man ein wachsames Auge auf Sie hat -- vielleicht Sie versetzt." --
"Oder auch meines Amtes entsetzt," fiel der Schul- meister ein, "ich bin auf Alles vorbereitet -- hätten sie mich doch gleich lieber statt des Johannes mitgenommen -- ich habe ja keine Mutter! ich habe ja kein Herz, das um mein Unglück brechen wird!" --
Suschen hatte der Rede des Pfarrers schon mit ge- steigerter Angst zugehört, jetzt trat sie auf einmal nahe zu den Beiden, faßte des Pfarrers Hand und sagte, in- dem sie ihn mit ihren großen blauen Augen durch Thrä- nen ansah: "Herr Pfarr', ist das wahr?"
"Was denn mein liebes Kind?" fragte der Pfarrer innig.
Suschen erwiderte, indeß ihre Augenlider sich senkten und ihr ganzes Gesicht, das vor Schreck und Thränen erst blaß geworden war, sich hoch röthete: "daß es wahr, daß es wie dem Johannes auch dem da --" sie deutete auf den Schulmeister, "gehen kann?"
Der Pfarrer antwortete: "Wir wissen Alle nicht, woran wir sind, wir wollen Alle das Beste hoffen, müssen uns aber auch in Demuth auf das Schlimmste vorberei- ten." --
"Nein! dann gäb's ja keine Gerechtigkeit mehr auf Erden!" rief Suschen außer sich. --
man ein wachſames Auge auf Sie hat — vielleicht Sie verſetzt.“ —
„Oder auch meines Amtes entſetzt,“ fiel der Schul- meiſter ein, „ich bin auf Alles vorbereitet — haͤtten ſie mich doch gleich lieber ſtatt des Johannes mitgenommen — ich habe ja keine Mutter! ich habe ja kein Herz, das um mein Ungluͤck brechen wird!“ —
Suschen hatte der Rede des Pfarrers ſchon mit ge- ſteigerter Angſt zugehoͤrt, jetzt trat ſie auf einmal nahe zu den Beiden, faßte des Pfarrers Hand und ſagte, in- dem ſie ihn mit ihren großen blauen Augen durch Thraͤ- nen anſah: „Herr Pfarr’, iſt das wahr?“
„Was denn mein liebes Kind?“ fragte der Pfarrer innig.
Suschen erwiderte, indeß ihre Augenlider ſich ſenkten und ihr ganzes Geſicht, das vor Schreck und Thraͤnen erſt blaß geworden war, ſich hoch roͤthete: „daß es wahr, daß es wie dem Johannes auch dem da —“ ſie deutete auf den Schulmeiſter, „gehen kann?“
Der Pfarrer antwortete: „Wir wiſſen Alle nicht, woran wir ſind, wir wollen Alle das Beſte hoffen, muͤſſen uns aber auch in Demuth auf das Schlimmſte vorberei- ten.“ —
„Nein! dann gaͤb’s ja keine Gerechtigkeit mehr auf Erden!“ rief Suschen außer ſich. —
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0296"n="288"/>
man ein wachſames Auge auf Sie hat — vielleicht Sie<lb/>
verſetzt.“—</p><lb/><p>„Oder auch meines Amtes entſetzt,“ fiel der Schul-<lb/>
meiſter ein, „ich bin auf Alles vorbereitet — haͤtten ſie<lb/>
mich doch gleich lieber ſtatt des Johannes mitgenommen<lb/>— ich habe ja keine Mutter! ich habe ja kein Herz, das<lb/>
um mein Ungluͤck brechen wird!“—</p><lb/><p>Suschen hatte der Rede des Pfarrers ſchon mit ge-<lb/>ſteigerter Angſt zugehoͤrt, jetzt trat ſie auf einmal nahe<lb/>
zu den Beiden, faßte des Pfarrers Hand und ſagte, in-<lb/>
dem ſie ihn mit ihren großen blauen Augen durch Thraͤ-<lb/>
nen anſah: „Herr Pfarr’, iſt das wahr?“</p><lb/><p>„Was denn mein liebes Kind?“ fragte der Pfarrer<lb/>
innig.</p><lb/><p>Suschen erwiderte, indeß ihre Augenlider ſich ſenkten<lb/>
und ihr ganzes Geſicht, das vor Schreck und Thraͤnen<lb/>
erſt blaß geworden war, ſich hoch roͤthete: „daß es wahr,<lb/>
daß es wie dem Johannes auch dem da —“ſie deutete<lb/>
auf den Schulmeiſter, „gehen kann?“</p><lb/><p>Der Pfarrer antwortete: „Wir wiſſen Alle nicht, woran<lb/>
wir ſind, wir wollen Alle das Beſte hoffen, muͤſſen uns<lb/>
aber auch in Demuth auf das Schlimmſte vorberei-<lb/>
ten.“—</p><lb/><p>„Nein! dann gaͤb’s ja keine Gerechtigkeit mehr auf<lb/>
Erden!“ rief Suschen außer ſich. —</p><lb/></div></body></text></TEI>
[288/0296]
man ein wachſames Auge auf Sie hat — vielleicht Sie
verſetzt.“ —
„Oder auch meines Amtes entſetzt,“ fiel der Schul-
meiſter ein, „ich bin auf Alles vorbereitet — haͤtten ſie
mich doch gleich lieber ſtatt des Johannes mitgenommen
— ich habe ja keine Mutter! ich habe ja kein Herz, das
um mein Ungluͤck brechen wird!“ —
Suschen hatte der Rede des Pfarrers ſchon mit ge-
ſteigerter Angſt zugehoͤrt, jetzt trat ſie auf einmal nahe
zu den Beiden, faßte des Pfarrers Hand und ſagte, in-
dem ſie ihn mit ihren großen blauen Augen durch Thraͤ-
nen anſah: „Herr Pfarr’, iſt das wahr?“
„Was denn mein liebes Kind?“ fragte der Pfarrer
innig.
Suschen erwiderte, indeß ihre Augenlider ſich ſenkten
und ihr ganzes Geſicht, das vor Schreck und Thraͤnen
erſt blaß geworden war, ſich hoch roͤthete: „daß es wahr,
daß es wie dem Johannes auch dem da —“ ſie deutete
auf den Schulmeiſter, „gehen kann?“
Der Pfarrer antwortete: „Wir wiſſen Alle nicht, woran
wir ſind, wir wollen Alle das Beſte hoffen, muͤſſen uns
aber auch in Demuth auf das Schlimmſte vorberei-
ten.“ —
„Nein! dann gaͤb’s ja keine Gerechtigkeit mehr auf
Erden!“ rief Suschen außer ſich. —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/296>, abgerufen am 26.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.