der noch dem Vogt den Befehl seines Herrn zu bringem hatte, mit einer Gerichtsperson und einem Gensdarmen zugleich in das Dorf eilte, wo sie gegen Abend ankamen, um Johannes zu verhaften. --
Mutter Eva war, als dies geschah, betäubt zu Boden gesunken. Vor Schreck hatte der Schlag die alte Frau gerührt. Man trug sie in das Haus, Suschen und Katharina waren die ganze Nacht um sie beschäftigt, sie athmete noch -- aber auch der herbeigerufene Arzt ver- mochte sie nicht zu retten. Vielleicht werde sie noch ei- nige Tage leben, sagte er, aber länger nicht.
Die Bestürzung war im ganzen Dorfe gleich. Die fremden Turner, die unter Sang und Klang am Mittag gekommen, waren am Abend ganz still heimgezogen. Es hatte ihnen Niemand das Bleiben verwehrt -- aber der ganzen Burschen, der aus der Stadt eben sowohl wie der aus dem Dorfe, hatte sich eine so tiefe Niedergeschla- genheit bemächtigt über die Gefangennehmung und Be- schimpfung ihres Lieblings Johannes, daß sie nicht im Stande gewesen wären, den Tag so zu beendigen, wie sie es erst im Sinne gehabt. Der Schenkenwirth war auch ganz bestürzt, zumeist darüber, daß nun der Tanz in sei- ner Schenke nicht Statt fand und er vergeblich eine Menge Eßwaaren dazu angeschafft, was nun Alles ver- derben werde, ja daß er sich auch nun ganz unnützer
der noch dem Vogt den Befehl ſeines Herrn zu bringem hatte, mit einer Gerichtsperſon und einem Gensdarmen zugleich in das Dorf eilte, wo ſie gegen Abend ankamen, um Johannes zu verhaften. —
Mutter Eva war, als dies geſchah, betaͤubt zu Boden geſunken. Vor Schreck hatte der Schlag die alte Frau geruͤhrt. Man trug ſie in das Haus, Suschen und Katharina waren die ganze Nacht um ſie beſchaͤftigt, ſie athmete noch — aber auch der herbeigerufene Arzt ver- mochte ſie nicht zu retten. Vielleicht werde ſie noch ei- nige Tage leben, ſagte er, aber laͤnger nicht.
Die Beſtuͤrzung war im ganzen Dorfe gleich. Die fremden Turner, die unter Sang und Klang am Mittag gekommen, waren am Abend ganz ſtill heimgezogen. Es hatte ihnen Niemand das Bleiben verwehrt — aber der ganzen Burſchen, der aus der Stadt eben ſowohl wie der aus dem Dorfe, hatte ſich eine ſo tiefe Niedergeſchla- genheit bemaͤchtigt uͤber die Gefangennehmung und Be- ſchimpfung ihres Lieblings Johannes, daß ſie nicht im Stande geweſen waͤren, den Tag ſo zu beendigen, wie ſie es erſt im Sinne gehabt. Der Schenkenwirth war auch ganz beſtuͤrzt, zumeiſt daruͤber, daß nun der Tanz in ſei- ner Schenke nicht Statt fand und er vergeblich eine Menge Eßwaaren dazu angeſchafft, was nun Alles ver- derben werde, ja daß er ſich auch nun ganz unnuͤtzer
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der noch dem Vogt den Befehl ſeines Herrn zu bringem
hatte, mit einer Gerichtsperſon und einem Gensdarmen
zugleich in das Dorf eilte, wo ſie gegen Abend ankamen,
um Johannes zu verhaften. —
Mutter Eva war, als dies geſchah, betaͤubt zu Boden
geſunken. Vor Schreck hatte der Schlag die alte Frau
geruͤhrt. Man trug ſie in das Haus, Suschen und
Katharina waren die ganze Nacht um ſie beſchaͤftigt, ſie
athmete noch — aber auch der herbeigerufene Arzt ver-
mochte ſie nicht zu retten. Vielleicht werde ſie noch ei-
nige Tage leben, ſagte er, aber laͤnger nicht.
Die Beſtuͤrzung war im ganzen Dorfe gleich. Die
fremden Turner, die unter Sang und Klang am Mittag
gekommen, waren am Abend ganz ſtill heimgezogen. Es
hatte ihnen Niemand das Bleiben verwehrt — aber der
ganzen Burſchen, der aus der Stadt eben ſowohl wie
der aus dem Dorfe, hatte ſich eine ſo tiefe Niedergeſchla-
genheit bemaͤchtigt uͤber die Gefangennehmung und Be-
ſchimpfung ihres Lieblings Johannes, daß ſie nicht im
Stande geweſen waͤren, den Tag ſo zu beendigen, wie ſie
es erſt im Sinne gehabt. Der Schenkenwirth war auch
ganz beſtuͤrzt, zumeiſt daruͤber, daß nun der Tanz in ſei-
ner Schenke nicht Statt fand und er vergeblich eine
Menge Eßwaaren dazu angeſchafft, was nun Alles ver-
derben werde, ja daß er ſich auch nun ganz unnuͤtzer
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/289>, abgerufen am 22.11.2024.
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