Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.Er lehnte sein Haupt mit der Stirn auf das Sophakissen, drückte noch beide Hände vor, als wolle er gar Nichts sehen von der Außenwelt, und versank in ein tiefes Sinnen. Polen war gefallen, und Jaromir war in den ersten Jünglingsjahren mit seiner deutschen Mutter nach Deutschland geflüchtet. Der Vater war im Kampf geblieben -- ein Bruder der Mutter nahm die armen Flüchtlinge auf seinem Gute auf. Die Gräfin Szariny, die in der letzten Zeit so viel erlebt hatte, alle Schrecknisse des Kriegs, alle Gefahren und blutigen Scenen der Revolution, den blutigen Tod des Gatten, den Verlust ihrer großen Standesherrschaft und all' ihres Reichthums, so daß sie zuletzt in rascher Flucht Nichts retten konnte, als das Leben des einzigen, theuern Sohnes und ihr eigenes -- erlag bald so vielfachen Lebensstürmen und starb. Ihr Bruder, Graf Galzenau, versprach der Sterbenden, sich ihres Sohnes anzunehmen. Der Graf war verheirathet, und hatte selbst eine zahlreiche Familie, und ein im Verhältniß zu dieser und seinem Stand nicht eben beträchtliches Vermögen. Er selbst that für den Schwestersohn, was er thun konnte, aber die Seinigen sahen immer ein Wenig scheel auf den. Polenflüchtling, und behandelten ihn nie mit verwandtschaftlicher Herzlichkeit, sondern oft mit kaltem Stolz, mit verächtlicher Zurücksetzung. So lernte Jaromir früh das Leben von der ernstesten Seite kennen; er bezog ein Gymnasium, und dann die Universität. Er lehnte sein Haupt mit der Stirn auf das Sophakissen, drückte noch beide Hände vor, als wolle er gar Nichts sehen von der Außenwelt, und versank in ein tiefes Sinnen. Polen war gefallen, und Jaromir war in den ersten Jünglingsjahren mit seiner deutschen Mutter nach Deutschland geflüchtet. Der Vater war im Kampf geblieben — ein Bruder der Mutter nahm die armen Flüchtlinge auf seinem Gute auf. Die Gräfin Szariny, die in der letzten Zeit so viel erlebt hatte, alle Schrecknisse des Kriegs, alle Gefahren und blutigen Scenen der Revolution, den blutigen Tod des Gatten, den Verlust ihrer großen Standesherrschaft und all’ ihres Reichthums, so daß sie zuletzt in rascher Flucht Nichts retten konnte, als das Leben des einzigen, theuern Sohnes und ihr eigenes — erlag bald so vielfachen Lebensstürmen und starb. Ihr Bruder, Graf Galzenau, versprach der Sterbenden, sich ihres Sohnes anzunehmen. Der Graf war verheirathet, und hatte selbst eine zahlreiche Familie, und ein im Verhältniß zu dieser und seinem Stand nicht eben beträchtliches Vermögen. Er selbst that für den Schwestersohn, was er thun konnte, aber die Seinigen sahen immer ein Wenig scheel auf den. Polenflüchtling, und behandelten ihn nie mit verwandtschaftlicher Herzlichkeit, sondern oft mit kaltem Stolz, mit verächtlicher Zurücksetzung. So lernte Jaromir früh das Leben von der ernstesten Seite kennen; er bezog ein Gymnasium, und dann die Universität. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0053" n="43"/> <p> Er lehnte sein Haupt mit der Stirn auf das Sophakissen, drückte noch beide Hände vor, als wolle er gar Nichts sehen von der Außenwelt, und versank in ein tiefes Sinnen.</p> <p>Polen war gefallen, und Jaromir war in den ersten Jünglingsjahren mit seiner deutschen Mutter nach Deutschland geflüchtet. Der Vater war im Kampf geblieben — ein Bruder der Mutter nahm die armen Flüchtlinge auf seinem Gute auf. Die Gräfin Szariny, die in der letzten Zeit so viel erlebt hatte, alle Schrecknisse des Kriegs, alle Gefahren und blutigen Scenen der Revolution, den blutigen Tod des Gatten, den Verlust ihrer großen Standesherrschaft und all’ ihres Reichthums, so daß sie zuletzt in rascher Flucht Nichts retten konnte, als das Leben des einzigen, theuern Sohnes und ihr eigenes — erlag bald so vielfachen Lebensstürmen und starb. Ihr Bruder, Graf Galzenau, versprach der Sterbenden, sich ihres Sohnes anzunehmen. Der Graf war verheirathet, und hatte selbst eine zahlreiche Familie, und ein im Verhältniß zu dieser und seinem Stand nicht eben beträchtliches Vermögen. Er selbst that für den Schwestersohn, was er thun konnte, aber die Seinigen sahen immer ein Wenig scheel auf den. Polenflüchtling, und behandelten ihn nie mit verwandtschaftlicher Herzlichkeit, sondern oft mit kaltem Stolz, mit verächtlicher Zurücksetzung. So lernte Jaromir früh das Leben von der ernstesten Seite kennen; er bezog ein Gymnasium, und dann die Universität. </p> </div> </body> </text> </TEI> [43/0053]
Er lehnte sein Haupt mit der Stirn auf das Sophakissen, drückte noch beide Hände vor, als wolle er gar Nichts sehen von der Außenwelt, und versank in ein tiefes Sinnen.
Polen war gefallen, und Jaromir war in den ersten Jünglingsjahren mit seiner deutschen Mutter nach Deutschland geflüchtet. Der Vater war im Kampf geblieben — ein Bruder der Mutter nahm die armen Flüchtlinge auf seinem Gute auf. Die Gräfin Szariny, die in der letzten Zeit so viel erlebt hatte, alle Schrecknisse des Kriegs, alle Gefahren und blutigen Scenen der Revolution, den blutigen Tod des Gatten, den Verlust ihrer großen Standesherrschaft und all’ ihres Reichthums, so daß sie zuletzt in rascher Flucht Nichts retten konnte, als das Leben des einzigen, theuern Sohnes und ihr eigenes — erlag bald so vielfachen Lebensstürmen und starb. Ihr Bruder, Graf Galzenau, versprach der Sterbenden, sich ihres Sohnes anzunehmen. Der Graf war verheirathet, und hatte selbst eine zahlreiche Familie, und ein im Verhältniß zu dieser und seinem Stand nicht eben beträchtliches Vermögen. Er selbst that für den Schwestersohn, was er thun konnte, aber die Seinigen sahen immer ein Wenig scheel auf den. Polenflüchtling, und behandelten ihn nie mit verwandtschaftlicher Herzlichkeit, sondern oft mit kaltem Stolz, mit verächtlicher Zurücksetzung. So lernte Jaromir früh das Leben von der ernstesten Seite kennen; er bezog ein Gymnasium, und dann die Universität.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-08-23T11:52:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-23T11:52:15Z)
HATHI TRUST Digital Library: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-08-23T11:52:15Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |