Er quälte sich immer wieder mit dem Gedanken an Suschen und Johannes. Ja, wenn sie nur auch glück- lich würde, meint' er -- aber war sie denn diesem Jo- hannes nicht vielleicht nur ein Spielzeug, das er wegwer- fen werde, wenn er es satt habe oder wenn er gehe? Nur diesen Sommer wollte er hier auf dem Dorf blei- ben -- so lange meint' er, werde vielleicht sein Liebesspiel dauern, er werde die Liebe des Mädchens auch nicht an- ders betrachten, als wie eine Sommerblume, die er pflük- ken und brechen dürfe und dann wegwerfen, wenn er sie genug betrachtet und sie ihm langweilig geworden. Konnte und wollte Johannes heirathen? Wovon wollte ein armer Dichter, der sich auf gut Glück nur so in der Welt herumtrieb seine Frau ernähren? Und werde Sus- chen nicht unglücklich sein und werden in den großen Städten, in die sie dann Johannes mit sich führen müsse, weit weg von ihrem stillen Heimathdorf, unter lauter fremde Menschen, die doch wohl mit Verachtung und Hochmuth auf das arme Landmädchen herabsehen wür- den? -- Das war es, was unsern Schulmeister zumeist quälte und so hoch er selbst Johannes schätzte, er hätte doch lieber Suschen mit mehr Ruhe an der Seite des ärmsten Bauerburschen gesehen als an der des Dichters! --
Es vergingen einige Tage, in denen er gar nicht aus- ging und weder Suschen noch Johannes sah. Laura
Er quaͤlte ſich immer wieder mit dem Gedanken an Suschen und Johannes. Ja, wenn ſie nur auch gluͤck- lich wuͤrde, meint’ er — aber war ſie denn dieſem Jo- hannes nicht vielleicht nur ein Spielzeug, das er wegwer- fen werde, wenn er es ſatt habe oder wenn er gehe? Nur dieſen Sommer wollte er hier auf dem Dorf blei- ben — ſo lange meint’ er, werde vielleicht ſein Liebesſpiel dauern, er werde die Liebe des Maͤdchens auch nicht an- ders betrachten, als wie eine Sommerblume, die er pfluͤk- ken und brechen duͤrfe und dann wegwerfen, wenn er ſie genug betrachtet und ſie ihm langweilig geworden. Konnte und wollte Johannes heirathen? Wovon wollte ein armer Dichter, der ſich auf gut Gluͤck nur ſo in der Welt herumtrieb ſeine Frau ernaͤhren? Und werde Sus- chen nicht ungluͤcklich ſein und werden in den großen Staͤdten, in die ſie dann Johannes mit ſich fuͤhren muͤſſe, weit weg von ihrem ſtillen Heimathdorf, unter lauter fremde Menſchen, die doch wohl mit Verachtung und Hochmuth auf das arme Landmaͤdchen herabſehen wuͤr- den? — Das war es, was unſern Schulmeiſter zumeiſt quaͤlte und ſo hoch er ſelbſt Johannes ſchaͤtzte, er haͤtte doch lieber Suschen mit mehr Ruhe an der Seite des aͤrmſten Bauerburſchen geſehen als an der des Dichters! —
Es vergingen einige Tage, in denen er gar nicht aus- ging und weder Suschen noch Johannes ſah. Laura
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Er quaͤlte ſich immer wieder mit dem Gedanken an
Suschen und Johannes. Ja, wenn ſie nur auch gluͤck-
lich wuͤrde, meint’ er — aber war ſie denn dieſem Jo-
hannes nicht vielleicht nur ein Spielzeug, das er wegwer-
fen werde, wenn er es ſatt habe oder wenn er gehe?
Nur dieſen Sommer wollte er hier auf dem Dorf blei-
ben — ſo lange meint’ er, werde vielleicht ſein Liebesſpiel
dauern, er werde die Liebe des Maͤdchens auch nicht an-
ders betrachten, als wie eine Sommerblume, die er pfluͤk-
ken und brechen duͤrfe und dann wegwerfen, wenn er ſie
genug betrachtet und ſie ihm langweilig geworden.
Konnte und wollte Johannes heirathen? Wovon wollte
ein armer Dichter, der ſich auf gut Gluͤck nur ſo in der
Welt herumtrieb ſeine Frau ernaͤhren? Und werde Sus-
chen nicht ungluͤcklich ſein und werden in den großen
Staͤdten, in die ſie dann Johannes mit ſich fuͤhren muͤſſe,
weit weg von ihrem ſtillen Heimathdorf, unter lauter
fremde Menſchen, die doch wohl mit Verachtung und
Hochmuth auf das arme Landmaͤdchen herabſehen wuͤr-
den? — Das war es, was unſern Schulmeiſter zumeiſt
quaͤlte und ſo hoch er ſelbſt Johannes ſchaͤtzte, er haͤtte
doch lieber Suschen mit mehr Ruhe an der Seite des
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/177>, abgerufen am 25.11.2024.
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