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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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nicht und ging schnell mit Suschen weiter. Sie hatte
sich an seinen Arm gehangen, sah erhitzt aus und wußte
sich kaum aufrecht zu erhalten. Er sprach auch kein
Wort mit ihr, weil er sie nicht noch mehr in Verlegen-
heit bringen wollte. So waren sie in die Dorfgasse ge-
kommen, in welcher der Richter wohnte. -- Die Lichter
drinnen waren schon alle ausgelöscht.

"Sie haben nicht gewußt, daß ich weggegangen,"
sagte Suschen, "am Ende sind sie Alle zur Ruhe und
das Thor ist zu."

Johannes klinkte und brachte nicht auf, Suschen
probirte auch, das Thor war wirklich verriegelt. Drin-
nen aber fing der Kettenhund, der losgelassen war, ein
großes Geheul an und zeigte seine grimmigen Zähne
durch eine Lücke an der Thürschwelle. Suschen stand
rathlos da, "wie sich entschuldigen," sagte sie zu Johan-
nes, "mir war den ganzen Tag so eigen zu Muthe, das
Herz so schwer, ich wußte nicht von was -- da dacht'
ich, wenn ich auf den Kirchhof geh' an der guten Mutter
Grab, da wird es gewiß besser -- weil ich nun das
Fragen nicht erst mochte was mir fehle und derlei mehr,
schlich ich mich leise fort, wie es schon dämmrig zu wer-
den begann -- draußen ist mir nun die Dunkelheit über
den Hals gekommen -- und das Weitere wissen Sie
ja -- wär' ich nur hinein!"

nicht und ging ſchnell mit Suschen weiter. Sie hatte
ſich an ſeinen Arm gehangen, ſah erhitzt aus und wußte
ſich kaum aufrecht zu erhalten. Er ſprach auch kein
Wort mit ihr, weil er ſie nicht noch mehr in Verlegen-
heit bringen wollte. So waren ſie in die Dorfgaſſe ge-
kommen, in welcher der Richter wohnte. — Die Lichter
drinnen waren ſchon alle ausgeloͤſcht.

„Sie haben nicht gewußt, daß ich weggegangen,“
ſagte Suschen, „am Ende ſind ſie Alle zur Ruhe und
das Thor iſt zu.“

Johannes klinkte und brachte nicht auf, Suschen
probirte auch, das Thor war wirklich verriegelt. Drin-
nen aber fing der Kettenhund, der losgelaſſen war, ein
großes Geheul an und zeigte ſeine grimmigen Zaͤhne
durch eine Luͤcke an der Thuͤrſchwelle. Suschen ſtand
rathlos da, „wie ſich entſchuldigen,“ ſagte ſie zu Johan-
nes, „mir war den ganzen Tag ſo eigen zu Muthe, das
Herz ſo ſchwer, ich wußte nicht von was — da dacht’
ich, wenn ich auf den Kirchhof geh’ an der guten Mutter
Grab, da wird es gewiß beſſer — weil ich nun das
Fragen nicht erſt mochte was mir fehle und derlei mehr,
ſchlich ich mich leiſe fort, wie es ſchon daͤmmrig zu wer-
den begann — draußen iſt mir nun die Dunkelheit uͤber
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[154/0162] nicht und ging ſchnell mit Suschen weiter. Sie hatte ſich an ſeinen Arm gehangen, ſah erhitzt aus und wußte ſich kaum aufrecht zu erhalten. Er ſprach auch kein Wort mit ihr, weil er ſie nicht noch mehr in Verlegen- heit bringen wollte. So waren ſie in die Dorfgaſſe ge- kommen, in welcher der Richter wohnte. — Die Lichter drinnen waren ſchon alle ausgeloͤſcht. „Sie haben nicht gewußt, daß ich weggegangen,“ ſagte Suschen, „am Ende ſind ſie Alle zur Ruhe und das Thor iſt zu.“ Johannes klinkte und brachte nicht auf, Suschen probirte auch, das Thor war wirklich verriegelt. Drin- nen aber fing der Kettenhund, der losgelaſſen war, ein großes Geheul an und zeigte ſeine grimmigen Zaͤhne durch eine Luͤcke an der Thuͤrſchwelle. Suschen ſtand rathlos da, „wie ſich entſchuldigen,“ ſagte ſie zu Johan- nes, „mir war den ganzen Tag ſo eigen zu Muthe, das Herz ſo ſchwer, ich wußte nicht von was — da dacht’ ich, wenn ich auf den Kirchhof geh’ an der guten Mutter Grab, da wird es gewiß beſſer — weil ich nun das Fragen nicht erſt mochte was mir fehle und derlei mehr, ſchlich ich mich leiſe fort, wie es ſchon daͤmmrig zu wer- den begann — draußen iſt mir nun die Dunkelheit uͤber den Hals gekommen — und das Weitere wiſſen Sie ja — waͤr’ ich nur hinein!“

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/162>, abgerufen am 27.11.2024.