"Nun sagt einmal, Herr Förster," begann der Wirth, "was meint denn Jhr dazu, daß jetzt in der Burg solches Leben ist und der Graf dem Johannes er- laubt hat, in den Thurm zu ziehen? Seit Menschenge- denken ist dergleichen nicht erlebt worden! Der Vogt hatte strengen Befehl, keinen Menschen, er sei hoch oder gering, in dem Thurm wohnen zu lassen; einmal hatte sich so ein verrückter Engländer herverlaufen, der durch- aus auf ein paar Wochen hineinziehen wollte und wer weiß wie viel dafür bot -- der Vogt schrieb an den Gra- fen, er dachte auch einen Schlag zu machen, ward aber abschläglich beschieden -- und nun ist's diesem wilden Jun- gen, der vom Dorfe selber ist, so mir Nichts dir Nichts erlaubt worden. Jch glaube noch gar nicht, daß der Brief vom Grafen selber ist -- so ein Vagabund, wie der Johannes sein mag, ist am Ende zu Allem fähig."
"Das dachte ich auch," sagte der Förster, "und be- suchte deshalb heute Morgen den Vogt, um mir den Brief zeigen zu lassen -- aber es war wahrhaftig Hand und Siegel des Herren Grafen, die kenne ich genau. Das war auch noch nicht genug, wie ich dort sitze, bringt der Postbote just noch einen Brief des Herrn Grafen, was meint Jhr wohl, was darin stand?"
"Nun?" fragten Alle gespannt. --
"Da stand: der Johannes sei nun doch wohl ange-
„Nun ſagt einmal, Herr Foͤrſter,“ begann der Wirth, „was meint denn Jhr dazu, daß jetzt in der Burg ſolches Leben iſt und der Graf dem Johannes er- laubt hat, in den Thurm zu ziehen? Seit Menſchenge- denken iſt dergleichen nicht erlebt worden! Der Vogt hatte ſtrengen Befehl, keinen Menſchen, er ſei hoch oder gering, in dem Thurm wohnen zu laſſen; einmal hatte ſich ſo ein verruͤckter Englaͤnder herverlaufen, der durch- aus auf ein paar Wochen hineinziehen wollte und wer weiß wie viel dafuͤr bot — der Vogt ſchrieb an den Gra- fen, er dachte auch einen Schlag zu machen, ward aber abſchlaͤglich beſchieden — und nun iſt’s dieſem wilden Jun- gen, der vom Dorfe ſelber iſt, ſo mir Nichts dir Nichts erlaubt worden. Jch glaube noch gar nicht, daß der Brief vom Grafen ſelber iſt — ſo ein Vagabund, wie der Johannes ſein mag, iſt am Ende zu Allem faͤhig.“
„Das dachte ich auch,“ ſagte der Foͤrſter, „und be- ſuchte deshalb heute Morgen den Vogt, um mir den Brief zeigen zu laſſen — aber es war wahrhaftig Hand und Siegel des Herren Grafen, die kenne ich genau. Das war auch noch nicht genug, wie ich dort ſitze, bringt der Poſtbote juſt noch einen Brief des Herrn Grafen, was meint Jhr wohl, was darin ſtand?“
„Nun?“ fragten Alle geſpannt. —
„Da ſtand: der Johannes ſei nun doch wohl ange-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0135"n="127"/><p>„Nun ſagt einmal, Herr Foͤrſter,“ begann der<lb/>
Wirth, „was meint denn Jhr dazu, daß jetzt in der<lb/>
Burg ſolches Leben iſt und der Graf dem Johannes er-<lb/>
laubt hat, in den Thurm zu ziehen? Seit Menſchenge-<lb/>
denken iſt dergleichen nicht erlebt worden! Der Vogt<lb/>
hatte ſtrengen Befehl, keinen Menſchen, er ſei hoch oder<lb/>
gering, in dem Thurm wohnen zu laſſen; einmal hatte<lb/>ſich ſo ein verruͤckter Englaͤnder herverlaufen, der durch-<lb/>
aus auf ein paar Wochen hineinziehen wollte und wer<lb/>
weiß wie viel dafuͤr bot — der Vogt ſchrieb an den Gra-<lb/>
fen, er dachte auch einen Schlag zu machen, ward aber<lb/>
abſchlaͤglich beſchieden — und nun iſt’s dieſem wilden Jun-<lb/>
gen, der vom Dorfe ſelber iſt, ſo mir Nichts dir Nichts<lb/>
erlaubt worden. Jch glaube noch gar nicht, daß der<lb/>
Brief vom Grafen ſelber iſt —ſo ein Vagabund, wie<lb/>
der Johannes ſein mag, iſt am Ende zu Allem faͤhig.“</p><lb/><p>„Das dachte ich auch,“ſagte der Foͤrſter, „und be-<lb/>ſuchte deshalb heute Morgen den Vogt, um mir den<lb/>
Brief zeigen zu laſſen — aber es war wahrhaftig Hand<lb/>
und Siegel des Herren Grafen, die kenne ich genau.<lb/>
Das war auch noch nicht genug, wie ich dort ſitze, bringt<lb/>
der Poſtbote juſt noch einen Brief des Herrn Grafen,<lb/>
was meint Jhr wohl, was darin ſtand?“</p><lb/><p>„Nun?“ fragten Alle geſpannt. —</p><lb/><p>„Da ſtand: der Johannes ſei nun doch wohl ange-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[127/0135]
„Nun ſagt einmal, Herr Foͤrſter,“ begann der
Wirth, „was meint denn Jhr dazu, daß jetzt in der
Burg ſolches Leben iſt und der Graf dem Johannes er-
laubt hat, in den Thurm zu ziehen? Seit Menſchenge-
denken iſt dergleichen nicht erlebt worden! Der Vogt
hatte ſtrengen Befehl, keinen Menſchen, er ſei hoch oder
gering, in dem Thurm wohnen zu laſſen; einmal hatte
ſich ſo ein verruͤckter Englaͤnder herverlaufen, der durch-
aus auf ein paar Wochen hineinziehen wollte und wer
weiß wie viel dafuͤr bot — der Vogt ſchrieb an den Gra-
fen, er dachte auch einen Schlag zu machen, ward aber
abſchlaͤglich beſchieden — und nun iſt’s dieſem wilden Jun-
gen, der vom Dorfe ſelber iſt, ſo mir Nichts dir Nichts
erlaubt worden. Jch glaube noch gar nicht, daß der
Brief vom Grafen ſelber iſt — ſo ein Vagabund, wie
der Johannes ſein mag, iſt am Ende zu Allem faͤhig.“
„Das dachte ich auch,“ ſagte der Foͤrſter, „und be-
ſuchte deshalb heute Morgen den Vogt, um mir den
Brief zeigen zu laſſen — aber es war wahrhaftig Hand
und Siegel des Herren Grafen, die kenne ich genau.
Das war auch noch nicht genug, wie ich dort ſitze, bringt
der Poſtbote juſt noch einen Brief des Herrn Grafen,
was meint Jhr wohl, was darin ſtand?“
„Nun?“ fragten Alle geſpannt. —
„Da ſtand: der Johannes ſei nun doch wohl ange-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/135>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.