Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Leute sahen sich verdutzt an, Einigen blieb Mund
und Nase offen stehen, Andere sahen sehr gleichgültig
aus und Einer sagte endlich: "Was geht uns denn das
an und was heißt denn das Republik?"

"Republik," erklärte der Schulmeister, "ist die ein-
fachste und natürlichste Regierungsform, da ist nicht Ei-
ner
König, wie in der Monarchie, sondern da ist das
ganze Volk König!"

"Was? das ganze Volk?" -- und mehr als ein er-
staunter Mund ward immer weiter aufgerissen. --

"Ja, das ist sehr einfach," fuhr der Schulmeister
fort. "Das Volk giebt sich selbst die Gesetze in der Re-
publik und läßt sie von denjenigen handhaben und aus
führen, denen es das meiste Vertrauen schenkt und die
es deshalb dazu aus seiner Mitte frei herauswählt; das
ist Republik. Es ist natürlich, daß dies die wohlfeilste
und einfachste Art ist, einen Staat zu ordnen und ein
Volk zu beglücken. Die Franzosen haben immer darnach
gestrebt -- sie haben wenigstens darnach gestrebt, frei und
glücklich zu leben, aber in der letzten Zeit wurden sie von
Jahr zu Jahr geknechteter und unglücklicher -- sie konn-
ten das endlich nicht mehr ertragen -- so hat sich denn
ganz Paris erhoben, den alten König Louis Philipp,
den sein Volk erhoben hat, ist von dem Volk vertrieben
worden, und jetzt ist das siegende Volk König und wird

21

Die Leute ſahen ſich verdutzt an, Einigen blieb Mund
und Naſe offen ſtehen, Andere ſahen ſehr gleichguͤltig
aus und Einer ſagte endlich: „Was geht uns denn das
an und was heißt denn das Republik?“

„Republik,“ erklaͤrte der Schulmeiſter, „iſt die ein-
fachſte und natuͤrlichſte Regierungsform, da iſt nicht Ei-
ner
Koͤnig, wie in der Monarchie, ſondern da iſt das
ganze Volk Koͤnig!

„Was? das ganze Volk?“ — und mehr als ein er-
ſtaunter Mund ward immer weiter aufgeriſſen. —

„Ja, das iſt ſehr einfach,“ fuhr der Schulmeiſter
fort. „Das Volk giebt ſich ſelbſt die Geſetze in der Re-
publik und laͤßt ſie von denjenigen handhaben und aus
fuͤhren, denen es das meiſte Vertrauen ſchenkt und die
es deshalb dazu aus ſeiner Mitte frei herauswaͤhlt; das
iſt Republik. Es iſt natuͤrlich, daß dies die wohlfeilſte
und einfachſte Art iſt, einen Staat zu ordnen und ein
Volk zu begluͤcken. Die Franzoſen haben immer darnach
geſtrebt — ſie haben wenigſtens darnach geſtrebt, frei und
gluͤcklich zu leben, aber in der letzten Zeit wurden ſie von
Jahr zu Jahr geknechteter und ungluͤcklicher — ſie konn-
ten das endlich nicht mehr ertragen — ſo hat ſich denn
ganz Paris erhoben, den alten Koͤnig Louis Philipp,
den ſein Volk erhoben hat, iſt von dem Volk vertrieben
worden, und jetzt iſt das ſiegende Volk Koͤnig und wird

21
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0329" n="321"/>
        <p>Die Leute &#x017F;ahen &#x017F;ich verdutzt an, Einigen blieb Mund<lb/>
und Na&#x017F;e offen &#x017F;tehen, Andere &#x017F;ahen &#x017F;ehr gleichgu&#x0364;ltig<lb/>
aus und Einer &#x017F;agte endlich: &#x201E;Was geht uns denn das<lb/>
an und was heißt denn das Republik?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Republik,&#x201C; erkla&#x0364;rte der Schulmei&#x017F;ter, &#x201E;i&#x017F;t die ein-<lb/>
fach&#x017F;te und natu&#x0364;rlich&#x017F;te Regierungsform, da i&#x017F;t nicht <hi rendition="#g">Ei-<lb/>
ner</hi> Ko&#x0364;nig, wie in der Monarchie, &#x017F;ondern da i&#x017F;t das<lb/><hi rendition="#g">ganze Volk Ko&#x0364;nig!</hi>&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was? das ganze Volk?&#x201C; &#x2014; und mehr als ein er-<lb/>
&#x017F;taunter Mund ward immer weiter aufgeri&#x017F;&#x017F;en. &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, das i&#x017F;t &#x017F;ehr einfach,&#x201C; fuhr der Schulmei&#x017F;ter<lb/>
fort. &#x201E;Das Volk giebt &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t die Ge&#x017F;etze in der Re-<lb/>
publik und la&#x0364;ßt &#x017F;ie von denjenigen handhaben und aus<lb/>
fu&#x0364;hren, denen es das mei&#x017F;te Vertrauen &#x017F;chenkt und die<lb/>
es deshalb dazu aus &#x017F;einer Mitte frei herauswa&#x0364;hlt; das<lb/>
i&#x017F;t Republik. Es i&#x017F;t natu&#x0364;rlich, daß dies die wohlfeil&#x017F;te<lb/>
und einfach&#x017F;te Art i&#x017F;t, einen Staat zu ordnen und ein<lb/>
Volk zu beglu&#x0364;cken. Die Franzo&#x017F;en haben immer darnach<lb/>
ge&#x017F;trebt &#x2014; &#x017F;ie haben wenig&#x017F;tens darnach ge&#x017F;trebt, frei und<lb/>
glu&#x0364;cklich zu leben, aber in der letzten Zeit wurden &#x017F;ie von<lb/>
Jahr zu Jahr geknechteter und unglu&#x0364;cklicher &#x2014; &#x017F;ie konn-<lb/>
ten das endlich nicht mehr ertragen &#x2014; &#x017F;o hat &#x017F;ich denn<lb/>
ganz Paris erhoben, den alten Ko&#x0364;nig Louis Philipp,<lb/>
den &#x017F;ein Volk erhoben hat, i&#x017F;t von dem Volk vertrieben<lb/>
worden, und jetzt i&#x017F;t das &#x017F;iegende Volk Ko&#x0364;nig und wird<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">21</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[321/0329] Die Leute ſahen ſich verdutzt an, Einigen blieb Mund und Naſe offen ſtehen, Andere ſahen ſehr gleichguͤltig aus und Einer ſagte endlich: „Was geht uns denn das an und was heißt denn das Republik?“ „Republik,“ erklaͤrte der Schulmeiſter, „iſt die ein- fachſte und natuͤrlichſte Regierungsform, da iſt nicht Ei- ner Koͤnig, wie in der Monarchie, ſondern da iſt das ganze Volk Koͤnig!“ „Was? das ganze Volk?“ — und mehr als ein er- ſtaunter Mund ward immer weiter aufgeriſſen. — „Ja, das iſt ſehr einfach,“ fuhr der Schulmeiſter fort. „Das Volk giebt ſich ſelbſt die Geſetze in der Re- publik und laͤßt ſie von denjenigen handhaben und aus fuͤhren, denen es das meiſte Vertrauen ſchenkt und die es deshalb dazu aus ſeiner Mitte frei herauswaͤhlt; das iſt Republik. Es iſt natuͤrlich, daß dies die wohlfeilſte und einfachſte Art iſt, einen Staat zu ordnen und ein Volk zu begluͤcken. Die Franzoſen haben immer darnach geſtrebt — ſie haben wenigſtens darnach geſtrebt, frei und gluͤcklich zu leben, aber in der letzten Zeit wurden ſie von Jahr zu Jahr geknechteter und ungluͤcklicher — ſie konn- ten das endlich nicht mehr ertragen — ſo hat ſich denn ganz Paris erhoben, den alten Koͤnig Louis Philipp, den ſein Volk erhoben hat, iſt von dem Volk vertrieben worden, und jetzt iſt das ſiegende Volk Koͤnig und wird 21

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/329
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/329>, abgerufen am 22.11.2024.