vom Himmel fällt, sondern mühsam gepflegt und erwor- ben sein will, so suchen wir das Unsrige zu thun!"
"Sie sehen"" sagte unser Schulmeister, "ich bin zu Allem bereit. Jch frage nicht mehr, wie bei unsrer ersten Unterredung: übereilen wir auch Nichts? gehen wir nicht zu hastig zu Werke? dürfen wir auch dem Ungestüm un- srer Jugend vertrauen?" --
Da hatten es nun die Beiden verabredet, daß aus der nächsten Stadt, in der sie Bekannte hatten und ein Turnverein bestand, einige Turner zu ihnen kommen sollten, um sich selbst mit Turnen zu belustigen, den Bur- schen des Dorf's dadurch auch Lust dazu zu machen. Der Pfarrer war mit in's Geheimniß gezogen worden. Er hatte Johannes freundschaftlich auf die Schulter geklopft und gesagt: "Jch wollte, das ganze Dorf lernte Turnen, Klein und Groß, damit wir zu gesun- den, starken Menschen kämen und wieder ein kräftiges Ge- schlecht aufwachsen sehen, wie es unsre Altvordern auch gewesen! Aber ich bitt' Euch nur, bleibt bei der Sache und vermengt nicht Dinge mit der Leibesübung, die nicht dazu gehören -- und die dann Andre Euch verwehren möchten!"
Johannes wußte, was die Warnung sagen wollte und nahm sie schweigend hin. Er sagte nicht nein, nicht ja. Er kannte die Bedenklichkeit des Alters, er ahnte diese
vom Himmel faͤllt, ſondern muͤhſam gepflegt und erwor- ben ſein will, ſo ſuchen wir das Unſrige zu thun!“
„Sie ſehen„“ ſagte unſer Schulmeiſter, „ich bin zu Allem bereit. Jch frage nicht mehr, wie bei unſrer erſten Unterredung: uͤbereilen wir auch Nichts? gehen wir nicht zu haſtig zu Werke? duͤrfen wir auch dem Ungeſtuͤm un- ſrer Jugend vertrauen?“ —
Da hatten es nun die Beiden verabredet, daß aus der naͤchſten Stadt, in der ſie Bekannte hatten und ein Turnverein beſtand, einige Turner zu ihnen kommen ſollten, um ſich ſelbſt mit Turnen zu beluſtigen, den Bur- ſchen des Dorf’s dadurch auch Luſt dazu zu machen. Der Pfarrer war mit in’s Geheimniß gezogen worden. Er hatte Johannes freundſchaftlich auf die Schulter geklopft und geſagt: „Jch wollte, das ganze Dorf lernte Turnen, Klein und Groß, damit wir zu geſun- den, ſtarken Menſchen kaͤmen und wieder ein kraͤftiges Ge- ſchlecht aufwachſen ſehen, wie es unſre Altvordern auch geweſen! Aber ich bitt’ Euch nur, bleibt bei der Sache und vermengt nicht Dinge mit der Leibesuͤbung, die nicht dazu gehoͤren — und die dann Andre Euch verwehren moͤchten!“
Johannes wußte, was die Warnung ſagen wollte und nahm ſie ſchweigend hin. Er ſagte nicht nein, nicht ja. Er kannte die Bedenklichkeit des Alters, er ahnte dieſe
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vom Himmel faͤllt, ſondern muͤhſam gepflegt und erwor-
ben ſein will, ſo ſuchen wir das Unſrige zu thun!“
„Sie ſehen„“ ſagte unſer Schulmeiſter, „ich bin zu
Allem bereit. Jch frage nicht mehr, wie bei unſrer erſten
Unterredung: uͤbereilen wir auch Nichts? gehen wir nicht
zu haſtig zu Werke? duͤrfen wir auch dem Ungeſtuͤm un-
ſrer Jugend vertrauen?“ —
Da hatten es nun die Beiden verabredet, daß aus
der naͤchſten Stadt, in der ſie Bekannte hatten und ein
Turnverein beſtand, einige Turner zu ihnen kommen
ſollten, um ſich ſelbſt mit Turnen zu beluſtigen, den Bur-
ſchen des Dorf’s dadurch auch Luſt dazu zu machen.
Der Pfarrer war mit in’s Geheimniß gezogen worden.
Er hatte Johannes freundſchaftlich auf die Schulter
geklopft und geſagt: „Jch wollte, das ganze Dorf
lernte Turnen, Klein und Groß, damit wir zu geſun-
den, ſtarken Menſchen kaͤmen und wieder ein kraͤftiges Ge-
ſchlecht aufwachſen ſehen, wie es unſre Altvordern auch
geweſen! Aber ich bitt’ Euch nur, bleibt bei der Sache
und vermengt nicht Dinge mit der Leibesuͤbung, die nicht
dazu gehoͤren — und die dann Andre Euch verwehren
moͤchten!“
Johannes wußte, was die Warnung ſagen wollte und
nahm ſie ſchweigend hin. Er ſagte nicht nein, nicht ja.
Er kannte die Bedenklichkeit des Alters, er ahnte dieſe
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/199>, abgerufen am 23.11.2024.
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