von ihnen zu träumen und zu denken. Da ist's ihm nun plötzlich, als sei eine große Leere eingetreten -- und wie gesagt, es wird ihm ganz seltsam zu Sinne, sehn- süchtig, wehmüthig und doch wieder gehoben von dem Gedanken, ein Werk vollendet zu haben. Vorher hat er oft wie in fieberhafter Aufregung und langer Anspan- nung seiner ganzen Geisteskräfte gelebt -- jetzt folgt dar- auf die Erschöpfung. So ging es unserm Johannes auch. Ein eigenthümliches, weiches Gefühl hatte sich seiner starken Seele bemächtigt. Jhm war, als müßte er in Liebe die ganze Welt umarmen, und doch hatte er auch wieder das Bedürfniß, einsam zu sein mit der Natur, seiner ältesten und treuesten Freundin. -- Es war aber auch noch ein besonderer Umstand, der für ihn an die Vollendung dieses Buches sich knüpfte. Er hatte so lange in seinem Heimathdorf bleiben wollen, als er daran schriebe. Er wollte es wieder verlassen, wenn er mit dem Buch fertig war; dann mußte er damit wieder in die große Stadt, wo es gedruckt werden sollte und wobei seine Anwesen- heit, wenn auch nicht nothwendig, doch gut war. We- nigstens hatte er es bisher immer so gehalten. Es zog ihn auch wieder hinaus in das größere Leben, aus der stillen Abgeschiedenheit seines Dorfes und er freute sich, alle die Freunde wieder zu begrüßen, von denen er so lange getrennt gewesen war. Es drängte ihn nun wie-
von ihnen zu traͤumen und zu denken. Da iſt’s ihm nun ploͤtzlich, als ſei eine große Leere eingetreten — und wie geſagt, es wird ihm ganz ſeltſam zu Sinne, ſehn- ſuͤchtig, wehmuͤthig und doch wieder gehoben von dem Gedanken, ein Werk vollendet zu haben. Vorher hat er oft wie in fieberhafter Aufregung und langer Anſpan- nung ſeiner ganzen Geiſteskraͤfte gelebt — jetzt folgt dar- auf die Erſchoͤpfung. So ging es unſerm Johannes auch. Ein eigenthuͤmliches, weiches Gefuͤhl hatte ſich ſeiner ſtarken Seele bemaͤchtigt. Jhm war, als muͤßte er in Liebe die ganze Welt umarmen, und doch hatte er auch wieder das Beduͤrfniß, einſam zu ſein mit der Natur, ſeiner aͤlteſten und treueſten Freundin. — Es war aber auch noch ein beſonderer Umſtand, der fuͤr ihn an die Vollendung dieſes Buches ſich knuͤpfte. Er hatte ſo lange in ſeinem Heimathdorf bleiben wollen, als er daran ſchriebe. Er wollte es wieder verlaſſen, wenn er mit dem Buch fertig war; dann mußte er damit wieder in die große Stadt, wo es gedruckt werden ſollte und wobei ſeine Anweſen- heit, wenn auch nicht nothwendig, doch gut war. We- nigſtens hatte er es bisher immer ſo gehalten. Es zog ihn auch wieder hinaus in das groͤßere Leben, aus der ſtillen Abgeſchiedenheit ſeines Dorfes und er freute ſich, alle die Freunde wieder zu begruͤßen, von denen er ſo lange getrennt geweſen war. Es draͤngte ihn nun wie-
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von ihnen zu traͤumen und zu denken. Da iſt’s ihm
nun ploͤtzlich, als ſei eine große Leere eingetreten — und
wie geſagt, es wird ihm ganz ſeltſam zu Sinne, ſehn-
ſuͤchtig, wehmuͤthig und doch wieder gehoben von dem
Gedanken, ein Werk vollendet zu haben. Vorher hat er
oft wie in fieberhafter Aufregung und langer Anſpan-
nung ſeiner ganzen Geiſteskraͤfte gelebt — jetzt folgt dar-
auf die Erſchoͤpfung. So ging es unſerm Johannes
auch. Ein eigenthuͤmliches, weiches Gefuͤhl hatte ſich ſeiner
ſtarken Seele bemaͤchtigt. Jhm war, als muͤßte er in
Liebe die ganze Welt umarmen, und doch hatte er auch
wieder das Beduͤrfniß, einſam zu ſein mit der Natur,
ſeiner aͤlteſten und treueſten Freundin. — Es war aber
auch noch ein beſonderer Umſtand, der fuͤr ihn an die
Vollendung dieſes Buches ſich knuͤpfte. Er hatte ſo lange in
ſeinem Heimathdorf bleiben wollen, als er daran ſchriebe. Er
wollte es wieder verlaſſen, wenn er mit dem Buch fertig
war; dann mußte er damit wieder in die große Stadt,
wo es gedruckt werden ſollte und wobei ſeine Anweſen-
heit, wenn auch nicht nothwendig, doch gut war. We-
nigſtens hatte er es bisher immer ſo gehalten. Es zog
ihn auch wieder hinaus in das groͤßere Leben, aus der
ſtillen Abgeſchiedenheit ſeines Dorfes und er freute ſich,
alle die Freunde wieder zu begruͤßen, von denen er ſo
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/259>, abgerufen am 22.11.2024.
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