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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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an den Augen abgesehen und zu Lieb' gethan, sondern
bei fremden Leuten, wo er doch oft Manches nicht
würde gekonnt und gehabt haben, wie er gern gemocht
die seinetwegen Umstände gehabt und er dafür Verbind-
lichkeiten, die ihm eine Kette geworden wären. So war
es ihr noch ein rechter Trost, daß er in den Thurm
zog; werde er doch täglich herabkommen und sie könne
auch oben bei ihm zu halben Tagen sitzen, sie wären
da allein und es hätte Niemand etwas drein zu reden;
so war's ihr recht.

Nach dem Frühstück ging sie gleich mit ihrem Jo-
hannes den Hügel hinauf, wo der Thurm stand. Sie
war noch rüstig zu Fuße und der Berg ward ihr nicht sauer,
zumal heute nicht, wo ihr Sohn sie führte undstützte. Es
war ein wundervoller Morgen! Hunderte von Vögeln san-
gen und zwitscherten in den Bäumen und die Lerchen zumal
tummelten sich wie freudetrunken in den Lüften herum.

Der Wald, durch den die Hälfte des Weges sich
schlängelte, machte diesen schattig und angenehm. Ueber
den Wald ragte der Thurm hervor. Er war ganz aus
Ziegelsteinen massenhaft aufgeführt, die Mauern so dick
und fest, daß es staunenswerth war. Die Ringmauer,
welche ihn und die ganze alte Burg sonst umgeben hatte,
stand noch zur größten Hälfte, der große, finstere Thor-
weg, der unterhalb des Thurmes hereinführte, war mit

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an den Augen abgeſehen und zu Lieb’ gethan, ſondern
bei fremden Leuten, wo er doch oft Manches nicht
wuͤrde gekonnt und gehabt haben, wie er gern gemocht
die ſeinetwegen Umſtaͤnde gehabt und er dafuͤr Verbind-
lichkeiten, die ihm eine Kette geworden waͤren. So war
es ihr noch ein rechter Troſt, daß er in den Thurm
zog; werde er doch taͤglich herabkommen und ſie koͤnne
auch oben bei ihm zu halben Tagen ſitzen, ſie waͤren
da allein und es haͤtte Niemand etwas drein zu reden;
ſo war’s ihr recht.

Nach dem Fruͤhſtuͤck ging ſie gleich mit ihrem Jo-
hannes den Huͤgel hinauf, wo der Thurm ſtand. Sie
war noch ruͤſtig zu Fuße und der Berg ward ihr nicht ſauer,
zumal heute nicht, wo ihr Sohn ſie fuͤhrte undſtuͤtzte. Es
war ein wundervoller Morgen! Hunderte von Voͤgeln ſan-
gen und zwitſcherten in den Baͤumen und die Lerchen zumal
tummelten ſich wie freudetrunken in den Luͤften herum.

Der Wald, durch den die Haͤlfte des Weges ſich
ſchlaͤngelte, machte dieſen ſchattig und angenehm. Ueber
den Wald ragte der Thurm hervor. Er war ganz aus
Ziegelſteinen maſſenhaft aufgefuͤhrt, die Mauern ſo dick
und feſt, daß es ſtaunenswerth war. Die Ringmauer,
welche ihn und die ganze alte Burg ſonſt umgeben hatte,
ſtand noch zur groͤßten Haͤlfte, der große, finſtere Thor-
weg, der unterhalb des Thurmes hereinfuͤhrte, war mit

5 *
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[67/0075] an den Augen abgeſehen und zu Lieb’ gethan, ſondern bei fremden Leuten, wo er doch oft Manches nicht wuͤrde gekonnt und gehabt haben, wie er gern gemocht die ſeinetwegen Umſtaͤnde gehabt und er dafuͤr Verbind- lichkeiten, die ihm eine Kette geworden waͤren. So war es ihr noch ein rechter Troſt, daß er in den Thurm zog; werde er doch taͤglich herabkommen und ſie koͤnne auch oben bei ihm zu halben Tagen ſitzen, ſie waͤren da allein und es haͤtte Niemand etwas drein zu reden; ſo war’s ihr recht. Nach dem Fruͤhſtuͤck ging ſie gleich mit ihrem Jo- hannes den Huͤgel hinauf, wo der Thurm ſtand. Sie war noch ruͤſtig zu Fuße und der Berg ward ihr nicht ſauer, zumal heute nicht, wo ihr Sohn ſie fuͤhrte undſtuͤtzte. Es war ein wundervoller Morgen! Hunderte von Voͤgeln ſan- gen und zwitſcherten in den Baͤumen und die Lerchen zumal tummelten ſich wie freudetrunken in den Luͤften herum. Der Wald, durch den die Haͤlfte des Weges ſich ſchlaͤngelte, machte dieſen ſchattig und angenehm. Ueber den Wald ragte der Thurm hervor. Er war ganz aus Ziegelſteinen maſſenhaft aufgefuͤhrt, die Mauern ſo dick und feſt, daß es ſtaunenswerth war. Die Ringmauer, welche ihn und die ganze alte Burg ſonſt umgeben hatte, ſtand noch zur groͤßten Haͤlfte, der große, finſtere Thor- weg, der unterhalb des Thurmes hereinfuͤhrte, war mit 5 *

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/75>, abgerufen am 04.12.2024.