Wohlgefallen, dann schirmende Wärme für viele lange, kalte Wintertage; wie viel erstarrte Hände könnten sich daran zu neuer Thätigkeit erwärmen! Aber das Alles abgerechnet: so ein Baum lebe auch! er wolle auch sich selbst und sein Lebensziel erfüllen, wie es sein Schöpfer ihm vorgesteckt, er wolle nicht sich opfern lassen, wenn er noch lange nicht einmal die Hälfte seiner Lebenszeit er- reicht habe, er wolle nicht sich opfern lassen von dem Leicht- sinn der Menschen -- er wolle mehr sein als das Spiel- werk ihres eiteln Sinnes! -- Mit dem und viel Aehn- lichem, was unser Schulmeister den Kindern vorsagte, hatte er die kleinen Herzen so gerührt, daß auch die wil- desten Buben ihm versprachen, die jungen Bäume zu ver- schonen. -- Johannes hatte das Sängerchor bearbeitet, das Maiensetzen aufzugeben und der Pfarrer wie der Richter hatten überall nach dem Vorgange unsrer beiden Freunde das Jhrige gethan, dem Wunsche derselben mit ihren eignen Ermahnungen Nachdruck zu geben. Fast Alle hatten's versprochen, da alle die vorgebrachten Gründe den Vernünftigen einleuchteten und alle Mädchen sich bereit erklärten, gern noch einmal so viel Kränze als sonst winden zu wollen, damit nur die schönen Bäumlein ver- schont blieben und dafür an anderm Schmuck bei der Ankunft des heiligen Johannes es nirgends fehle. Nun war der Johannistag gekommen und überall im Dorf
Wohlgefallen, dann ſchirmende Waͤrme fuͤr viele lange, kalte Wintertage; wie viel erſtarrte Haͤnde koͤnnten ſich daran zu neuer Thaͤtigkeit erwaͤrmen! Aber das Alles abgerechnet: ſo ein Baum lebe auch! er wolle auch ſich ſelbſt und ſein Lebensziel erfuͤllen, wie es ſein Schoͤpfer ihm vorgeſteckt, er wolle nicht ſich opfern laſſen, wenn er noch lange nicht einmal die Haͤlfte ſeiner Lebenszeit er- reicht habe, er wolle nicht ſich opfern laſſen von dem Leicht- ſinn der Menſchen — er wolle mehr ſein als das Spiel- werk ihres eiteln Sinnes! — Mit dem und viel Aehn- lichem, was unſer Schulmeiſter den Kindern vorſagte, hatte er die kleinen Herzen ſo geruͤhrt, daß auch die wil- deſten Buben ihm verſprachen, die jungen Baͤume zu ver- ſchonen. — Johannes hatte das Saͤngerchor bearbeitet, das Maienſetzen aufzugeben und der Pfarrer wie der Richter hatten uͤberall nach dem Vorgange unſrer beiden Freunde das Jhrige gethan, dem Wunſche derſelben mit ihren eignen Ermahnungen Nachdruck zu geben. Faſt Alle hatten’s verſprochen, da alle die vorgebrachten Gruͤnde den Vernuͤnftigen einleuchteten und alle Maͤdchen ſich bereit erklaͤrten, gern noch einmal ſo viel Kraͤnze als ſonſt winden zu wollen, damit nur die ſchoͤnen Baͤumlein ver- ſchont blieben und dafuͤr an anderm Schmuck bei der Ankunft des heiligen Johannes es nirgends fehle. Nun war der Johannistag gekommen und uͤberall im Dorf
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[203/0211]
Wohlgefallen, dann ſchirmende Waͤrme fuͤr viele lange,
kalte Wintertage; wie viel erſtarrte Haͤnde koͤnnten ſich
daran zu neuer Thaͤtigkeit erwaͤrmen! Aber das Alles
abgerechnet: ſo ein Baum lebe auch! er wolle auch ſich
ſelbſt und ſein Lebensziel erfuͤllen, wie es ſein Schoͤpfer
ihm vorgeſteckt, er wolle nicht ſich opfern laſſen, wenn er
noch lange nicht einmal die Haͤlfte ſeiner Lebenszeit er-
reicht habe, er wolle nicht ſich opfern laſſen von dem Leicht-
ſinn der Menſchen — er wolle mehr ſein als das Spiel-
werk ihres eiteln Sinnes! — Mit dem und viel Aehn-
lichem, was unſer Schulmeiſter den Kindern vorſagte,
hatte er die kleinen Herzen ſo geruͤhrt, daß auch die wil-
deſten Buben ihm verſprachen, die jungen Baͤume zu ver-
ſchonen. — Johannes hatte das Saͤngerchor bearbeitet,
das Maienſetzen aufzugeben und der Pfarrer wie der
Richter hatten uͤberall nach dem Vorgange unſrer beiden
Freunde das Jhrige gethan, dem Wunſche derſelben mit
ihren eignen Ermahnungen Nachdruck zu geben. Faſt
Alle hatten’s verſprochen, da alle die vorgebrachten Gruͤnde
den Vernuͤnftigen einleuchteten und alle Maͤdchen ſich
bereit erklaͤrten, gern noch einmal ſo viel Kraͤnze als ſonſt
winden zu wollen, damit nur die ſchoͤnen Baͤumlein ver-
ſchont blieben und dafuͤr an anderm Schmuck bei der
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/211>, abgerufen am 23.11.2024.
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