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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.

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daß sie fremdes Mitleid in Anspruch nahm -- und diese vornehmen Fräuleins antworteten ihr mit Gelächter --" sagte Pauline mit Bitterkeit, indem sie inne hielt.

"Es war auch ein ganz närrischer Auftritt," sagte ein Fräulein -- "die Bettlerin nahm sich sehr possirlich aus, und Pauline machte die Scene vollkommen, indem sie uns trotz dem besten Kanzelredner eine hochtrabende Strafpredigt hielt -- ihr Eifer war es, über den wir natürlich noch mehr lachen mußten, und darüber, daß sich überhaupt >Mamsell Paulinchen< unterstand, sich zu unsrer Gouvernante und Sittenrichterin aufzuwerfen."

"Es kann sein, daß ich mich vergessen habe," sagte Pauline, "aber ich war jetzt nicht die Erste von uns, der dies geschah --"

"Lass' das gut sein," unterbrach Elisabeth. "Was antwortetest Du der Armen?"

"Ich hatte zum Glück in meiner Schürzentasche einen Thaler, da ich mir eben Etwas wollte holen lassen -- den gab ich dem Mädchen mit dem Bemerken, daß ich nächstens zur kranken Mutter kommen würde. Wenn sie Thalheim zu mir geschickt, so würde er mir auch sagen können, womit ihrer Noth am Besten geholfen sei. -- Sie wollte mir die Hand küssen, aber das duld' ich von Niemand, so umarmte ich sie, und bat sie, so schnell als möglich zur kranken Mutter zu gehen, und drängte sie fort, denn ich wollte

daß sie fremdes Mitleid in Anspruch nahm — und diese vornehmen Fräuleins antworteten ihr mit Gelächter —“ sagte Pauline mit Bitterkeit, indem sie inne hielt.

„Es war auch ein ganz närrischer Auftritt,“ sagte ein Fräulein — „die Bettlerin nahm sich sehr possirlich aus, und Pauline machte die Scene vollkommen, indem sie uns trotz dem besten Kanzelredner eine hochtrabende Strafpredigt hielt — ihr Eifer war es, über den wir natürlich noch mehr lachen mußten, und darüber, daß sich überhaupt ›Mamsell Paulinchen‹ unterstand, sich zu unsrer Gouvernante und Sittenrichterin aufzuwerfen.“

„Es kann sein, daß ich mich vergessen habe,“ sagte Pauline, „aber ich war jetzt nicht die Erste von uns, der dies geschah —“

„Lass’ das gut sein,“ unterbrach Elisabeth. „Was antwortetest Du der Armen?“

„Ich hatte zum Glück in meiner Schürzentasche einen Thaler, da ich mir eben Etwas wollte holen lassen — den gab ich dem Mädchen mit dem Bemerken, daß ich nächstens zur kranken Mutter kommen würde. Wenn sie Thalheim zu mir geschickt, so würde er mir auch sagen können, womit ihrer Noth am Besten geholfen sei. — Sie wollte mir die Hand küssen, aber das duld’ ich von Niemand, so umarmte ich sie, und bat sie, so schnell als möglich zur kranken Mutter zu gehen, und drängte sie fort, denn ich wollte

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[62/0072] daß sie fremdes Mitleid in Anspruch nahm — und diese vornehmen Fräuleins antworteten ihr mit Gelächter —“ sagte Pauline mit Bitterkeit, indem sie inne hielt. „Es war auch ein ganz närrischer Auftritt,“ sagte ein Fräulein — „die Bettlerin nahm sich sehr possirlich aus, und Pauline machte die Scene vollkommen, indem sie uns trotz dem besten Kanzelredner eine hochtrabende Strafpredigt hielt — ihr Eifer war es, über den wir natürlich noch mehr lachen mußten, und darüber, daß sich überhaupt ›Mamsell Paulinchen‹ unterstand, sich zu unsrer Gouvernante und Sittenrichterin aufzuwerfen.“ „Es kann sein, daß ich mich vergessen habe,“ sagte Pauline, „aber ich war jetzt nicht die Erste von uns, der dies geschah —“ „Lass’ das gut sein,“ unterbrach Elisabeth. „Was antwortetest Du der Armen?“ „Ich hatte zum Glück in meiner Schürzentasche einen Thaler, da ich mir eben Etwas wollte holen lassen — den gab ich dem Mädchen mit dem Bemerken, daß ich nächstens zur kranken Mutter kommen würde. Wenn sie Thalheim zu mir geschickt, so würde er mir auch sagen können, womit ihrer Noth am Besten geholfen sei. — Sie wollte mir die Hand küssen, aber das duld’ ich von Niemand, so umarmte ich sie, und bat sie, so schnell als möglich zur kranken Mutter zu gehen, und drängte sie fort, denn ich wollte

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/72>, abgerufen am 24.11.2024.