haltet auch einer alten Frau ein Wort zu Gute und denkt, sie redet, wie sie's eben versteht. Jch weiß wohl, daß es eine gute und schöne Sache ist, für die Jhr schreibt, denkt und handelt, denn Jhr seid viel zu edel, einer schlechten Sache zu dienen, da kenn' ich Euch. Aber ihr jungen Männer denkt, weil die ganze Welt Euch noch offen steht, die ganze Welt müsse Euch auch gehören, nämlich im edeln Sinne. Jhr denkt, es sei auch ein Leichtes, die ganze Welt umzugestalten, zu ver- bessern, und das vermag doch nicht Einer allein, wenn er auch noch so klug und gut ist. Jhr tragt nun im- mer nur fertige Volksverbesserungspläne mit Euch im Kopfe herum und denkt, es sei Eure Pflicht, Alles daran zu setzen, was Jhr selber geträumt, in die Wirklichkeit einzuführen. Aber es ist eine eigne Sache damit, das wirkliche Leben ist nicht gefüge und in ihm selber geht es nicht so bunt und rasch zu wie im Traum. Men- schen und Dinge lassen in der Wirklichkeit sich nicht regieren und einrichten wie auf dem Papier. Ein schö- nes Buch könnt Jhr schon aus Euren Gedanken machen, aber ein schönes Leben doch nimmer. Jch sehe auch recht gut, daß nicht Alles ist, wie es sein sollte und ich frage bei manchem Uebel, das ich sehe, wie der liebe Gott so etwas nur zulassen kann; aber ich habe nun genug erfahren, um zu wissen, daß sich das nicht ändern läßt
haltet auch einer alten Frau ein Wort zu Gute und denkt, ſie redet, wie ſie’s eben verſteht. Jch weiß wohl, daß es eine gute und ſchoͤne Sache iſt, fuͤr die Jhr ſchreibt, denkt und handelt, denn Jhr ſeid viel zu edel, einer ſchlechten Sache zu dienen, da kenn’ ich Euch. Aber ihr jungen Maͤnner denkt, weil die ganze Welt Euch noch offen ſteht, die ganze Welt muͤſſe Euch auch gehoͤren, naͤmlich im edeln Sinne. Jhr denkt, es ſei auch ein Leichtes, die ganze Welt umzugeſtalten, zu ver- beſſern, und das vermag doch nicht Einer allein, wenn er auch noch ſo klug und gut iſt. Jhr tragt nun im- mer nur fertige Volksverbeſſerungsplaͤne mit Euch im Kopfe herum und denkt, es ſei Eure Pflicht, Alles daran zu ſetzen, was Jhr ſelber getraͤumt, in die Wirklichkeit einzufuͤhren. Aber es iſt eine eigne Sache damit, das wirkliche Leben iſt nicht gefuͤge und in ihm ſelber geht es nicht ſo bunt und raſch zu wie im Traum. Men- ſchen und Dinge laſſen in der Wirklichkeit ſich nicht regieren und einrichten wie auf dem Papier. Ein ſchoͤ- nes Buch koͤnnt Jhr ſchon aus Euren Gedanken machen, aber ein ſchoͤnes Leben doch nimmer. Jch ſehe auch recht gut, daß nicht Alles iſt, wie es ſein ſollte und ich frage bei manchem Uebel, das ich ſehe, wie der liebe Gott ſo etwas nur zulaſſen kann; aber ich habe nun genug erfahren, um zu wiſſen, daß ſich das nicht aͤndern laͤßt
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0247"n="239"/>
haltet auch einer alten Frau ein Wort zu Gute und<lb/>
denkt, ſie redet, wie ſie’s eben verſteht. Jch weiß wohl,<lb/>
daß es eine gute und ſchoͤne Sache iſt, fuͤr die Jhr<lb/>ſchreibt, denkt und handelt, denn Jhr ſeid viel zu edel,<lb/>
einer ſchlechten Sache zu dienen, da kenn’ ich Euch.<lb/>
Aber ihr jungen Maͤnner denkt, weil die ganze Welt<lb/>
Euch noch offen ſteht, die ganze Welt muͤſſe Euch auch<lb/>
gehoͤren, naͤmlich im edeln Sinne. Jhr denkt, es ſei<lb/>
auch ein Leichtes, die ganze Welt umzugeſtalten, zu ver-<lb/>
beſſern, und das vermag doch nicht Einer allein, wenn<lb/>
er auch noch ſo klug und gut iſt. Jhr tragt nun im-<lb/>
mer nur fertige Volksverbeſſerungsplaͤne mit Euch im<lb/>
Kopfe herum und denkt, es ſei Eure Pflicht, Alles daran<lb/>
zu ſetzen, was Jhr ſelber getraͤumt, in die Wirklichkeit<lb/>
einzufuͤhren. Aber es iſt eine eigne Sache damit, das<lb/>
wirkliche Leben iſt nicht gefuͤge und in ihm ſelber geht<lb/>
es nicht ſo bunt und raſch zu wie im Traum. Men-<lb/>ſchen und Dinge laſſen in der Wirklichkeit ſich nicht<lb/>
regieren und einrichten wie auf dem Papier. Ein ſchoͤ-<lb/>
nes Buch koͤnnt Jhr ſchon aus Euren Gedanken machen,<lb/>
aber ein ſchoͤnes Leben doch nimmer. Jch ſehe auch<lb/>
recht gut, daß nicht Alles iſt, wie es ſein ſollte und ich<lb/>
frage bei manchem Uebel, das ich ſehe, wie der liebe Gott<lb/>ſo etwas nur zulaſſen kann; aber ich habe nun genug<lb/>
erfahren, um zu wiſſen, daß ſich das nicht aͤndern laͤßt<lb/></p></div></body></text></TEI>
[239/0247]
haltet auch einer alten Frau ein Wort zu Gute und
denkt, ſie redet, wie ſie’s eben verſteht. Jch weiß wohl,
daß es eine gute und ſchoͤne Sache iſt, fuͤr die Jhr
ſchreibt, denkt und handelt, denn Jhr ſeid viel zu edel,
einer ſchlechten Sache zu dienen, da kenn’ ich Euch.
Aber ihr jungen Maͤnner denkt, weil die ganze Welt
Euch noch offen ſteht, die ganze Welt muͤſſe Euch auch
gehoͤren, naͤmlich im edeln Sinne. Jhr denkt, es ſei
auch ein Leichtes, die ganze Welt umzugeſtalten, zu ver-
beſſern, und das vermag doch nicht Einer allein, wenn
er auch noch ſo klug und gut iſt. Jhr tragt nun im-
mer nur fertige Volksverbeſſerungsplaͤne mit Euch im
Kopfe herum und denkt, es ſei Eure Pflicht, Alles daran
zu ſetzen, was Jhr ſelber getraͤumt, in die Wirklichkeit
einzufuͤhren. Aber es iſt eine eigne Sache damit, das
wirkliche Leben iſt nicht gefuͤge und in ihm ſelber geht
es nicht ſo bunt und raſch zu wie im Traum. Men-
ſchen und Dinge laſſen in der Wirklichkeit ſich nicht
regieren und einrichten wie auf dem Papier. Ein ſchoͤ-
nes Buch koͤnnt Jhr ſchon aus Euren Gedanken machen,
aber ein ſchoͤnes Leben doch nimmer. Jch ſehe auch
recht gut, daß nicht Alles iſt, wie es ſein ſollte und ich
frage bei manchem Uebel, das ich ſehe, wie der liebe Gott
ſo etwas nur zulaſſen kann; aber ich habe nun genug
erfahren, um zu wiſſen, daß ſich das nicht aͤndern laͤßt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/247>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.