erlaubt -- das machte unserm Pfarrer nur noch bedenk- licher. Er konnte sich von dem Argwohn nicht trennen, daß die Behörden dies nur geschehen ließen, um dann bei einer möglichen Ausartung oder einem an sich unbe- deutenden Vorkommniß Veranlassung zu nehmen, später um so entschiedener und strenger aufzutreten. Es war das innigste Wohlwollen für Johannes und der wärmste Eifer, ihm wahrhaft zu dienen, welcher unsern Pfarrer so unruhig umhertrieb. Wenn er nur wenigstens selbst bei der Sache auch das Allergeringste vermeidet, das ihm Schaden bringen könnte, dacht' er, oder was Böswillige im Stande wären, ihm anders auszulegen als es gemeint ist. Wenn er das Fest nicht verhindern kann, so wär' es am Besten, er hielte sich selbst fern davon oder wäre wenig- stens ganz still dabei -- so dachte unser Pfarrer und wie er nun sah, daß er bei Johannes selbst mit seinen Warnungen Nichts ausrichtete, so fiel ihm wieder jene Stunde ein, wo er Johannes auch in ähnlicher Weise vergeblich ermahnt und er eben bei der Erinnerung an seine Mutter aus tiefstem Herzen gerufen hatte: "Meine Mutter!" dann ganz still geworden war und gar nicht mehr widersprochen hatte. Nur seine Mutter vermag Etwas über ihn sonst Niemand, sagte da unser Pfarrer zu sich selbst und nahm sich vor, mit Mutter Eva zu reden. Dieser Gang ward ihm nicht leicht, denn es that
erlaubt — das machte unſerm Pfarrer nur noch bedenk- licher. Er konnte ſich von dem Argwohn nicht trennen, daß die Behoͤrden dies nur geſchehen ließen, um dann bei einer moͤglichen Ausartung oder einem an ſich unbe- deutenden Vorkommniß Veranlaſſung zu nehmen, ſpaͤter um ſo entſchiedener und ſtrenger aufzutreten. Es war das innigſte Wohlwollen fuͤr Johannes und der waͤrmſte Eifer, ihm wahrhaft zu dienen, welcher unſern Pfarrer ſo unruhig umhertrieb. Wenn er nur wenigſtens ſelbſt bei der Sache auch das Allergeringſte vermeidet, das ihm Schaden bringen koͤnnte, dacht’ er, oder was Boͤswillige im Stande waͤren, ihm anders auszulegen als es gemeint iſt. Wenn er das Feſt nicht verhindern kann, ſo waͤr’ es am Beſten, er hielte ſich ſelbſt fern davon oder waͤre wenig- ſtens ganz ſtill dabei — ſo dachte unſer Pfarrer und wie er nun ſah, daß er bei Johannes ſelbſt mit ſeinen Warnungen Nichts ausrichtete, ſo fiel ihm wieder jene Stunde ein, wo er Johannes auch in aͤhnlicher Weiſe vergeblich ermahnt und er eben bei der Erinnerung an ſeine Mutter aus tiefſtem Herzen gerufen hatte: „Meine Mutter!“ dann ganz ſtill geworden war und gar nicht mehr widerſprochen hatte. Nur ſeine Mutter vermag Etwas uͤber ihn ſonſt Niemand, ſagte da unſer Pfarrer zu ſich ſelbſt und nahm ſich vor, mit Mutter Eva zu reden. Dieſer Gang ward ihm nicht leicht, denn es that
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erlaubt — das machte unſerm Pfarrer nur noch bedenk-
licher. Er konnte ſich von dem Argwohn nicht trennen,
daß die Behoͤrden dies nur geſchehen ließen, um dann
bei einer moͤglichen Ausartung oder einem an ſich unbe-
deutenden Vorkommniß Veranlaſſung zu nehmen, ſpaͤter
um ſo entſchiedener und ſtrenger aufzutreten. Es war
das innigſte Wohlwollen fuͤr Johannes und der waͤrmſte
Eifer, ihm wahrhaft zu dienen, welcher unſern Pfarrer ſo
unruhig umhertrieb. Wenn er nur wenigſtens ſelbſt bei
der Sache auch das Allergeringſte vermeidet, das ihm
Schaden bringen koͤnnte, dacht’ er, oder was Boͤswillige im
Stande waͤren, ihm anders auszulegen als es gemeint iſt.
Wenn er das Feſt nicht verhindern kann, ſo waͤr’ es am
Beſten, er hielte ſich ſelbſt fern davon oder waͤre wenig-
ſtens ganz ſtill dabei — ſo dachte unſer Pfarrer und
wie er nun ſah, daß er bei Johannes ſelbſt mit ſeinen
Warnungen Nichts ausrichtete, ſo fiel ihm wieder jene
Stunde ein, wo er Johannes auch in aͤhnlicher Weiſe
vergeblich ermahnt und er eben bei der Erinnerung an
ſeine Mutter aus tiefſtem Herzen gerufen hatte: „Meine
Mutter!“ dann ganz ſtill geworden war und gar nicht
mehr widerſprochen hatte. Nur ſeine Mutter vermag
Etwas uͤber ihn ſonſt Niemand, ſagte da unſer Pfarrer
zu ſich ſelbſt und nahm ſich vor, mit Mutter Eva zu
reden. Dieſer Gang ward ihm nicht leicht, denn es that
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/257>, abgerufen am 22.11.2024.
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