Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.göttlicher Stoff zu einem Lustspiel -- Seirbe sollte ihn benutzen." "Das ist ja unmöglich," sagte die Gräfin, "ein Mädchen von so guter Erziehung kann niemals so weit herabsteigen, und wenn sie auch von bürgerlichem Herkommen und die Tochter eines gemeinen Vaters ist." "Eben darin liegt der größte Spas -- der Vater ist in Verzweiflung über diese Aufführung seiner Tochter und bewacht sie deshalb streng -- aber sie weiß ihn zu hintergehen. Wenn man nicht fürchten müßte, es wäre zu widerwärtig, müßte es eigentlich interessant sein, dies Mädchen einmal zu sehn." Die Gräfin litt während dieser Rede unbeschreiblich, sie wollte es nicht zugestehen, daß dies Mädchen Elisabeths Freundin sei, und war doch gewiß, daß binnen Kurzem ein Zufall oder Elisabeth selbst es dem Kammerjunker verrathen würde. Die Gräfin konnte Paulinen nicht übel wollen, sie konnte nicht glauben, was Aarens von ihr erzählte, aber sie sah ungern die Freundschaft Elisabeth's mit diesem bürgerlichen Mädchen, welches die Tochter eines Mannes war, der ihr wie der ärgste Feind ihres Hauses erschien. Aber sie wußte, daß in dieser Sache ihren Vorstellungen Elisabeth kein Gehör gab, und dafür hatte ihr ja nun eben der gegenwärtige Augenblick einen Beweis geliefert. Der Umgang der Freundinnen hatte ihr göttlicher Stoff zu einem Lustspiel — Seirbe sollte ihn benutzen.“ „Das ist ja unmöglich,“ sagte die Gräfin, „ein Mädchen von so guter Erziehung kann niemals so weit herabsteigen, und wenn sie auch von bürgerlichem Herkommen und die Tochter eines gemeinen Vaters ist.“ „Eben darin liegt der größte Spas — der Vater ist in Verzweiflung über diese Aufführung seiner Tochter und bewacht sie deshalb streng — aber sie weiß ihn zu hintergehen. Wenn man nicht fürchten müßte, es wäre zu widerwärtig, müßte es eigentlich interessant sein, dies Mädchen einmal zu sehn.“ Die Gräfin litt während dieser Rede unbeschreiblich, sie wollte es nicht zugestehen, daß dies Mädchen Elisabeths Freundin sei, und war doch gewiß, daß binnen Kurzem ein Zufall oder Elisabeth selbst es dem Kammerjunker verrathen würde. Die Gräfin konnte Paulinen nicht übel wollen, sie konnte nicht glauben, was Aarens von ihr erzählte, aber sie sah ungern die Freundschaft Elisabeth’s mit diesem bürgerlichen Mädchen, welches die Tochter eines Mannes war, der ihr wie der ärgste Feind ihres Hauses erschien. Aber sie wußte, daß in dieser Sache ihren Vorstellungen Elisabeth kein Gehör gab, und dafür hatte ihr ja nun eben der gegenwärtige Augenblick einen Beweis geliefert. Der Umgang der Freundinnen hatte ihr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0106" n="100"/> göttlicher Stoff zu einem Lustspiel — Seirbe sollte ihn benutzen.“</p> <p>„Das ist ja unmöglich,“ sagte die Gräfin, „ein Mädchen von so guter Erziehung kann niemals so weit herabsteigen, und wenn sie auch von bürgerlichem Herkommen und die Tochter eines gemeinen Vaters ist.“</p> <p>„Eben darin liegt der größte Spas — der Vater ist in Verzweiflung über diese Aufführung seiner Tochter und bewacht sie deshalb streng — aber sie weiß ihn zu hintergehen. Wenn man nicht fürchten müßte, es wäre zu widerwärtig, müßte es eigentlich interessant sein, dies Mädchen einmal zu sehn.“</p> <p>Die Gräfin litt während dieser Rede unbeschreiblich, sie wollte es nicht zugestehen, daß dies Mädchen Elisabeths Freundin sei, und war doch gewiß, daß binnen Kurzem ein Zufall oder Elisabeth selbst es dem Kammerjunker verrathen würde. Die Gräfin konnte Paulinen nicht übel wollen, sie konnte nicht glauben, was Aarens von ihr erzählte, aber sie sah ungern die Freundschaft Elisabeth’s mit diesem bürgerlichen Mädchen, welches die Tochter eines Mannes war, der ihr wie der ärgste Feind ihres Hauses erschien. Aber sie wußte, daß in dieser Sache ihren Vorstellungen Elisabeth kein Gehör gab, und dafür hatte ihr ja nun eben der gegenwärtige Augenblick einen Beweis geliefert. Der Umgang der Freundinnen hatte ihr </p> </div> </body> </text> </TEI> [100/0106]
göttlicher Stoff zu einem Lustspiel — Seirbe sollte ihn benutzen.“
„Das ist ja unmöglich,“ sagte die Gräfin, „ein Mädchen von so guter Erziehung kann niemals so weit herabsteigen, und wenn sie auch von bürgerlichem Herkommen und die Tochter eines gemeinen Vaters ist.“
„Eben darin liegt der größte Spas — der Vater ist in Verzweiflung über diese Aufführung seiner Tochter und bewacht sie deshalb streng — aber sie weiß ihn zu hintergehen. Wenn man nicht fürchten müßte, es wäre zu widerwärtig, müßte es eigentlich interessant sein, dies Mädchen einmal zu sehn.“
Die Gräfin litt während dieser Rede unbeschreiblich, sie wollte es nicht zugestehen, daß dies Mädchen Elisabeths Freundin sei, und war doch gewiß, daß binnen Kurzem ein Zufall oder Elisabeth selbst es dem Kammerjunker verrathen würde. Die Gräfin konnte Paulinen nicht übel wollen, sie konnte nicht glauben, was Aarens von ihr erzählte, aber sie sah ungern die Freundschaft Elisabeth’s mit diesem bürgerlichen Mädchen, welches die Tochter eines Mannes war, der ihr wie der ärgste Feind ihres Hauses erschien. Aber sie wußte, daß in dieser Sache ihren Vorstellungen Elisabeth kein Gehör gab, und dafür hatte ihr ja nun eben der gegenwärtige Augenblick einen Beweis geliefert. Der Umgang der Freundinnen hatte ihr
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