schlecht und trübselig ging, waren ihre Feinde, die grieß- grämlichen Leute, oben auf und benutzten die Niederge- schlagenheit Jener, bald das ganze Dorf zu tyrannisiren. Christlieb trieb seine schlechten Streiche wieder toller und öffentlicher als je, aber Niemand durfte sich getrauen, ein Wort wider ihn zu sagen, denn er war der besondere Liebling des Herrn Amtmann und mit allen Gensdarmen und Gerichtsboten auf Du und Du. --
Noch einmal hatte es unser Pfarrer versucht, sich für Johannes zu verwenden und zwar bei dem Herrn Gra- fen selbst, zu dem er eigens deshalb gereist war. Al- lein der Graf ward ganz aufgebracht, wenn man ihm nur den Namen Johannes nannte und wollte gleich gar Nichts von ihm hören. Die Petition um ein verbessertes Jagdge- setz, die Beschwerde über Wildschaden, war schon längst abgegangen. Johannes hatte sie, wenn auch in sehr ge- mäßigten und bescheidenen Ausdrücken, verfaßt, die Bauern hatten sie unterschrieben -- und wenn der Graf auch recht gut wußte, daß diese Petition keinen Erfolg haben würde, wofür er in den Kreisen der einflußreichen Ari- stokratie und des Hofes Sorge zu tragen verstand, so war es ihm doch immer ein unerträglicher Gedanke, daß die Bauern, welche er in stolzem Hochmuth seine Unter- thanen zu nennen beliebte, sich so Etwas unterstanden hatten. Ohne Johannes wäre es in diesem stillen Dorfe
ſchlecht und truͤbſelig ging, waren ihre Feinde, die grieß- graͤmlichen Leute, oben auf und benutzten die Niederge- ſchlagenheit Jener, bald das ganze Dorf zu tyranniſiren. Chriſtlieb trieb ſeine ſchlechten Streiche wieder toller und oͤffentlicher als je, aber Niemand durfte ſich getrauen, ein Wort wider ihn zu ſagen, denn er war der beſondere Liebling des Herrn Amtmann und mit allen Gensdarmen und Gerichtsboten auf Du und Du. —
Noch einmal hatte es unſer Pfarrer verſucht, ſich fuͤr Johannes zu verwenden und zwar bei dem Herrn Gra- fen ſelbſt, zu dem er eigens deshalb gereiſt war. Al- lein der Graf ward ganz aufgebracht, wenn man ihm nur den Namen Johannes nannte und wollte gleich gar Nichts von ihm hoͤren. Die Petition um ein verbeſſertes Jagdge- ſetz, die Beſchwerde uͤber Wildſchaden, war ſchon laͤngſt abgegangen. Johannes hatte ſie, wenn auch in ſehr ge- maͤßigten und beſcheidenen Ausdruͤcken, verfaßt, die Bauern hatten ſie unterſchrieben — und wenn der Graf auch recht gut wußte, daß dieſe Petition keinen Erfolg haben wuͤrde, wofuͤr er in den Kreiſen der einflußreichen Ari- ſtokratie und des Hofes Sorge zu tragen verſtand, ſo war es ihm doch immer ein unertraͤglicher Gedanke, daß die Bauern, welche er in ſtolzem Hochmuth ſeine Unter- thanen zu nennen beliebte, ſich ſo Etwas unterſtanden hatten. Ohne Johannes waͤre es in dieſem ſtillen Dorfe
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ſchlecht und truͤbſelig ging, waren ihre Feinde, die grieß-
graͤmlichen Leute, oben auf und benutzten die Niederge-
ſchlagenheit Jener, bald das ganze Dorf zu tyranniſiren.
Chriſtlieb trieb ſeine ſchlechten Streiche wieder toller und
oͤffentlicher als je, aber Niemand durfte ſich getrauen, ein
Wort wider ihn zu ſagen, denn er war der beſondere
Liebling des Herrn Amtmann und mit allen Gensdarmen
und Gerichtsboten auf Du und Du. —
Noch einmal hatte es unſer Pfarrer verſucht, ſich fuͤr
Johannes zu verwenden und zwar bei dem Herrn Gra-
fen ſelbſt, zu dem er eigens deshalb gereiſt war. Al-
lein der Graf ward ganz aufgebracht, wenn man ihm nur
den Namen Johannes nannte und wollte gleich gar Nichts
von ihm hoͤren. Die Petition um ein verbeſſertes Jagdge-
ſetz, die Beſchwerde uͤber Wildſchaden, war ſchon laͤngſt
abgegangen. Johannes hatte ſie, wenn auch in ſehr ge-
maͤßigten und beſcheidenen Ausdruͤcken, verfaßt, die Bauern
hatten ſie unterſchrieben — und wenn der Graf auch
recht gut wußte, daß dieſe Petition keinen Erfolg haben
wuͤrde, wofuͤr er in den Kreiſen der einflußreichen Ari-
ſtokratie und des Hofes Sorge zu tragen verſtand, ſo
war es ihm doch immer ein unertraͤglicher Gedanke, daß
die Bauern, welche er in ſtolzem Hochmuth ſeine Unter-
thanen zu nennen beliebte, ſich ſo Etwas unterſtanden
hatten. Ohne Johannes waͤre es in dieſem ſtillen Dorfe
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/320>, abgerufen am 22.11.2024.
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