Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.Elisabeth neigte sich zu ihr: "Mich auch?" fragte sie. "Kennst Du mich denn?" "Nein," antwortete Annchen kleinlaut, und fing an mit der goldnen Kette zu spielen, welche an Elisabeths Halse herabhing. Diese fragte: "Wie heißt Du denn weiter, Anna?" "Es ist das einzige Kind vom Doctor Thalheim, der mit mir in einer Etage wohnt," antwortete Henriette für das Kind. -- "Die arme Mutter ist so krank, überhaupt immer so häßlich gegen das liebe Kind, daß ich es seit mehreren Wochen ganz mit zu mir herüber genommen habe." Da war nun auf einmal Elisabeth der Erreichung ihres Zweckes so nahe! "Ist die Doctor Thalheim ohne Aussicht auf Rettung krank?" fragte sie. "Es wäre ihr wohl eine baldige Erlösung zu wünschen, freilich mehr noch für Mann und Kind, denn sie ist die grilligste Kranke, die mir vorgekommen, und dadurch ist die Noth auf's Höchste bei ihnen gestiegen -- man sieht es dem Doctor an, wie viel er leidet, obwohl er es Allen zu verbergen strebt -- er ist der edelste Mann, den ich kenne." Während die Blumenfabrikantin so sprach, spielte das Kind noch immer mit Elisabeths Fingern unter dem seidnen Handschuh, und diese sagte jetzt zu jener leise: "Ich mögte Elisabeth neigte sich zu ihr: „Mich auch?“ fragte sie. „Kennst Du mich denn?“ „Nein,“ antwortete Annchen kleinlaut, und fing an mit der goldnen Kette zu spielen, welche an Elisabeths Halse herabhing. Diese fragte: „Wie heißt Du denn weiter, Anna?“ „Es ist das einzige Kind vom Doctor Thalheim, der mit mir in einer Etage wohnt,“ antwortete Henriette für das Kind. — „Die arme Mutter ist so krank, überhaupt immer so häßlich gegen das liebe Kind, daß ich es seit mehreren Wochen ganz mit zu mir herüber genommen habe.“ Da war nun auf einmal Elisabeth der Erreichung ihres Zweckes so nahe! „Ist die Doctor Thalheim ohne Aussicht auf Rettung krank?“ fragte sie. „Es wäre ihr wohl eine baldige Erlösung zu wünschen, freilich mehr noch für Mann und Kind, denn sie ist die grilligste Kranke, die mir vorgekommen, und dadurch ist die Noth auf’s Höchste bei ihnen gestiegen — man sieht es dem Doctor an, wie viel er leidet, obwohl er es Allen zu verbergen strebt — er ist der edelste Mann, den ich kenne.“ Während die Blumenfabrikantin so sprach, spielte das Kind noch immer mit Elisabeths Fingern unter dem seidnen Handschuh, und diese sagte jetzt zu jener leise: „Ich mögte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0077" n="67"/> <p> Elisabeth neigte sich zu ihr: „Mich auch?“ fragte sie. „Kennst Du mich denn?“</p> <p>„Nein,“ antwortete Annchen kleinlaut, und fing an mit der goldnen Kette zu spielen, welche an Elisabeths Halse herabhing. Diese fragte:</p> <p>„Wie heißt Du denn weiter, Anna?“</p> <p>„Es ist das einzige Kind vom Doctor Thalheim, der mit mir in einer Etage wohnt,“ antwortete Henriette für das Kind. — „Die arme Mutter ist so krank, überhaupt immer so häßlich gegen das liebe Kind, daß ich es seit mehreren Wochen ganz mit zu mir herüber genommen habe.“</p> <p>Da war nun auf einmal Elisabeth der Erreichung ihres Zweckes so nahe!</p> <p>„Ist die Doctor Thalheim ohne Aussicht auf Rettung krank?“ fragte sie.</p> <p>„Es wäre ihr wohl eine baldige Erlösung zu wünschen, freilich mehr noch für Mann und Kind, denn sie ist die grilligste Kranke, die mir vorgekommen, und dadurch ist die Noth auf’s Höchste bei ihnen gestiegen — man sieht es dem Doctor an, wie viel er leidet, obwohl er es Allen zu verbergen strebt — er ist der edelste Mann, den ich kenne.“</p> <p>Während die Blumenfabrikantin so sprach, spielte das Kind noch immer mit Elisabeths Fingern unter dem seidnen Handschuh, und diese sagte jetzt zu jener leise: „Ich mögte </p> </div> </body> </text> </TEI> [67/0077]
Elisabeth neigte sich zu ihr: „Mich auch?“ fragte sie. „Kennst Du mich denn?“
„Nein,“ antwortete Annchen kleinlaut, und fing an mit der goldnen Kette zu spielen, welche an Elisabeths Halse herabhing. Diese fragte:
„Wie heißt Du denn weiter, Anna?“
„Es ist das einzige Kind vom Doctor Thalheim, der mit mir in einer Etage wohnt,“ antwortete Henriette für das Kind. — „Die arme Mutter ist so krank, überhaupt immer so häßlich gegen das liebe Kind, daß ich es seit mehreren Wochen ganz mit zu mir herüber genommen habe.“
Da war nun auf einmal Elisabeth der Erreichung ihres Zweckes so nahe!
„Ist die Doctor Thalheim ohne Aussicht auf Rettung krank?“ fragte sie.
„Es wäre ihr wohl eine baldige Erlösung zu wünschen, freilich mehr noch für Mann und Kind, denn sie ist die grilligste Kranke, die mir vorgekommen, und dadurch ist die Noth auf’s Höchste bei ihnen gestiegen — man sieht es dem Doctor an, wie viel er leidet, obwohl er es Allen zu verbergen strebt — er ist der edelste Mann, den ich kenne.“
Während die Blumenfabrikantin so sprach, spielte das Kind noch immer mit Elisabeths Fingern unter dem seidnen Handschuh, und diese sagte jetzt zu jener leise: „Ich mögte
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