Unsre Mutter Eva hatte für ihr Johanneslein das Bett so sorgfältig zurecht gemacht, wie sie damals zu thun pflegte, als er noch ganz klein war und in der Wiege lag, und wie er nun von ihr gute Nacht nahm, um zu Bett zu gehen, da lehnte sie die Thür in ihr Kämmerlein nur an, damit sie auch höre, wenn ihr Liebling schlafe. Sie hatte ihr Lämpchen angezündet und las den Abendsegen leise vor sich hin. Und wie sie ihn zu Ende gelesen und das Buch zugeschlagen hatte, saß sie noch lange mit gefalteten Händen da und dankte Gott inbrünstig für den heutigen Tag und für das Glück, das er ihr geschenkt hatte. Jhre ganze Seele ging in dem einzigen Gedanken auf. -- Dann erhob sie sich, nahm die Brille ab, schob sie wieder in ihr Futteral und machte sich noch allerlei zu thun. Ein Stündlein mochte nun wohl vergangen sein, seit der
Die Burg.
Unſre Mutter Eva hatte fuͤr ihr Johanneslein das Bett ſo ſorgfaͤltig zurecht gemacht, wie ſie damals zu thun pflegte, als er noch ganz klein war und in der Wiege lag, und wie er nun von ihr gute Nacht nahm, um zu Bett zu gehen, da lehnte ſie die Thuͤr in ihr Kaͤmmerlein nur an, damit ſie auch hoͤre, wenn ihr Liebling ſchlafe. Sie hatte ihr Laͤmpchen angezuͤndet und las den Abendſegen leiſe vor ſich hin. Und wie ſie ihn zu Ende geleſen und das Buch zugeſchlagen hatte, ſaß ſie noch lange mit gefalteten Haͤnden da und dankte Gott inbruͤnſtig fuͤr den heutigen Tag und fuͤr das Gluͤck, das er ihr geſchenkt hatte. Jhre ganze Seele ging in dem einzigen Gedanken auf. — Dann erhob ſie ſich, nahm die Brille ab, ſchob ſie wieder in ihr Futteral und machte ſich noch allerlei zu thun. Ein Stuͤndlein mochte nun wohl vergangen ſein, ſeit der
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[[61]/0069]
Die Burg.
Unſre Mutter Eva hatte fuͤr ihr Johanneslein das
Bett ſo ſorgfaͤltig zurecht gemacht, wie ſie damals zu
thun pflegte, als er noch ganz klein war und in der
Wiege lag, und wie er nun von ihr gute Nacht nahm,
um zu Bett zu gehen, da lehnte ſie die Thuͤr in ihr
Kaͤmmerlein nur an, damit ſie auch hoͤre, wenn ihr
Liebling ſchlafe. Sie hatte ihr Laͤmpchen angezuͤndet
und las den Abendſegen leiſe vor ſich hin. Und wie
ſie ihn zu Ende geleſen und das Buch zugeſchlagen
hatte, ſaß ſie noch lange mit gefalteten Haͤnden da und
dankte Gott inbruͤnſtig fuͤr den heutigen Tag und fuͤr
das Gluͤck, das er ihr geſchenkt hatte. Jhre ganze
Seele ging in dem einzigen Gedanken auf. — Dann
erhob ſie ſich, nahm die Brille ab, ſchob ſie wieder in
ihr Futteral und machte ſich noch allerlei zu thun. Ein
Stuͤndlein mochte nun wohl vergangen ſein, ſeit der
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. [61]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/69>, abgerufen am 04.12.2024.
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