sandten gewartet. Wie diese allein zurückkamen, erhob sich ein Wuthgeschrei gegen den Amtmann und alle Ty- rannen: "Johannes heraus" ward das Loosungs- wort. -- Der ganze Schwarm der Bauern, mit Dresch- flegeln, Heugabeln, Sensen und einzelnen Flinten bewaff- net, zog auf den Platz, an dem das Gefängnißhaus stand, in welchem Johannes schon so lange schmachtete. Viele Städter gesellten sich zu ihnen. "Johannes heraus!" war der fortwährende Ruf Aller. Ein Tambour der Bür- gergarde, Soldaten standen nicht im Orte, mußte Gene- ralmarsch durch die Gassen wirbeln. Aber von den Bür- gern, die da hätten kommen sollen, erschien kaum die Hälfte. Viele von ihnen waren Feiglinge, die fürchteten sich vor den Sensen der Bauern und wenn sie auf die- selben in erbärmlichem, schändlichem Hochmuth auch gern Feuer gegeben hätten, so kamen sie doch nicht aus Furcht, da sie wohl sahen, sie würden gegen die Wüthenden Nichts ausrichten und da wollten sie es doch lieber hübsch zu Hause abwarten, wie die Sache sich entscheiden werde; dann meinten sie, ließe sich schon eine Entschuldigung für ihr Nichterscheinen finden. Siegten die Bauern, so konn- ten sie, die guten Bürger, sagen: wir kamen nicht, weil wir hätten gegen Euch einschreiten müssen und das hätten wir auf keinen Fall thun mögen, Jhr seid uns also großen Dank schuldig, daß wir nicht gekommen sind. Würden aber
ſandten gewartet. Wie dieſe allein zuruͤckkamen, erhob ſich ein Wuthgeſchrei gegen den Amtmann und alle Ty- rannen: „Johannes heraus“ ward das Looſungs- wort. — Der ganze Schwarm der Bauern, mit Dreſch- flegeln, Heugabeln, Senſen und einzelnen Flinten bewaff- net, zog auf den Platz, an dem das Gefaͤngnißhaus ſtand, in welchem Johannes ſchon ſo lange ſchmachtete. Viele Staͤdter geſellten ſich zu ihnen. „Johannes heraus!“ war der fortwaͤhrende Ruf Aller. Ein Tambour der Buͤr- gergarde, Soldaten ſtanden nicht im Orte, mußte Gene- ralmarſch durch die Gaſſen wirbeln. Aber von den Buͤr- gern, die da haͤtten kommen ſollen, erſchien kaum die Haͤlfte. Viele von ihnen waren Feiglinge, die fuͤrchteten ſich vor den Senſen der Bauern und wenn ſie auf die- ſelben in erbaͤrmlichem, ſchaͤndlichem Hochmuth auch gern Feuer gegeben haͤtten, ſo kamen ſie doch nicht aus Furcht, da ſie wohl ſahen, ſie wuͤrden gegen die Wuͤthenden Nichts ausrichten und da wollten ſie es doch lieber huͤbſch zu Hauſe abwarten, wie die Sache ſich entſcheiden werde; dann meinten ſie, ließe ſich ſchon eine Entſchuldigung fuͤr ihr Nichterſcheinen finden. Siegten die Bauern, ſo konn- ten ſie, die guten Buͤrger, ſagen: wir kamen nicht, weil wir haͤtten gegen Euch einſchreiten muͤſſen und das haͤtten wir auf keinen Fall thun moͤgen, Jhr ſeid uns alſo großen Dank ſchuldig, daß wir nicht gekommen ſind. Wuͤrden aber
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0338"n="330"/>ſandten gewartet. Wie dieſe allein zuruͤckkamen, erhob<lb/>ſich ein Wuthgeſchrei gegen den Amtmann und alle Ty-<lb/>
rannen: „<hirendition="#g">Johannes heraus</hi>“ ward das Looſungs-<lb/>
wort. — Der ganze Schwarm der Bauern, mit Dreſch-<lb/>
flegeln, Heugabeln, Senſen und einzelnen Flinten bewaff-<lb/>
net, zog auf den Platz, an dem das Gefaͤngnißhaus ſtand,<lb/>
in welchem Johannes ſchon ſo lange ſchmachtete. Viele<lb/>
Staͤdter geſellten ſich zu ihnen. „<hirendition="#g">Johannes heraus!</hi>“<lb/>
war der fortwaͤhrende Ruf Aller. Ein Tambour der Buͤr-<lb/>
gergarde, Soldaten ſtanden nicht im Orte, mußte Gene-<lb/>
ralmarſch durch die Gaſſen wirbeln. Aber von den Buͤr-<lb/>
gern, die da haͤtten kommen ſollen, erſchien kaum die<lb/>
Haͤlfte. Viele von ihnen waren Feiglinge, die fuͤrchteten<lb/>ſich vor den Senſen der Bauern und wenn ſie auf die-<lb/>ſelben in erbaͤrmlichem, ſchaͤndlichem Hochmuth auch gern<lb/>
Feuer gegeben haͤtten, ſo kamen ſie doch nicht aus Furcht,<lb/>
da ſie wohl ſahen, ſie wuͤrden gegen die Wuͤthenden Nichts<lb/>
ausrichten und da wollten ſie es doch lieber huͤbſch zu<lb/>
Hauſe abwarten, wie die Sache ſich entſcheiden werde;<lb/>
dann meinten ſie, ließe ſich ſchon eine Entſchuldigung fuͤr<lb/>
ihr Nichterſcheinen finden. Siegten die Bauern, ſo konn-<lb/>
ten ſie, die guten Buͤrger, ſagen: wir kamen nicht, weil wir<lb/>
haͤtten gegen Euch einſchreiten muͤſſen und das haͤtten wir<lb/>
auf keinen Fall thun moͤgen, Jhr ſeid uns alſo großen Dank<lb/>ſchuldig, daß wir nicht gekommen ſind. Wuͤrden aber<lb/></p></div></body></text></TEI>
[330/0338]
ſandten gewartet. Wie dieſe allein zuruͤckkamen, erhob
ſich ein Wuthgeſchrei gegen den Amtmann und alle Ty-
rannen: „Johannes heraus“ ward das Looſungs-
wort. — Der ganze Schwarm der Bauern, mit Dreſch-
flegeln, Heugabeln, Senſen und einzelnen Flinten bewaff-
net, zog auf den Platz, an dem das Gefaͤngnißhaus ſtand,
in welchem Johannes ſchon ſo lange ſchmachtete. Viele
Staͤdter geſellten ſich zu ihnen. „Johannes heraus!“
war der fortwaͤhrende Ruf Aller. Ein Tambour der Buͤr-
gergarde, Soldaten ſtanden nicht im Orte, mußte Gene-
ralmarſch durch die Gaſſen wirbeln. Aber von den Buͤr-
gern, die da haͤtten kommen ſollen, erſchien kaum die
Haͤlfte. Viele von ihnen waren Feiglinge, die fuͤrchteten
ſich vor den Senſen der Bauern und wenn ſie auf die-
ſelben in erbaͤrmlichem, ſchaͤndlichem Hochmuth auch gern
Feuer gegeben haͤtten, ſo kamen ſie doch nicht aus Furcht,
da ſie wohl ſahen, ſie wuͤrden gegen die Wuͤthenden Nichts
ausrichten und da wollten ſie es doch lieber huͤbſch zu
Hauſe abwarten, wie die Sache ſich entſcheiden werde;
dann meinten ſie, ließe ſich ſchon eine Entſchuldigung fuͤr
ihr Nichterſcheinen finden. Siegten die Bauern, ſo konn-
ten ſie, die guten Buͤrger, ſagen: wir kamen nicht, weil wir
haͤtten gegen Euch einſchreiten muͤſſen und das haͤtten wir
auf keinen Fall thun moͤgen, Jhr ſeid uns alſo großen Dank
ſchuldig, daß wir nicht gekommen ſind. Wuͤrden aber
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/338>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.