Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

hast Du? Gewiß, ich werde Alles aufbieten, ihn Dir zu erfüllen!"

"Du weißt, daß ich sterben muß," begann sie milder, als sie vorhin sprach, und er fiel ihr in's Wort und rief:

"O, sprich nicht so!"

Aber sie bat weiter: "Unterbrich mich nicht, um mich zu schonen, es ist mir ja Erleichterung, wenn ich einmal frei sprechen darf. Suche mir das nicht zu verheimlichen, was ich ja doch wünschen muß. Laß mich reden. Höre mir zu. Du hast es selbst mit angesehen, wie oft der Tod zu mir gekommen ist -- er packte mich, warf mich hin und her, daß ich vor unsäglichen Schmerzen stöhnen und wimmern mußte, wie ein Kind -- aber die Stunde ging vorüber, und der Tod mit ihr -- ich blieb immer noch sein zuckendes Opfer -- und nun ist es mir klar geworden, warum ich nicht sterben kann -- ich soll nicht unversöhnt aus dem Leben gehen. Ich bedarf der Verzeihung zweier Menschen, an denen ich mich schwer vergangen habe -- Deiner und seiner -- -- --"

Sie hielt inne -- er sah sie fragend an und sprach kein Wort. Nach einer Pause fuhr sie fort:

"Johannes! -- Auf dem Sterbebette lass' mich nicht mehr heucheln. Nicht aus Liebe ward ich Dein Weib -- in diesem Herzen hat ewig nur das Bild eines Andern gelebt!" sie sprach die letzten Worte kaum hörbar und mit

hast Du? Gewiß, ich werde Alles aufbieten, ihn Dir zu erfüllen!“

„Du weißt, daß ich sterben muß,“ begann sie milder, als sie vorhin sprach, und er fiel ihr in’s Wort und rief:

„O, sprich nicht so!“

Aber sie bat weiter: „Unterbrich mich nicht, um mich zu schonen, es ist mir ja Erleichterung, wenn ich einmal frei sprechen darf. Suche mir das nicht zu verheimlichen, was ich ja doch wünschen muß. Laß mich reden. Höre mir zu. Du hast es selbst mit angesehen, wie oft der Tod zu mir gekommen ist — er packte mich, warf mich hin und her, daß ich vor unsäglichen Schmerzen stöhnen und wimmern mußte, wie ein Kind — aber die Stunde ging vorüber, und der Tod mit ihr — ich blieb immer noch sein zuckendes Opfer — und nun ist es mir klar geworden, warum ich nicht sterben kann — ich soll nicht unversöhnt aus dem Leben gehen. Ich bedarf der Verzeihung zweier Menschen, an denen ich mich schwer vergangen habe — Deiner und seiner — — —“

Sie hielt inne — er sah sie fragend an und sprach kein Wort. Nach einer Pause fuhr sie fort:

„Johannes! — Auf dem Sterbebette lass’ mich nicht mehr heucheln. Nicht aus Liebe ward ich Dein Weib — in diesem Herzen hat ewig nur das Bild eines Andern gelebt!“ sie sprach die letzten Worte kaum hörbar und mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0032" n="22"/>
hast Du? Gewiß, ich werde Alles aufbieten, ihn Dir zu erfüllen!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Du weißt, daß ich sterben muß,&#x201C; begann sie milder, als sie vorhin sprach, und er fiel ihr in&#x2019;s Wort und rief:</p>
        <p>&#x201E;O, sprich nicht so!&#x201C;</p>
        <p>Aber sie bat weiter: &#x201E;Unterbrich mich nicht, um mich zu schonen, es ist mir ja Erleichterung, wenn ich einmal frei sprechen darf. Suche mir das nicht zu verheimlichen, was ich ja doch wünschen muß. Laß mich reden. Höre mir zu. Du hast es selbst mit angesehen, wie oft der Tod zu mir gekommen ist &#x2014; er packte mich, warf mich hin und her, daß ich vor unsäglichen Schmerzen stöhnen und wimmern mußte, wie ein Kind &#x2014; aber die Stunde ging vorüber, und der Tod mit ihr &#x2014; ich blieb immer noch sein zuckendes Opfer &#x2014; und nun ist es mir klar geworden, warum ich nicht sterben kann &#x2014; ich soll nicht unversöhnt aus dem Leben gehen. Ich bedarf der Verzeihung zweier Menschen, an denen ich mich schwer vergangen habe &#x2014; Deiner und seiner &#x2014; &#x2014; &#x2014;&#x201C;</p>
        <p>Sie hielt inne &#x2014; er sah sie fragend an und sprach kein Wort. Nach einer Pause fuhr sie fort:</p>
        <p>&#x201E;Johannes! &#x2014; Auf dem Sterbebette lass&#x2019; mich nicht mehr heucheln. Nicht aus Liebe ward ich Dein Weib &#x2014; in diesem Herzen hat ewig nur das Bild eines Andern gelebt!&#x201C; sie sprach die letzten Worte kaum hörbar und mit
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0032] hast Du? Gewiß, ich werde Alles aufbieten, ihn Dir zu erfüllen!“ „Du weißt, daß ich sterben muß,“ begann sie milder, als sie vorhin sprach, und er fiel ihr in’s Wort und rief: „O, sprich nicht so!“ Aber sie bat weiter: „Unterbrich mich nicht, um mich zu schonen, es ist mir ja Erleichterung, wenn ich einmal frei sprechen darf. Suche mir das nicht zu verheimlichen, was ich ja doch wünschen muß. Laß mich reden. Höre mir zu. Du hast es selbst mit angesehen, wie oft der Tod zu mir gekommen ist — er packte mich, warf mich hin und her, daß ich vor unsäglichen Schmerzen stöhnen und wimmern mußte, wie ein Kind — aber die Stunde ging vorüber, und der Tod mit ihr — ich blieb immer noch sein zuckendes Opfer — und nun ist es mir klar geworden, warum ich nicht sterben kann — ich soll nicht unversöhnt aus dem Leben gehen. Ich bedarf der Verzeihung zweier Menschen, an denen ich mich schwer vergangen habe — Deiner und seiner — — —“ Sie hielt inne — er sah sie fragend an und sprach kein Wort. Nach einer Pause fuhr sie fort: „Johannes! — Auf dem Sterbebette lass’ mich nicht mehr heucheln. Nicht aus Liebe ward ich Dein Weib — in diesem Herzen hat ewig nur das Bild eines Andern gelebt!“ sie sprach die letzten Worte kaum hörbar und mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-23T11:52:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-23T11:52:15Z)
HATHI TRUST Digital Library: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-23T11:52:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/32
Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/32>, abgerufen am 03.12.2024.