, weil er erſtens ſeine Klugheit uͤberall auszu- kramen ſuchte und ſelbſt damit prahlte, und zweitens, weil er ſich allmaͤhlig ein großes Vermoͤgen erworben; allein wie Alles dabei und damit zugegangen, wußte man auch nicht, man raunte ſich zwar allerhand daruͤber in die Ohren, konnte aber nichts beweiſen, und ſo blieb es bei dem ſtillen Gemunkele, indeß man oͤffentlich dem Herrn Damme mit der groͤßten Achtung und Zuvor- kommenheit begegnete. Nur einige Wenige im Dorf hatten ſich davon nicht anſtecken laſſen, dazu gehoͤrte auch Traugott. Er war jetzt auch in der Schenke, ſaß aber mit ein paar andern Bauern an einem andern entfernten Tiſch.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0134"n="126"/>
hatte, weder Jung noch Alt, weder Mann noch Weib.<lb/>
Die Maͤdchen flohen uͤberall, wo er ſich blicken ließ, weil<lb/>
er oft unzuͤchtige Reden fuͤhrte und in aller Weiſe zu-<lb/>
dringlich war; die Burſchen gingen ihm aber auch gern<lb/>
aus dem Wege, weil er ſtets Haͤndel anfing und am lieb-<lb/>ſten gleich drein ſchlug. Weil er aber viel Geld hatte,<lb/>
zu Zeiten Etwas aufgehen ließ und ſeine Kameraden frei<lb/>
hielt, ſo hatte er dennoch einen gewiſſen Anhang. Sein<lb/>
Vater galt fuͤr einen ſehr klugen und erfahrenen Mann —<lb/>
an der Erziehung ſeiner Kinder hatte er aber dieſe Klug-<lb/>
heit nicht bewieſen, denn auch ſeine Tochter war eben ſo<lb/>
mißrathen als der Sohn — aber kurz, er galt fuͤr ſehr<lb/>
klug, war vielleicht auch dadurch in dies Renomme ge-<lb/>
kommen, weil er erſtens ſeine Klugheit uͤberall auszu-<lb/>
kramen ſuchte und ſelbſt damit prahlte, und zweitens,<lb/>
weil er ſich allmaͤhlig ein großes Vermoͤgen erworben;<lb/>
allein wie Alles dabei und damit zugegangen, wußte man<lb/>
auch nicht, man raunte ſich zwar allerhand daruͤber in<lb/>
die Ohren, konnte aber nichts beweiſen, und ſo blieb<lb/>
es bei dem ſtillen Gemunkele, indeß man oͤffentlich dem<lb/>
Herrn Damme mit der groͤßten Achtung und Zuvor-<lb/>
kommenheit begegnete. Nur einige Wenige im Dorf<lb/>
hatten ſich davon nicht anſtecken laſſen, dazu gehoͤrte auch<lb/>
Traugott. Er war jetzt auch in der Schenke, ſaß aber mit ein<lb/>
paar andern Bauern an einem andern entfernten Tiſch.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[126/0134]
hatte, weder Jung noch Alt, weder Mann noch Weib.
Die Maͤdchen flohen uͤberall, wo er ſich blicken ließ, weil
er oft unzuͤchtige Reden fuͤhrte und in aller Weiſe zu-
dringlich war; die Burſchen gingen ihm aber auch gern
aus dem Wege, weil er ſtets Haͤndel anfing und am lieb-
ſten gleich drein ſchlug. Weil er aber viel Geld hatte,
zu Zeiten Etwas aufgehen ließ und ſeine Kameraden frei
hielt, ſo hatte er dennoch einen gewiſſen Anhang. Sein
Vater galt fuͤr einen ſehr klugen und erfahrenen Mann —
an der Erziehung ſeiner Kinder hatte er aber dieſe Klug-
heit nicht bewieſen, denn auch ſeine Tochter war eben ſo
mißrathen als der Sohn — aber kurz, er galt fuͤr ſehr
klug, war vielleicht auch dadurch in dies Renomme ge-
kommen, weil er erſtens ſeine Klugheit uͤberall auszu-
kramen ſuchte und ſelbſt damit prahlte, und zweitens,
weil er ſich allmaͤhlig ein großes Vermoͤgen erworben;
allein wie Alles dabei und damit zugegangen, wußte man
auch nicht, man raunte ſich zwar allerhand daruͤber in
die Ohren, konnte aber nichts beweiſen, und ſo blieb
es bei dem ſtillen Gemunkele, indeß man oͤffentlich dem
Herrn Damme mit der groͤßten Achtung und Zuvor-
kommenheit begegnete. Nur einige Wenige im Dorf
hatten ſich davon nicht anſtecken laſſen, dazu gehoͤrte auch
Traugott. Er war jetzt auch in der Schenke, ſaß aber mit ein
paar andern Bauern an einem andern entfernten Tiſch.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/134>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.