früher um das geistige Wohl seiner Gemeinde und ließ alles Andere, auch die Politik, die er sonst manchmal auf die Kanzel mitgebracht, er verzichtete darauf, seiner Ge- meinde mehr sein zu können, als ein stiller Seelsorger. Denn er ward scharf von den obern Kirchenbehörden über- wacht und ihm in mehr als einem Warnungsschreiben von oben herab mit Entsetzung seines Amtes in seinen alten Tagen gedroht, wenn er, wie es in dem Schreiben hieß: "fortfahren werde, durch eine verderbliche Aufkläre- rei und durch das Hinüberziehen politischer Dinge auf kirchliches Gebiet, die Köpfe der Bauern zu verwirren." Es blieb ihm keine Wahl, als die, sich still zu fügen, wenn er im Amte bleiben wollte. Wenn er daraus scheide, wußte er, werde man seine Stelle mit einem altgläubigen Dunkelmann besetzen, der leicht Alles wieder verderben könne, was er in so vielen Jahren mühsam aufgebaut. Noch weniger glimpflich verfuhr man mit dem Schul- meister. Jhm ward es ein für allemal verboten, sich nie wieder in etwas Politisches zu mischen, dies gezieme dem Lehrerstande nicht und Jeder, der dawider handeln werde, sei aus demselben ausgestoßen. Es blieb auch ihm nichts Andres übrig, als sich der eisernen Nothwendigkeit zu fü- gen, und dem zu gehorchen, was der übel ausgelegte Buchstabe des Gesetzes seine Pflicht nannte.
Jndeß es nun unsern Freunden Allen im Dorfe so
fruͤher um das geiſtige Wohl ſeiner Gemeinde und ließ alles Andere, auch die Politik, die er ſonſt manchmal auf die Kanzel mitgebracht, er verzichtete darauf, ſeiner Ge- meinde mehr ſein zu koͤnnen, als ein ſtiller Seelſorger. Denn er ward ſcharf von den obern Kirchenbehoͤrden uͤber- wacht und ihm in mehr als einem Warnungsſchreiben von oben herab mit Entſetzung ſeines Amtes in ſeinen alten Tagen gedroht, wenn er, wie es in dem Schreiben hieß: „fortfahren werde, durch eine verderbliche Aufklaͤre- rei und durch das Hinuͤberziehen politiſcher Dinge auf kirchliches Gebiet, die Koͤpfe der Bauern zu verwirren.“ Es blieb ihm keine Wahl, als die, ſich ſtill zu fuͤgen, wenn er im Amte bleiben wollte. Wenn er daraus ſcheide, wußte er, werde man ſeine Stelle mit einem altglaͤubigen Dunkelmann beſetzen, der leicht Alles wieder verderben koͤnne, was er in ſo vielen Jahren muͤhſam aufgebaut. Noch weniger glimpflich verfuhr man mit dem Schul- meiſter. Jhm ward es ein fuͤr allemal verboten, ſich nie wieder in etwas Politiſches zu miſchen, dies gezieme dem Lehrerſtande nicht und Jeder, der dawider handeln werde, ſei aus demſelben ausgeſtoßen. Es blieb auch ihm nichts Andres uͤbrig, als ſich der eiſernen Nothwendigkeit zu fuͤ- gen, und dem zu gehorchen, was der uͤbel ausgelegte Buchſtabe des Geſetzes ſeine Pflicht nannte.
Jndeß es nun unſern Freunden Allen im Dorfe ſo
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fruͤher um das geiſtige Wohl ſeiner Gemeinde und ließ
alles Andere, auch die Politik, die er ſonſt manchmal auf
die Kanzel mitgebracht, er verzichtete darauf, ſeiner Ge-
meinde mehr ſein zu koͤnnen, als ein ſtiller Seelſorger.
Denn er ward ſcharf von den obern Kirchenbehoͤrden uͤber-
wacht und ihm in mehr als einem Warnungsſchreiben
von oben herab mit Entſetzung ſeines Amtes in ſeinen
alten Tagen gedroht, wenn er, wie es in dem Schreiben
hieß: „fortfahren werde, durch eine verderbliche Aufklaͤre-
rei und durch das Hinuͤberziehen politiſcher Dinge auf
kirchliches Gebiet, die Koͤpfe der Bauern zu verwirren.“
Es blieb ihm keine Wahl, als die, ſich ſtill zu fuͤgen,
wenn er im Amte bleiben wollte. Wenn er daraus ſcheide,
wußte er, werde man ſeine Stelle mit einem altglaͤubigen
Dunkelmann beſetzen, der leicht Alles wieder verderben
koͤnne, was er in ſo vielen Jahren muͤhſam aufgebaut.
Noch weniger glimpflich verfuhr man mit dem Schul-
meiſter. Jhm ward es ein fuͤr allemal verboten, ſich nie
wieder in etwas Politiſches zu miſchen, dies gezieme dem
Lehrerſtande nicht und Jeder, der dawider handeln werde,
ſei aus demſelben ausgeſtoßen. Es blieb auch ihm nichts
Andres uͤbrig, als ſich der eiſernen Nothwendigkeit zu fuͤ-
gen, und dem zu gehorchen, was der uͤbel ausgelegte
Buchſtabe des Geſetzes ſeine Pflicht nannte.
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/319>, abgerufen am 22.11.2024.
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