Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

sich ins Ungeheure vermehren mußte, so dehnte er seine Redensart "meine Herren" von den Bürgern auch gern auf die Proletarier aus, und in dieser unwillkürlichen Gewöhnung lag ein viel tieferer Sinn, als er selbst sich träumen ließ. Er sagte also:

"Guten Tag, meine Herren."

Über die Gesichter der so Begrüßten zog es wie ein augenblicklicher Sonnenschein, so erfreuen kann ein armseliges, gedankenlos hingesprochenes Wort. Aber Wilhelms Gesicht verfinsterte sich noch schneller, als eine schwarze Gewitterwolke einen Sonnenblick vernichtet, denn auch so verwunden kann ein armseliges Wort, und indes die anderen höflich ihre schlechten Mützen abnahmen, antwortete er düster:

"Wir sind keine Herren, wir sind arme Arbeiter."

"Sind Sie ihrer viele hier?" fragte Jaromir.

"Ein paar Hundert", antwortete Anton und spitzte die Ohren, "Weiber und Kinder nicht gerechnet."

sich ins Ungeheure vermehren mußte, so dehnte er seine Redensart „meine Herren“ von den Bürgern auch gern auf die Proletarier aus, und in dieser unwillkürlichen Gewöhnung lag ein viel tieferer Sinn, als er selbst sich träumen ließ. Er sagte also:

„Guten Tag, meine Herren.“

Über die Gesichter der so Begrüßten zog es wie ein augenblicklicher Sonnenschein, so erfreuen kann ein armseliges, gedankenlos hingesprochenes Wort. Aber Wilhelms Gesicht verfinsterte sich noch schneller, als eine schwarze Gewitterwolke einen Sonnenblick vernichtet, denn auch so verwunden kann ein armseliges Wort, und indes die anderen höflich ihre schlechten Mützen abnahmen, antwortete er düster:

„Wir sind keine Herren, wir sind arme Arbeiter.“

„Sind Sie ihrer viele hier?“ fragte Jaromir.

„Ein paar Hundert“, antwortete Anton und spitzte die Ohren, „Weiber und Kinder nicht gerechnet.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0110" n="104"/>
sich ins Ungeheure vermehren mußte, so dehnte er seine Redensart &#x201E;meine Herren&#x201C; von den Bürgern auch gern auf die Proletarier aus, und in dieser unwillkürlichen Gewöhnung lag ein viel tieferer Sinn, als er selbst sich träumen ließ. Er sagte also:</p>
        <p>&#x201E;Guten Tag, meine Herren.&#x201C;</p>
        <p>Über die Gesichter der so Begrüßten zog es wie ein augenblicklicher Sonnenschein, so erfreuen kann ein armseliges, gedankenlos hingesprochenes Wort. Aber Wilhelms Gesicht verfinsterte sich noch schneller, als eine schwarze Gewitterwolke einen Sonnenblick vernichtet, denn auch so verwunden kann ein armseliges Wort, und indes die anderen höflich ihre schlechten Mützen abnahmen, antwortete er düster:</p>
        <p>&#x201E;Wir sind keine Herren, wir sind arme Arbeiter.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Sind Sie ihrer viele hier?&#x201C; fragte Jaromir.</p>
        <p>&#x201E;Ein paar Hundert&#x201C;, antwortete Anton und spitzte die Ohren, &#x201E;Weiber und Kinder nicht gerechnet.&#x201C;</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0110] sich ins Ungeheure vermehren mußte, so dehnte er seine Redensart „meine Herren“ von den Bürgern auch gern auf die Proletarier aus, und in dieser unwillkürlichen Gewöhnung lag ein viel tieferer Sinn, als er selbst sich träumen ließ. Er sagte also: „Guten Tag, meine Herren.“ Über die Gesichter der so Begrüßten zog es wie ein augenblicklicher Sonnenschein, so erfreuen kann ein armseliges, gedankenlos hingesprochenes Wort. Aber Wilhelms Gesicht verfinsterte sich noch schneller, als eine schwarze Gewitterwolke einen Sonnenblick vernichtet, denn auch so verwunden kann ein armseliges Wort, und indes die anderen höflich ihre schlechten Mützen abnahmen, antwortete er düster: „Wir sind keine Herren, wir sind arme Arbeiter.“ „Sind Sie ihrer viele hier?“ fragte Jaromir. „Ein paar Hundert“, antwortete Anton und spitzte die Ohren, „Weiber und Kinder nicht gerechnet.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-23T11:52:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-23T11:52:15Z)
HATHI TRUST Digital Library: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-23T11:52:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/110
Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/110>, abgerufen am 21.11.2024.