Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.In den Ferien kam er nur auf den ausdrücklichen Wunsch seines Oheims in dessen Haus, wo er sich gedrückt fühlte. Jaromir war fest entschlossen, so bald als möglich die Wohlthaten seines Oheims nicht mehr anzunehmen, deshalb studirte er. -- Aber was konnte es ihm nützen? Konnte ein vertriebener Pole auf eine Anstellung in Deutschen Staaten rechnen? -- Er griff zu dem einzigen Mittel, welches ihm übrig blieb, um wenigstens im Augenblick eine kleine Quelle des Erwerbes sich zu öffnen -- er ward Schriftsteller! Er hatte Genie -- und er schrieb mit Begeisterung -- er wählte den neuen Beruf nicht allein aus Noth, und weil keine Wahl ihm blieb, er war ihm zugethan mit Lust und Liebe. Aber trauriges Schicksal des Armen, der in Deutschland der Muse leben will, und zugleich auch gezwungen ist, von ihr zu leben! Jaromir entging ihm nicht -- -- -- oft, wenn er sich gedrungen fühlte, die Feder zur Hand zu nehmen, und ein Lied niederschreiben wollte, wie er es tief im Herzen fühlte -- oft warf er das kleine Blatt Papier wieder weg, auf das er die erste Zeile geschrieben, und griff nach einem großen Bogen, denn noch heute mußte der Journalartikel fertig sein, den er zu liefern versprochen hatte, und den man ihm gut bezahlte; das Lied aber bezahlte ihm Niemand, kaum daß es im Winkel irgend einer Zeitschrift überhaupt auf einen Platz rechnen konnte, und so wurde es in der Geburt erstickt, der bestellte Artikel hingeschrieben In den Ferien kam er nur auf den ausdrücklichen Wunsch seines Oheims in dessen Haus, wo er sich gedrückt fühlte. Jaromir war fest entschlossen, so bald als möglich die Wohlthaten seines Oheims nicht mehr anzunehmen, deshalb studirte er. — Aber was konnte es ihm nützen? Konnte ein vertriebener Pole auf eine Anstellung in Deutschen Staaten rechnen? — Er griff zu dem einzigen Mittel, welches ihm übrig blieb, um wenigstens im Augenblick eine kleine Quelle des Erwerbes sich zu öffnen — er ward Schriftsteller! Er hatte Genie — und er schrieb mit Begeisterung — er wählte den neuen Beruf nicht allein aus Noth, und weil keine Wahl ihm blieb, er war ihm zugethan mit Lust und Liebe. Aber trauriges Schicksal des Armen, der in Deutschland der Muse leben will, und zugleich auch gezwungen ist, von ihr zu leben! Jaromir entging ihm nicht — — — oft, wenn er sich gedrungen fühlte, die Feder zur Hand zu nehmen, und ein Lied niederschreiben wollte, wie er es tief im Herzen fühlte — oft warf er das kleine Blatt Papier wieder weg, auf das er die erste Zeile geschrieben, und griff nach einem großen Bogen, denn noch heute mußte der Journalartikel fertig sein, den er zu liefern versprochen hatte, und den man ihm gut bezahlte; das Lied aber bezahlte ihm Niemand, kaum daß es im Winkel irgend einer Zeitschrift überhaupt auf einen Platz rechnen konnte, und so wurde es in der Geburt erstickt, der bestellte Artikel hingeschrieben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0054" n="44"/> In den Ferien kam er nur auf den ausdrücklichen Wunsch seines Oheims in dessen Haus, wo er sich gedrückt fühlte. Jaromir war fest entschlossen, so bald als möglich die Wohlthaten seines Oheims nicht mehr anzunehmen, deshalb studirte er. — Aber was konnte es ihm nützen? Konnte ein vertriebener Pole auf eine Anstellung in Deutschen Staaten rechnen? — Er griff zu dem einzigen Mittel, welches ihm übrig blieb, um wenigstens im Augenblick eine kleine Quelle des Erwerbes sich zu öffnen — er ward Schriftsteller! Er hatte Genie — und er schrieb mit Begeisterung — er wählte den neuen Beruf nicht allein aus Noth, und weil keine Wahl ihm blieb, er war ihm zugethan mit Lust und Liebe. Aber trauriges Schicksal des Armen, der in Deutschland der Muse leben will, und zugleich auch gezwungen ist, von ihr zu leben! Jaromir entging ihm nicht — — — oft, wenn er sich gedrungen fühlte, die Feder zur Hand zu nehmen, und ein Lied niederschreiben wollte, wie er es tief im Herzen fühlte — oft warf er das kleine Blatt Papier wieder weg, auf das er die erste Zeile geschrieben, und griff nach einem großen Bogen, denn noch heute mußte der Journalartikel fertig sein, den er zu liefern versprochen hatte, und den man ihm gut bezahlte; das Lied aber bezahlte ihm Niemand, kaum daß es im Winkel irgend einer Zeitschrift überhaupt auf einen Platz rechnen konnte, und so wurde es in der Geburt erstickt, der bestellte Artikel hingeschrieben </p> </div> </body> </text> </TEI> [44/0054]
In den Ferien kam er nur auf den ausdrücklichen Wunsch seines Oheims in dessen Haus, wo er sich gedrückt fühlte. Jaromir war fest entschlossen, so bald als möglich die Wohlthaten seines Oheims nicht mehr anzunehmen, deshalb studirte er. — Aber was konnte es ihm nützen? Konnte ein vertriebener Pole auf eine Anstellung in Deutschen Staaten rechnen? — Er griff zu dem einzigen Mittel, welches ihm übrig blieb, um wenigstens im Augenblick eine kleine Quelle des Erwerbes sich zu öffnen — er ward Schriftsteller! Er hatte Genie — und er schrieb mit Begeisterung — er wählte den neuen Beruf nicht allein aus Noth, und weil keine Wahl ihm blieb, er war ihm zugethan mit Lust und Liebe. Aber trauriges Schicksal des Armen, der in Deutschland der Muse leben will, und zugleich auch gezwungen ist, von ihr zu leben! Jaromir entging ihm nicht — — — oft, wenn er sich gedrungen fühlte, die Feder zur Hand zu nehmen, und ein Lied niederschreiben wollte, wie er es tief im Herzen fühlte — oft warf er das kleine Blatt Papier wieder weg, auf das er die erste Zeile geschrieben, und griff nach einem großen Bogen, denn noch heute mußte der Journalartikel fertig sein, den er zu liefern versprochen hatte, und den man ihm gut bezahlte; das Lied aber bezahlte ihm Niemand, kaum daß es im Winkel irgend einer Zeitschrift überhaupt auf einen Platz rechnen konnte, und so wurde es in der Geburt erstickt, der bestellte Artikel hingeschrieben
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-08-23T11:52:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-23T11:52:15Z)
HATHI TRUST Digital Library: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-08-23T11:52:15Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |