Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.will ich hin, ich fühle, daß ich diesen armen Leuten eine Genugthuung schuldig bin." "Mein Fräulein -- Sie sind mehr als ein Engel der Armen!" rief er mit Begeisterung. "Sie wissen, was die reichen Leute niemals glauben wollen, daß es auch für die armen Leute süßer ist, das Brod, um das sie betteln müssen, mit einem freundlichen Blick geboten, als mit einer zürnenden Miene vor die Füße geworfen zu erhalten --" er faßte ihre Hand, er hatte es nie wieder gewagt seit jenem Wintersonntagabend, wo er ihr Beschützer gewesen war, und sie ihm die ihrige gegeben hatte -- aber jetzt konnte er nicht anders, er faßte sie mit raschem Drucke. Sie erwiderte diesen leise, sah ihn mit einem unbeschreiblich innigen Blicke an, und sagte sanft: "Wer hat mich denn gelehrt, die Gefühle dieser Unglücklichen zu verstehen?" Beider Augen glänzten feucht -- in diesem Glanz spiegelte Eines das Bild des Andern zurück -- so standen sie einander still gegenüber, ihre Lippen schwiegen, nur diese Blicke sprachen, diese Blicke erzählten das ganze Geheimniß von zwei gleichschlagenden Herzen, und ihre Hände blieben sanft in einander. Nachdem so eine stille, feierliche Minute über sie hingezogen war, sagte Pauline: "Wir gehen zusammen -- lassen Sie und nicht länger zögern." will ich hin, ich fühle, daß ich diesen armen Leuten eine Genugthuung schuldig bin.“ „Mein Fräulein — Sie sind mehr als ein Engel der Armen!“ rief er mit Begeisterung. „Sie wissen, was die reichen Leute niemals glauben wollen, daß es auch für die armen Leute süßer ist, das Brod, um das sie betteln müssen, mit einem freundlichen Blick geboten, als mit einer zürnenden Miene vor die Füße geworfen zu erhalten —“ er faßte ihre Hand, er hatte es nie wieder gewagt seit jenem Wintersonntagabend, wo er ihr Beschützer gewesen war, und sie ihm die ihrige gegeben hatte — aber jetzt konnte er nicht anders, er faßte sie mit raschem Drucke. Sie erwiderte diesen leise, sah ihn mit einem unbeschreiblich innigen Blicke an, und sagte sanft: „Wer hat mich denn gelehrt, die Gefühle dieser Unglücklichen zu verstehen?“ Beider Augen glänzten feucht — in diesem Glanz spiegelte Eines das Bild des Andern zurück — so standen sie einander still gegenüber, ihre Lippen schwiegen, nur diese Blicke sprachen, diese Blicke erzählten das ganze Geheimniß von zwei gleichschlagenden Herzen, und ihre Hände blieben sanft in einander. Nachdem so eine stille, feierliche Minute über sie hingezogen war, sagte Pauline: „Wir gehen zusammen — lassen Sie und nicht länger zögern.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0219" n="209"/> will ich hin, ich fühle, daß ich diesen armen Leuten eine Genugthuung schuldig bin.“</p> <p>„Mein Fräulein — Sie sind mehr als ein Engel der Armen!“ rief er mit Begeisterung. „Sie wissen, was die reichen Leute niemals glauben wollen, daß es auch für die armen Leute süßer ist, das Brod, um das sie betteln müssen, mit einem freundlichen Blick geboten, als mit einer zürnenden Miene vor die Füße geworfen zu erhalten —“ er faßte ihre Hand, er hatte es nie wieder gewagt seit jenem Wintersonntagabend, wo er ihr Beschützer gewesen war, und sie ihm die ihrige gegeben hatte — aber jetzt konnte er nicht anders, er faßte sie mit raschem Drucke.</p> <p>Sie erwiderte diesen leise, sah ihn mit einem unbeschreiblich innigen Blicke an, und sagte sanft: „Wer hat mich denn gelehrt, die Gefühle dieser Unglücklichen zu verstehen?“</p> <p>Beider Augen glänzten feucht — in diesem Glanz spiegelte Eines das Bild des Andern zurück — so standen sie einander still gegenüber, ihre Lippen schwiegen, nur diese Blicke sprachen, diese Blicke erzählten das ganze Geheimniß von zwei gleichschlagenden Herzen, und ihre Hände blieben sanft in einander.</p> <p>Nachdem so eine stille, feierliche Minute über sie hingezogen war, sagte Pauline: „Wir gehen zusammen — lassen Sie und nicht länger zögern.“</p> </div> </body> </text> </TEI> [209/0219]
will ich hin, ich fühle, daß ich diesen armen Leuten eine Genugthuung schuldig bin.“
„Mein Fräulein — Sie sind mehr als ein Engel der Armen!“ rief er mit Begeisterung. „Sie wissen, was die reichen Leute niemals glauben wollen, daß es auch für die armen Leute süßer ist, das Brod, um das sie betteln müssen, mit einem freundlichen Blick geboten, als mit einer zürnenden Miene vor die Füße geworfen zu erhalten —“ er faßte ihre Hand, er hatte es nie wieder gewagt seit jenem Wintersonntagabend, wo er ihr Beschützer gewesen war, und sie ihm die ihrige gegeben hatte — aber jetzt konnte er nicht anders, er faßte sie mit raschem Drucke.
Sie erwiderte diesen leise, sah ihn mit einem unbeschreiblich innigen Blicke an, und sagte sanft: „Wer hat mich denn gelehrt, die Gefühle dieser Unglücklichen zu verstehen?“
Beider Augen glänzten feucht — in diesem Glanz spiegelte Eines das Bild des Andern zurück — so standen sie einander still gegenüber, ihre Lippen schwiegen, nur diese Blicke sprachen, diese Blicke erzählten das ganze Geheimniß von zwei gleichschlagenden Herzen, und ihre Hände blieben sanft in einander.
Nachdem so eine stille, feierliche Minute über sie hingezogen war, sagte Pauline: „Wir gehen zusammen — lassen Sie und nicht länger zögern.“
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