Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.-- diese Armuth wagte er Niemand einzugestehen, denn in der Stadt, in der er jetzt lebte, hatte er keine Freunde, die er um Hülfe hätte angehen können, und Bekannte in Anspruch zu nehmen, war er zu stolz. Sein Gehalt reichte nur gerade hin, ihn mit Weib und Kind zu ernähren, weiter nicht -- die lange Krankheit hatte ihn bereits in Schulden und Verbindlichkeiten verwickelt, die ihm unerträglich waren, und um sie nicht noch zu mehren, um nicht sich und seine Familie noch immer tiefer in eines jener Labyrinthe des Elends zu führen, aus welchen der Rückweg so schwer zu finden ist, hatte er der Kranken hie und da einen jener grilligen Wünsche unerfüllt lassen müssen, an denen Kranke gewöhnlich so reich sind, und deren Erfüllung ihnen weder Erleichterung noch Freude giebt, deren Verweigerung sie aber unmuthig macht. Thalheim hatte das Bewußtsein, daß er mit Aufopferung aller seiner Kräfte Alles für seine Frau that, was ihm irgend möglich war. Er hatte nie ein Wort des Dankes, der Anerkennung von ihr verlangt, denn er sagte sich, daß er nur seine Pflicht thue, -- aber statt eines milden Liebesblickes, nach dem er sich sehnte, gab sie ihm Vorwürfe. -- Aber jener einzige Blick aufwärts und ein schnell wieder unterdrücktes Zucken um den Mund war Alles, wodurch er einen Moment seiner heftigen innern Bewegung einen Ausdruck geben mußte, er sagte mit unveränderter Freundlichkeit: "Und welchen Wunsch — diese Armuth wagte er Niemand einzugestehen, denn in der Stadt, in der er jetzt lebte, hatte er keine Freunde, die er um Hülfe hätte angehen können, und Bekannte in Anspruch zu nehmen, war er zu stolz. Sein Gehalt reichte nur gerade hin, ihn mit Weib und Kind zu ernähren, weiter nicht — die lange Krankheit hatte ihn bereits in Schulden und Verbindlichkeiten verwickelt, die ihm unerträglich waren, und um sie nicht noch zu mehren, um nicht sich und seine Familie noch immer tiefer in eines jener Labyrinthe des Elends zu führen, aus welchen der Rückweg so schwer zu finden ist, hatte er der Kranken hie und da einen jener grilligen Wünsche unerfüllt lassen müssen, an denen Kranke gewöhnlich so reich sind, und deren Erfüllung ihnen weder Erleichterung noch Freude giebt, deren Verweigerung sie aber unmuthig macht. Thalheim hatte das Bewußtsein, daß er mit Aufopferung aller seiner Kräfte Alles für seine Frau that, was ihm irgend möglich war. Er hatte nie ein Wort des Dankes, der Anerkennung von ihr verlangt, denn er sagte sich, daß er nur seine Pflicht thue, — aber statt eines milden Liebesblickes, nach dem er sich sehnte, gab sie ihm Vorwürfe. — Aber jener einzige Blick aufwärts und ein schnell wieder unterdrücktes Zucken um den Mund war Alles, wodurch er einen Moment seiner heftigen innern Bewegung einen Ausdruck geben mußte, er sagte mit unveränderter Freundlichkeit: „Und welchen Wunsch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0031" n="21"/> — diese Armuth wagte er Niemand einzugestehen, denn in der Stadt, in der er jetzt lebte, hatte er keine Freunde, die er um Hülfe hätte angehen können, und Bekannte in Anspruch zu nehmen, war er zu stolz. Sein Gehalt reichte nur gerade hin, ihn mit Weib und Kind zu ernähren, weiter nicht — die lange Krankheit hatte ihn bereits in Schulden und Verbindlichkeiten verwickelt, die ihm unerträglich waren, und um sie nicht noch zu mehren, um nicht sich und seine Familie noch immer tiefer in eines jener Labyrinthe des Elends zu führen, aus welchen der Rückweg so schwer zu finden ist, hatte er der Kranken hie und da einen jener grilligen Wünsche unerfüllt lassen müssen, an denen Kranke gewöhnlich so reich sind, und deren Erfüllung ihnen weder Erleichterung noch Freude giebt, deren Verweigerung sie aber unmuthig macht. Thalheim hatte das Bewußtsein, daß er mit Aufopferung aller seiner Kräfte Alles für seine Frau that, was ihm irgend möglich war. Er hatte nie ein Wort des Dankes, der Anerkennung von ihr verlangt, denn er sagte sich, daß er nur seine Pflicht thue, — aber statt eines milden Liebesblickes, nach dem er sich sehnte, gab sie ihm Vorwürfe. — Aber jener einzige Blick aufwärts und ein schnell wieder unterdrücktes Zucken um den Mund war Alles, wodurch er einen Moment seiner heftigen innern Bewegung einen Ausdruck geben mußte, er sagte mit unveränderter Freundlichkeit: „Und welchen Wunsch </p> </div> </body> </text> </TEI> [21/0031]
— diese Armuth wagte er Niemand einzugestehen, denn in der Stadt, in der er jetzt lebte, hatte er keine Freunde, die er um Hülfe hätte angehen können, und Bekannte in Anspruch zu nehmen, war er zu stolz. Sein Gehalt reichte nur gerade hin, ihn mit Weib und Kind zu ernähren, weiter nicht — die lange Krankheit hatte ihn bereits in Schulden und Verbindlichkeiten verwickelt, die ihm unerträglich waren, und um sie nicht noch zu mehren, um nicht sich und seine Familie noch immer tiefer in eines jener Labyrinthe des Elends zu führen, aus welchen der Rückweg so schwer zu finden ist, hatte er der Kranken hie und da einen jener grilligen Wünsche unerfüllt lassen müssen, an denen Kranke gewöhnlich so reich sind, und deren Erfüllung ihnen weder Erleichterung noch Freude giebt, deren Verweigerung sie aber unmuthig macht. Thalheim hatte das Bewußtsein, daß er mit Aufopferung aller seiner Kräfte Alles für seine Frau that, was ihm irgend möglich war. Er hatte nie ein Wort des Dankes, der Anerkennung von ihr verlangt, denn er sagte sich, daß er nur seine Pflicht thue, — aber statt eines milden Liebesblickes, nach dem er sich sehnte, gab sie ihm Vorwürfe. — Aber jener einzige Blick aufwärts und ein schnell wieder unterdrücktes Zucken um den Mund war Alles, wodurch er einen Moment seiner heftigen innern Bewegung einen Ausdruck geben mußte, er sagte mit unveränderter Freundlichkeit: „Und welchen Wunsch
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