einer Ecke des Gemachs brannte, nur einen schwachen Licht- schein um sich warf. "Versprechen Sie mir's nur, daß Sie nicht selber gehen wollen, sondern den Pfarr' dazu bereden, vielleicht thut er's auch schon von allein -- wenn Sie hingingen, da würden die Leut' auf dem Ge- richt nur gleich sagen: der ist gerade so schlimm wie der Johannes, nun will er ihn gar noch frei machen -- so wollen wir ihn doch auch gleich da behalten -- und so ging's eben wie mit dem Johannes -- nein, nein! so darf's nicht kommen! nicht wahr, Jhr geht nicht hin?" und sie faßte ihn ängstlich und zitternd bei der Hand, als solle er eben gleich fortgerissen werden und sie könne ihn halten.
Er sah ihr forschend und tief in die Augen -- in diesen Blicken erzählten sie sich doch Beide eine ganze Ge- schichte, die keines mehr wie wohl einst im Herzen des Andern zu lesen gehofft hatte. "Suschen!" sagte er mit dem weichsten Ton seiner Stimme: "Sind Sie denn nicht um den Johannes viel mehr in Angst als um mich?"
Sie antwortete Nichts, aber drückte mit ihrer Rechten seine Hand, die darin lag, nur fester, und legte auch ihre Linke noch innig darauf.
"Warum's denn nicht sagen?" begann der Schulmei- ster, "ehe der Johannes kam, da dacht' ich wohl, Suschen
einer Ecke des Gemachs brannte, nur einen ſchwachen Licht- ſchein um ſich warf. „Verſprechen Sie mir’s nur, daß Sie nicht ſelber gehen wollen, ſondern den Pfarr’ dazu bereden, vielleicht thut er’s auch ſchon von allein — wenn Sie hingingen, da wuͤrden die Leut’ auf dem Ge- richt nur gleich ſagen: der iſt gerade ſo ſchlimm wie der Johannes, nun will er ihn gar noch frei machen — ſo wollen wir ihn doch auch gleich da behalten — und ſo ging’s eben wie mit dem Johannes — nein, nein! ſo darf’s nicht kommen! nicht wahr, Jhr geht nicht hin?“ und ſie faßte ihn aͤngſtlich und zitternd bei der Hand, als ſolle er eben gleich fortgeriſſen werden und ſie koͤnne ihn halten.
Er ſah ihr forſchend und tief in die Augen — in dieſen Blicken erzählten ſie ſich doch Beide eine ganze Ge- ſchichte, die keines mehr wie wohl einſt im Herzen des Andern zu leſen gehofft hatte. „Suschen!“ ſagte er mit dem weichſten Ton ſeiner Stimme: „Sind Sie denn nicht um den Johannes viel mehr in Angſt als um mich?“
Sie antwortete Nichts, aber druͤckte mit ihrer Rechten ſeine Hand, die darin lag, nur feſter, und legte auch ihre Linke noch innig darauf.
„Warum’s denn nicht ſagen?“ begann der Schulmei- ſter, „ehe der Johannes kam, da dacht’ ich wohl, Suschen
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einer Ecke des Gemachs brannte, nur einen ſchwachen Licht-
ſchein um ſich warf. „Verſprechen Sie mir’s nur, daß
Sie nicht ſelber gehen wollen, ſondern den Pfarr’ dazu
bereden, vielleicht thut er’s auch ſchon von allein —
wenn Sie hingingen, da wuͤrden die Leut’ auf dem Ge-
richt nur gleich ſagen: der iſt gerade ſo ſchlimm wie der
Johannes, nun will er ihn gar noch frei machen — ſo
wollen wir ihn doch auch gleich da behalten — und ſo
ging’s eben wie mit dem Johannes — nein, nein! ſo
darf’s nicht kommen! nicht wahr, Jhr geht nicht hin?“
und ſie faßte ihn aͤngſtlich und zitternd bei der Hand,
als ſolle er eben gleich fortgeriſſen werden und ſie koͤnne
ihn halten.
Er ſah ihr forſchend und tief in die Augen — in
dieſen Blicken erzählten ſie ſich doch Beide eine ganze Ge-
ſchichte, die keines mehr wie wohl einſt im Herzen des
Andern zu leſen gehofft hatte. „Suschen!“ ſagte er mit
dem weichſten Ton ſeiner Stimme: „Sind Sie denn
nicht um den Johannes viel mehr in Angſt als um
mich?“
Sie antwortete Nichts, aber druͤckte mit ihrer Rechten
ſeine Hand, die darin lag, nur feſter, und legte auch ihre
Linke noch innig darauf.
„Warum’s denn nicht ſagen?“ begann der Schulmei-
ſter, „ehe der Johannes kam, da dacht’ ich wohl, Suschen
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/303>, abgerufen am 22.11.2024.
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