zweiflung einmal einen kleinen Fehltritt gethan -- oder gar die, die einmal ein freies Wort reden, wie's ihnen zukommt? möchtet Jhr einen solchen Sohn haben, der da verachtet und gemieden wär' von seines Gleichen, aber bei Denen, die über ihn heißen und sich doch noch was Besseres dünken, nicht schlecht stände? Nein Mutter, ich weiß es ja: Jhr würdet Euch schämen, wenn Jhr einen solchen Sohn hättet und nicht mit Wohlgefallen auf ihn zeigen, wie Jhr's jetzt oft auf mich gethan. Warum es nun da auf einmal ein Unglück nennen, wenn Jhr zu- fällig erfahren, ein paar unsrer reichen Bauern, die größ- ten Gutsbesitzer sind mir gram, und ein Amtsschreiber oder so dergleichen hat übelwollend von mir geredet?"
"Nein Johannes, so ist's ja nicht nur!" nahm Mut- ter Eva wieder das Wort. "Jch sag' es wieder, wie ich's immer sagte: Du redest anders als irgend Einer hier im Dorf und wie's jemals unter uns gehört wor- den. Du sagst Alles so frei heraus, wie Du's denkst und das wird Dir einmal übel bekommen. Jch weiß es nun erst recht: es ist Gefahr bei dem freien Reden, denn die, welche die Macht haben, wollen's so nicht lei- den, und so ist Gefahr für Dich nicht nur hier, sondern überall und je mehr Leute Dich so sprechen hören, je ge- fährlicher ist's, denn da findet sich immer leichter Einer, der das Reden übel auslegt und noch fälschlich berichtet.
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zweiflung einmal einen kleinen Fehltritt gethan — oder gar die, die einmal ein freies Wort reden, wie’s ihnen zukommt? moͤchtet Jhr einen ſolchen Sohn haben, der da verachtet und gemieden waͤr’ von ſeines Gleichen, aber bei Denen, die uͤber ihn heißen und ſich doch noch was Beſſeres duͤnken, nicht ſchlecht ſtaͤnde? Nein Mutter, ich weiß es ja: Jhr wuͤrdet Euch ſchaͤmen, wenn Jhr einen ſolchen Sohn haͤttet und nicht mit Wohlgefallen auf ihn zeigen, wie Jhr’s jetzt oft auf mich gethan. Warum es nun da auf einmal ein Ungluͤck nennen, wenn Jhr zu- faͤllig erfahren, ein paar unſrer reichen Bauern, die groͤß- ten Gutsbeſitzer ſind mir gram, und ein Amtsſchreiber oder ſo dergleichen hat uͤbelwollend von mir geredet?“
„Nein Johannes, ſo iſt’s ja nicht nur!“ nahm Mut- ter Eva wieder das Wort. „Jch ſag’ es wieder, wie ich’s immer ſagte: Du redeſt anders als irgend Einer hier im Dorf und wie’s jemals unter uns gehoͤrt wor- den. Du ſagſt Alles ſo frei heraus, wie Du’s denkſt und das wird Dir einmal uͤbel bekommen. Jch weiß es nun erſt recht: es iſt Gefahr bei dem freien Reden, denn die, welche die Macht haben, wollen’s ſo nicht lei- den, und ſo iſt Gefahr fuͤr Dich nicht nur hier, ſondern uͤberall und je mehr Leute Dich ſo ſprechen hoͤren, je ge- faͤhrlicher iſt’s, denn da findet ſich immer leichter Einer, der das Reden uͤbel auslegt und noch faͤlſchlich berichtet.
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zweiflung einmal einen kleinen Fehltritt gethan — oder
gar die, die einmal ein freies Wort reden, wie’s ihnen
zukommt? moͤchtet Jhr einen ſolchen Sohn haben, der
da verachtet und gemieden waͤr’ von ſeines Gleichen, aber
bei Denen, die uͤber ihn heißen und ſich doch noch was
Beſſeres duͤnken, nicht ſchlecht ſtaͤnde? Nein Mutter, ich
weiß es ja: Jhr wuͤrdet Euch ſchaͤmen, wenn Jhr einen
ſolchen Sohn haͤttet und nicht mit Wohlgefallen auf ihn
zeigen, wie Jhr’s jetzt oft auf mich gethan. Warum es
nun da auf einmal ein Ungluͤck nennen, wenn Jhr zu-
faͤllig erfahren, ein paar unſrer reichen Bauern, die groͤß-
ten Gutsbeſitzer ſind mir gram, und ein Amtsſchreiber
oder ſo dergleichen hat uͤbelwollend von mir geredet?“
„Nein Johannes, ſo iſt’s ja nicht nur!“ nahm Mut-
ter Eva wieder das Wort. „Jch ſag’ es wieder, wie
ich’s immer ſagte: Du redeſt anders als irgend Einer
hier im Dorf und wie’s jemals unter uns gehoͤrt wor-
den. Du ſagſt Alles ſo frei heraus, wie Du’s denkſt
und das wird Dir einmal uͤbel bekommen. Jch weiß
es nun erſt recht: es iſt Gefahr bei dem freien Reden,
denn die, welche die Macht haben, wollen’s ſo nicht lei-
den, und ſo iſt Gefahr fuͤr Dich nicht nur hier, ſondern
uͤberall und je mehr Leute Dich ſo ſprechen hoͤren, je ge-
faͤhrlicher iſt’s, denn da findet ſich immer leichter Einer,
der das Reden uͤbel auslegt und noch faͤlſchlich berichtet.
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/265>, abgerufen am 22.11.2024.
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