Einer oder der Andere es selbst so erlebt! Gevatterstehen ist eine theure Ehre und unser Schulmeister hatte das Geld eben nicht übrig. Sein Gehalt war gar klein und dann verstand er auch das Wirthschaften noch nicht so recht. Nicht etwa, daß er geschwelgt hätte und unnütz Geld verthan! Das konnte ihm gewiß Niemand nachsagen. Sein Frühstück bestand oft aus trockenem Brod und sein Mittagsmahl aus Kartoffeln oder gar kalter Semmelmilch, aber wenn ein Armer vor seine Thür kam, den konnt' er nicht fortschicken und hätt' er den letzten Bissen mit ihm theilen sollen. Auch konnt' er die Freunde in der Stadt nicht vergessen und Alles, was er dort mit ihnen getrieben, war ihm lieb und un- entbehrlich geworden -- so schrieb er manchen Brief, dessen Beförderung auch nicht umsonst war und gab manches Stück Geld für Zeitungen, Bücher und Noten aus, denn er wollte nicht zurückgehen, weil er auf dem Dorfe war, sondern weiter lernen und weiter leben mit seiner Zeit, damit er die ihm anvertrauten Kinder auch immerfort erziehen könne in der Zeit und für die, wel- cher sie angehörten, nicht für eine alte, die vergangen war; und daß er überhaupt heilsam zu wirken ver- möge in dem ganzen Kreis, in den er gestellt war. Denn seine Zeitungen und Bücher vergrub er nicht etwa wie die Gelehrten thun in seinem Studirpult., nein, er nahm
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Einer oder der Andere es ſelbſt ſo erlebt! Gevatterſtehen iſt eine theure Ehre und unſer Schulmeiſter hatte das Geld eben nicht uͤbrig. Sein Gehalt war gar klein und dann verſtand er auch das Wirthſchaften noch nicht ſo recht. Nicht etwa, daß er geſchwelgt haͤtte und unnuͤtz Geld verthan! Das konnte ihm gewiß Niemand nachſagen. Sein Fruͤhſtuͤck beſtand oft aus trockenem Brod und ſein Mittagsmahl aus Kartoffeln oder gar kalter Semmelmilch, aber wenn ein Armer vor ſeine Thuͤr kam, den konnt’ er nicht fortſchicken und haͤtt’ er den letzten Biſſen mit ihm theilen ſollen. Auch konnt’ er die Freunde in der Stadt nicht vergeſſen und Alles, was er dort mit ihnen getrieben, war ihm lieb und un- entbehrlich geworden — ſo ſchrieb er manchen Brief, deſſen Befoͤrderung auch nicht umſonſt war und gab manches Stuͤck Geld fuͤr Zeitungen, Buͤcher und Noten aus, denn er wollte nicht zuruͤckgehen, weil er auf dem Dorfe war, ſondern weiter lernen und weiter leben mit ſeiner Zeit, damit er die ihm anvertrauten Kinder auch immerfort erziehen koͤnne in der Zeit und fuͤr die, wel- cher ſie angehoͤrten, nicht fuͤr eine alte, die vergangen war; und daß er uͤberhaupt heilſam zu wirken ver- moͤge in dem ganzen Kreis, in den er geſtellt war. Denn ſeine Zeitungen und Buͤcher vergrub er nicht etwa wie die Gelehrten thun in ſeinem Studirpult., nein, er nahm
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Einer oder der Andere es ſelbſt ſo erlebt! Gevatterſtehen
iſt eine theure Ehre und unſer Schulmeiſter hatte das
Geld eben nicht uͤbrig. Sein Gehalt war gar klein
und dann verſtand er auch das Wirthſchaften noch
nicht ſo recht. Nicht etwa, daß er geſchwelgt haͤtte und
unnuͤtz Geld verthan! Das konnte ihm gewiß Niemand
nachſagen. Sein Fruͤhſtuͤck beſtand oft aus trockenem
Brod und ſein Mittagsmahl aus Kartoffeln oder gar
kalter Semmelmilch, aber wenn ein Armer vor ſeine
Thuͤr kam, den konnt’ er nicht fortſchicken und haͤtt’ er
den letzten Biſſen mit ihm theilen ſollen. Auch konnt’
er die Freunde in der Stadt nicht vergeſſen und Alles,
was er dort mit ihnen getrieben, war ihm lieb und un-
entbehrlich geworden — ſo ſchrieb er manchen Brief,
deſſen Befoͤrderung auch nicht umſonſt war und gab
manches Stuͤck Geld fuͤr Zeitungen, Buͤcher und Noten
aus, denn er wollte nicht zuruͤckgehen, weil er auf dem
Dorfe war, ſondern weiter lernen und weiter leben mit
ſeiner Zeit, damit er die ihm anvertrauten Kinder auch
immerfort erziehen koͤnne in der Zeit und fuͤr die, wel-
cher ſie angehoͤrten, nicht fuͤr eine alte, die vergangen
war; und daß er uͤberhaupt heilſam zu wirken ver-
moͤge in dem ganzen Kreis, in den er geſtellt war. Denn
ſeine Zeitungen und Buͤcher vergrub er nicht etwa wie
die Gelehrten thun in ſeinem Studirpult., nein, er nahm
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/41>, abgerufen am 21.11.2024.
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