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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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man ein wachsames Auge auf Sie hat -- vielleicht Sie
versetzt." --

"Oder auch meines Amtes entsetzt," fiel der Schul-
meister ein, "ich bin auf Alles vorbereitet -- hätten sie
mich doch gleich lieber statt des Johannes mitgenommen
-- ich habe ja keine Mutter! ich habe ja kein Herz, das
um mein Unglück brechen wird!" --

Suschen hatte der Rede des Pfarrers schon mit ge-
steigerter Angst zugehört, jetzt trat sie auf einmal nahe
zu den Beiden, faßte des Pfarrers Hand und sagte, in-
dem sie ihn mit ihren großen blauen Augen durch Thrä-
nen ansah: "Herr Pfarr', ist das wahr?"

"Was denn mein liebes Kind?" fragte der Pfarrer
innig.

Suschen erwiderte, indeß ihre Augenlider sich senkten
und ihr ganzes Gesicht, das vor Schreck und Thränen
erst blaß geworden war, sich hoch röthete: "daß es wahr,
daß es wie dem Johannes auch dem da --" sie deutete
auf den Schulmeister, "gehen kann?"

Der Pfarrer antwortete: "Wir wissen Alle nicht, woran
wir sind, wir wollen Alle das Beste hoffen, müssen uns
aber auch in Demuth auf das Schlimmste vorberei-
ten." --

"Nein! dann gäb's ja keine Gerechtigkeit mehr auf
Erden!" rief Suschen außer sich. --

man ein wachſames Auge auf Sie hat — vielleicht Sie
verſetzt.“ —

„Oder auch meines Amtes entſetzt,“ fiel der Schul-
meiſter ein, „ich bin auf Alles vorbereitet — haͤtten ſie
mich doch gleich lieber ſtatt des Johannes mitgenommen
— ich habe ja keine Mutter! ich habe ja kein Herz, das
um mein Ungluͤck brechen wird!“ —

Suschen hatte der Rede des Pfarrers ſchon mit ge-
ſteigerter Angſt zugehoͤrt, jetzt trat ſie auf einmal nahe
zu den Beiden, faßte des Pfarrers Hand und ſagte, in-
dem ſie ihn mit ihren großen blauen Augen durch Thraͤ-
nen anſah: „Herr Pfarr’, iſt das wahr?“

„Was denn mein liebes Kind?“ fragte der Pfarrer
innig.

Suschen erwiderte, indeß ihre Augenlider ſich ſenkten
und ihr ganzes Geſicht, das vor Schreck und Thraͤnen
erſt blaß geworden war, ſich hoch roͤthete: „daß es wahr,
daß es wie dem Johannes auch dem da —“ ſie deutete
auf den Schulmeiſter, „gehen kann?“

Der Pfarrer antwortete: „Wir wiſſen Alle nicht, woran
wir ſind, wir wollen Alle das Beſte hoffen, muͤſſen uns
aber auch in Demuth auf das Schlimmſte vorberei-
ten.“ —

„Nein! dann gaͤb’s ja keine Gerechtigkeit mehr auf
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[288/0296] man ein wachſames Auge auf Sie hat — vielleicht Sie verſetzt.“ — „Oder auch meines Amtes entſetzt,“ fiel der Schul- meiſter ein, „ich bin auf Alles vorbereitet — haͤtten ſie mich doch gleich lieber ſtatt des Johannes mitgenommen — ich habe ja keine Mutter! ich habe ja kein Herz, das um mein Ungluͤck brechen wird!“ — Suschen hatte der Rede des Pfarrers ſchon mit ge- ſteigerter Angſt zugehoͤrt, jetzt trat ſie auf einmal nahe zu den Beiden, faßte des Pfarrers Hand und ſagte, in- dem ſie ihn mit ihren großen blauen Augen durch Thraͤ- nen anſah: „Herr Pfarr’, iſt das wahr?“ „Was denn mein liebes Kind?“ fragte der Pfarrer innig. Suschen erwiderte, indeß ihre Augenlider ſich ſenkten und ihr ganzes Geſicht, das vor Schreck und Thraͤnen erſt blaß geworden war, ſich hoch roͤthete: „daß es wahr, daß es wie dem Johannes auch dem da —“ ſie deutete auf den Schulmeiſter, „gehen kann?“ Der Pfarrer antwortete: „Wir wiſſen Alle nicht, woran wir ſind, wir wollen Alle das Beſte hoffen, muͤſſen uns aber auch in Demuth auf das Schlimmſte vorberei- ten.“ — „Nein! dann gaͤb’s ja keine Gerechtigkeit mehr auf Erden!“ rief Suschen außer ſich. —

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/296>, abgerufen am 22.11.2024.