hof. Da waren einige Gräber frisch bekränzt, auch das von Johannes Vater war es. Unser Schulmeister schritt weiter durch die Gräberreihen. Da stand Suschen am Grabe ihrer Mutter, dessen Kreuz sie eben mit Blumen umwunden hatte. Sie neigte sich still über das Kreuz hinweg, aber er konnte doch von Weitem sehen, wie sie blaß und traurig aussah und helle Thränen in den Au- gen hatte. Sie verbarg diese auch nicht, denn sie hatte keine Ahnung davon, daß sie beobachtet sei -- und am Wenigsten von wem. -- Unser Schulmeister sah mit tiefer Bekümmerniß zu ihr hin. Warum weinte sie denn jetzt an den Gräbern in der frühen Morgenstunde dieses Freudentages, an dem Alles jubelte? dann lächelte er bit- ter. Was wird's am Ende sein, sagte er sich, als daß sie einen kleinen Streit mit Johannes gehabt, wie Ver- liebte ihn haben und daß ihr nun ist, als müsse darüber gleich die ganze Welt zu Grunde gehen. Sieht sie ihn aber wieder, so wird Alles wieder gut sein. -- Oder wenn diese Thränen doch ernster wären? dachte er nach einer Weile, da Suschen ganz unbeweglich, wie in sich selbst versunken, an dem Grabe blieb. Wenn sie daran den- ken sollte, wie Alles noch enden könne, müsse, was denn eigentlich ihr Loos für künftig sein werde? -- Jo- hannes hatte ja nur dann und wann einmal den Reigen mit ihr vorgetanzt, er hatte sie weder für seine Braut er-
13 *
hof. Da waren einige Graͤber friſch bekraͤnzt, auch das von Johannes Vater war es. Unſer Schulmeiſter ſchritt weiter durch die Graͤberreihen. Da ſtand Suschen am Grabe ihrer Mutter, deſſen Kreuz ſie eben mit Blumen umwunden hatte. Sie neigte ſich ſtill uͤber das Kreuz hinweg, aber er konnte doch von Weitem ſehen, wie ſie blaß und traurig ausſah und helle Thraͤnen in den Au- gen hatte. Sie verbarg dieſe auch nicht, denn ſie hatte keine Ahnung davon, daß ſie beobachtet ſei — und am Wenigſten von wem. — Unſer Schulmeiſter ſah mit tiefer Bekuͤmmerniß zu ihr hin. Warum weinte ſie denn jetzt an den Graͤbern in der fruͤhen Morgenſtunde dieſes Freudentages, an dem Alles jubelte? dann laͤchelte er bit- ter. Was wird’s am Ende ſein, ſagte er ſich, als daß ſie einen kleinen Streit mit Johannes gehabt, wie Ver- liebte ihn haben und daß ihr nun iſt, als muͤſſe daruͤber gleich die ganze Welt zu Grunde gehen. Sieht ſie ihn aber wieder, ſo wird Alles wieder gut ſein. — Oder wenn dieſe Thraͤnen doch ernſter waͤren? dachte er nach einer Weile, da Suschen ganz unbeweglich, wie in ſich ſelbſt verſunken, an dem Grabe blieb. Wenn ſie daran den- ken ſollte, wie Alles noch enden koͤnne, muͤſſe, was denn eigentlich ihr Loos fuͤr kuͤnftig ſein werde? — Jo- hannes hatte ja nur dann und wann einmal den Reigen mit ihr vorgetanzt, er hatte ſie weder fuͤr ſeine Braut er-
13 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0203"n="195"/>
hof. Da waren einige Graͤber friſch bekraͤnzt, auch das<lb/>
von Johannes Vater war es. Unſer Schulmeiſter ſchritt<lb/>
weiter durch die Graͤberreihen. Da ſtand Suschen am<lb/>
Grabe ihrer Mutter, deſſen Kreuz ſie eben mit Blumen<lb/>
umwunden hatte. Sie neigte ſich ſtill uͤber das Kreuz<lb/>
hinweg, aber er konnte doch von Weitem ſehen, wie ſie<lb/>
blaß und traurig ausſah und helle Thraͤnen in den Au-<lb/>
gen hatte. Sie verbarg dieſe auch nicht, denn ſie hatte<lb/>
keine Ahnung davon, daß ſie beobachtet ſei — und am<lb/>
Wenigſten von wem. — Unſer Schulmeiſter ſah mit<lb/>
tiefer Bekuͤmmerniß zu ihr hin. Warum weinte ſie denn<lb/>
jetzt an den Graͤbern in der fruͤhen Morgenſtunde dieſes<lb/>
Freudentages, an dem Alles jubelte? dann laͤchelte er bit-<lb/>
ter. Was wird’s am Ende ſein, ſagte er ſich, als daß<lb/>ſie einen kleinen Streit mit Johannes gehabt, wie Ver-<lb/>
liebte ihn haben und daß ihr nun iſt, als muͤſſe daruͤber<lb/>
gleich die ganze Welt zu Grunde gehen. Sieht ſie ihn<lb/>
aber wieder, ſo wird Alles wieder gut ſein. — Oder wenn<lb/>
dieſe Thraͤnen doch ernſter waͤren? dachte er nach einer<lb/>
Weile, da Suschen ganz unbeweglich, wie in ſich ſelbſt<lb/>
verſunken, an dem Grabe blieb. Wenn ſie daran den-<lb/>
ken ſollte, wie Alles noch enden koͤnne, muͤſſe, was<lb/>
denn eigentlich ihr Loos fuͤr kuͤnftig ſein werde? — Jo-<lb/>
hannes hatte ja nur dann und wann einmal den Reigen<lb/>
mit ihr vorgetanzt, er hatte ſie weder fuͤr ſeine Braut er-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">13 *</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[195/0203]
hof. Da waren einige Graͤber friſch bekraͤnzt, auch das
von Johannes Vater war es. Unſer Schulmeiſter ſchritt
weiter durch die Graͤberreihen. Da ſtand Suschen am
Grabe ihrer Mutter, deſſen Kreuz ſie eben mit Blumen
umwunden hatte. Sie neigte ſich ſtill uͤber das Kreuz
hinweg, aber er konnte doch von Weitem ſehen, wie ſie
blaß und traurig ausſah und helle Thraͤnen in den Au-
gen hatte. Sie verbarg dieſe auch nicht, denn ſie hatte
keine Ahnung davon, daß ſie beobachtet ſei — und am
Wenigſten von wem. — Unſer Schulmeiſter ſah mit
tiefer Bekuͤmmerniß zu ihr hin. Warum weinte ſie denn
jetzt an den Graͤbern in der fruͤhen Morgenſtunde dieſes
Freudentages, an dem Alles jubelte? dann laͤchelte er bit-
ter. Was wird’s am Ende ſein, ſagte er ſich, als daß
ſie einen kleinen Streit mit Johannes gehabt, wie Ver-
liebte ihn haben und daß ihr nun iſt, als muͤſſe daruͤber
gleich die ganze Welt zu Grunde gehen. Sieht ſie ihn
aber wieder, ſo wird Alles wieder gut ſein. — Oder wenn
dieſe Thraͤnen doch ernſter waͤren? dachte er nach einer
Weile, da Suschen ganz unbeweglich, wie in ſich ſelbſt
verſunken, an dem Grabe blieb. Wenn ſie daran den-
ken ſollte, wie Alles noch enden koͤnne, muͤſſe, was
denn eigentlich ihr Loos fuͤr kuͤnftig ſein werde? — Jo-
hannes hatte ja nur dann und wann einmal den Reigen
mit ihr vorgetanzt, er hatte ſie weder fuͤr ſeine Braut er-
13 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/203>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.